B2B-Handel: Wie KMU Wachstumschancen in der Krise nutzen
Anlässlich der Roadshow von Alibaba.com in Deutschland konnte das e-commerce magazin mit Karl Wehner, Managing Director bei der Alibaba Group, über die Strategie der B2B-Plattform und Trends im B2B-Handel sprechen.
Die B2B-Einkaufsplattform Alibaba.com startete ihre diesjährige Roadshow-Reihe „Source to Grow“ mit einer Veranstaltung am 31. Januar 2023 in der BMW Welt in München. Der chinesische Plattformbetreiber will mit der Veranstaltungsreihe einen Überblick über aktuelle Trends im B2B-Handel geben. B2B-Einkäufer in deutschen KMU erhalten dabei Tipps, wie ihr Unternehmen künftige Wachstumschancen trotz Störungen in der Lieferkette und wirtschaftlicher Herausforderungen nutzen kann. Eine der Voraussetzungen hierfür ist eine Verstärkung der Online-Beschaffung. Dadurch können gerade mittelständische Unternehmen ihre Kosteneffizienz verbessern und die Lieferkette diversifizieren.
Auf der Veranstaltung in München am 31. Januar sprach Redakteur Stefan Girschner vom e-commerce magazin mit Karl Wehner, Managing Director bei der Alibaba Group für Deutschland, Österreich, Schweiz, CEE und Türkei, über die Strategie des Unternehmens in Deutschland und aktuelle Trends und Entwicklungen im B2B-Handel.
Herr Wehner, was ist eigentlich das Geschäftsfeld der Alibaba Group in Deutschland?
Karl Wehner: Angefangen haben wir mit der Alibaba Group in Deutschland 2015 mit dem Aufbau eines ersten lokalen Teams. Ich selbst bin 2016 dazugekommen und seitdem hat sich die Aufgabe nicht verändert. Unser Ziel ist es, den Handel weltweit zu vereinfachen. Zunächst hieß das, deutschen Marken oder Marken aus der Region Deutschland, Österreich und der Schweiz den Weg zum chinesischen Endkunden so einfach wie möglich zu gestalten. Tmall Global, unsere Cross-Border-E-Commerce-Plattform, hat das sehr einfach gemacht für Marken. Denn vorher wurde eine Niederlassung in China benötigt, als Voraussetzung, um chinesische Endkunden im E-Commerce anzusprechen. Dieses Hindernis ist mit Tmall Global weggefallen und wir konnten den Marken hier helfen, über ihre sogenannten Flagship Stores den chinesischen Markt zu erschließen.
Alibaba fungiert dabei immer als Enabler, wir stellen die technologische Infrastruktur zur Verfügung. Und dann gibt es die so genannten Trade Partner, das sind in China ansässige Unternehmen, die an unserem Ökosystem partizipieren und Marken helfen, ihre Produkte zu vermarkten. Speziell an Chinesen, die ja ein bisschen anders ticken als man das vom hiesigen Markt gewohnt ist. Ein Beispiel ist der Kundenservice: Wenn wir uns hier über eine Antwort auf eine Mail innerhalb von vier Stunden freuen, ist es halt in China eine Chatfunktion mit Antwortzeiten um die drei Sekunden.
Tmall Global hat uns also seit 2016 beschäftigt; Ende 2016 ist dann mit Alibaba Cloud die nächste Business Unit dazu gekommen. Wir betreiben hier drei Rechenzentren in Frankfurt. Das Ganze wird jetzt auch weiter wachsen. Wir sind Technologiepartner der Olympischen Spiele in Frankreich 2024, da werden die Rechenzentren in Frankfurt auch eine wichtige Rolle spielen.
Sind diese Rechenzentren denn konform mit den in der EU geltenden Reglementierungen?
Karl Wehner: Als wir das Rechenzentrum und unsere Cloud-Dienstleistungen in Europa in Deutschland etabliert haben, waren wir von Beginn an konform mit allen regulatorischen Gegebenheiten und Voraussetzungen. Wir sind sogar weiter gegangen als notwendig. Und waren der erste Anbieter überhaupt, der das C5-Testat des BSI mit erweiterten Anforderungen erhalten hat. Für das Rechenzentrum in Deutschland gelten also dieselben Regularien, denen auch ein deutsches Unternehmen unterliegt.
Um noch einmal zurückzukommen zu Tmall Global – können Sie da ein paar Marken nennen?
Karl Wehner: Das geht von großen, multinationalen Marken wie Henkel, adidas oder Beiersdorf bis hin zu kleinen und mittelständischen Marken. Da gibt es ganz tolle Beispiele wie die Confiserie Lauenstein, die Bekanntheit in sozialen Netzwerken in China erlangt hat, weil eine Touristengruppe mal dort im Geschäft die Schokolade probiert und das dann auf den sozialen Medien geteilt hat. Und dann war eben die Frage: Wie gehen wir denn nach China? Und die Antwort war Tmall Global. Ähnlich lief es unlängst etwa bei den Reber Mozartkugeln. Und da gibt es viele Beispiele, allein beim „11.11 Global Shopping Festival 2020“ haben deutsche Marken auf unseren Plattformen über eine Milliarde US-Dollar umsetzen können. Made in Germany ist nach wie vor ein Gütesiegel in China.
Auf der Cloud-Seite arbeiten wir unter anderem mit BMW und SAP zusammen und es gibt zahlreiche weitere Partnerschaften, aber da ist noch Luft nach oben. Es gibt viele Möglichkeiten, die wir hier bieten können, gerade im Bereich KI. Da haben wir in China erprobte Module. Allein die Größe des Marktes ist bei der Entwicklung solcher Anwendungen hilfreich. So hat Alibaba weltweit 1,3 Milliarden aktive Kunden und davon eine Milliarde in China. Das erlaubt uns, Innovation sehr schnell weiter voranzutreiben. Unsere riesige Kundenbasis hat hohe Ansprüche und denen müssen wir gerecht werden.
Und jetzt kommt Alibaba.com nach Deutschland?
Karl Wehner: Richtig. Alibaba.com ist unsere B2B-Geschäftseinheit. B2B-Handel war es, womit Jack Ma und seine Gründerkollegen 1999 in China an den Start gegangen waren. Und wenn wir jetzt hier ein deutsches Alibaba.com-Team aufbauen, sprechen wir letztlich eine der wichtigsten Zielgruppen überhaupt an, denn kleine und mittelständische Unternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und die deutsche Wirtschaft ist das Rückgrat der europäischen Wirtschaft. Deutschland ist zwar Export Europameister. Was aber für deutsche KMU und Großhändler, Einkäufer und Hersteller wichtig ist, ist der Aspekt der Digitalisierung, wo wir in Deutschland durchaus noch Nachholbedarf haben. Und genau da setzt Alibaba.com an.
Betrifft das auch den B2B-Handel mit China?
Karl Wehner: Keineswegs nur China. Es ist nicht nur der Weg von und nach China, den Alibaba.com möglich macht, sondern es ist globaler Handel. Wir unterstützen die so wichtige Diversifizierung der Lieferketten, Zielmärkte sind hier Asien, die USA, und Indien. Das passt gut zu den Herausforderungen, die mittelständische Unternehmen im Groß- und B2B-Handel haben. Unser Job ist es wieder, die Einstiegshilfen so tief wie möglich zu hängen. Wir haben vielen Marken geholfen, Endkunden anzusprechen. Mindestens ebenso viel Potential sehen wir im B2B-Handel. Und um dieses Potential zu erschließen, arbeiten wir mit Channel Partnern, sprich Umsetzungsagenturen, die dann Unternehmen ansprechen und ihnen helfen mit Alibaba.com am digitalen globalen Handel teilzunehmen, und zwar im Einkauf sowie im Verkauf.
Sie sprechen also von Direct Commerce, dem direkte Vertriebsweg ohne Einschaltung eines Zwischenhändlers?
Karl Wehner: Exakt. Da ist zum Beispiel die novoflow GmbH, die sich auf unserer Roadshow in München vorstellte, ein Hersteller von Filtertechnik. Sie sprechen als Hersteller direkt neue Käuferschichten auf der Plattform an. Die Käufer sind natürlich hier keine Endkunden, sondern gewerbliche Einkäufer. So kann Alibaba.com ein weiterer Kanal für KMU sein – neben Messen und anderen traditionellen Kanälen. Gerade mit Messen wie der ISPO oder der Automechanika arbeiten wir gut zusammen. Auf der Messe etwa wird ein Nischenprodukt vor 40 Kunden vorgestellt; parallel im Livestream auf Alibaba.com aber vielleicht 4.000 oder 40.000 Interessenten. Und da kannibalisieren wir uns überhaupt nicht mit den Messebetreibern – im Gegenteil. Wir geben ihnen zusätzliche globale Sichtbarkeit.
Wie können sich Käufer vor Betrug auf der Plattform schützen?
Karl Wehner: Im Kampf gegen Betrug haben wir seit unserer Gründung 1999 viel Erfahrung und technologisches Know-how erlangt. Wir haben Bewertungssysteme, arbeiten gerade für den deutschen Markt mit Gütesiegeln und haben den TÜV Rheinland als Partner, der uns mit Zertifizierungen der Hersteller und Anbieter hilft.
Der digitale Weg erlaubt auch ganz andere „Einkaufserlebnisse“. Was unternimmt Alibaba denn im Bereich der immersiven Technologien, wie das Metaversum?
Karl Wehner: Dinge wie Live-Shopping, 3D-Anwendungen bis hin zu AR- und VR-Anwendungen sind in China schon viel weiter fortgeschritten; wir bieten da die entsprechende Infrastruktur an, die Händler auf unseren Plattformen dann nutzen können. Wir ermöglichen es so eben auch KMU im B2B-Handel, die vielleicht nicht selbst die technischen und personellen Ressourcen dafür haben, davon zu profitieren. Sie können dann etwa ihre Bauteile in 3D animiert darstellen.
Sie können aber auch ihre gesamte Wertschöpfungskette über die Plattform abbilden, also von der Produktidee über die Anfrage für die Produktion bis hin zur Logistik und Distribution. Wenn ich denke, ich habe eine Marktlücke entdeckt für Blumentöpfe, die aussehen wie ein Löwe, kann ich mir auf Alibaba.com ein Spritzgussunternehmen suchen, das mir diese nach meiner Spezifikation produziert.
Es heißt ja oft von Anbietern, „wir haben keine Mitbewerber“. Wo sehen Sie Alibaba im Wettbewerb mit anderen B2B-Marktplätzen?
Karl Wehner: Wir sehen hierzulande zunächst viele kleine, hochspezialisierte Anbieter – und natürlich andere globale Player. Der wesentliche Unterschied ist, dass wir uns mit Alibaba.com mit unserem globalen Netz nicht auf bestimmte Kategorien spezialisieren. Hersteller und Händler können alles von 1.000 Partyhüten bis zu einer Sechs-Meter-Aluminiumschleifmaschine, deren Produktion man mit Spezifikationen in Auftrag geben muss, anbieten.
In der letzteren Kategorie läuft ein Geschäft dann auch nicht mit einem Klick, bei einem solchen Auftrag interagieren Käufer und Verkäufer ausführlich über die Plattform, vor, während und nach der Bestellung. Anders ist das etwa bei Büroartikeln oder C-Artikeln, die sich einfach kategorisieren lassen: alles das, was zum Beispiel eine EAN und oder eine UPC hat. Aber die gesamte Bandbreite – von hochspezialisiert bis Massenmarkt, und das auf der ganzen Welt – da sehe ich kaum Konkurrenz.
Wie wirkt sich die aktuelle politische Lage mit China aus? Zweifelt der deutsche Mittelstand an der Zuverlässigkeit chinesischer Anbieter?
Karl Wehner: Ganz ehrlich: Zweifel erleben wir nicht. Was wir erleben, ist, dass Unternehmen ein enormes Interesse haben, mit uns zu arbeiten. Dazu hat Alibaba.com auch eine Umfrage durchgeführt, nach der 73 Prozent der Unternehmen digitaler werden und neue Märkte dadurch erschließen wollen. Es gibt auch eine Umfrage vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik, aus der hervorgeht, dass Supply Chain Management und die Abwicklung von Transaktionen mitunter die wichtigsten Bereiche sind, die KMU als verbesserungsbedürftig ansehen. Unternehmen sehen hier einen Bedarf für mehr Digitalisierung. Die Zeichen stehen also gut für unser Angebot, und das ist ja nicht nur der Schritt nach China, sondern in die ganze digitale Welt.
Herr Wehner, ich danke Ihnen für das Gespräch.
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