Bestandsmanagement: Wie generative KI die Effizienz steigern kann
Künstliche Intelligenz ist mittlerweile in vielen Branchen zur Steigerung von Effizienz und Produktivität im Einsatz. Auch im Handel revolutionieren generative KI-Modelle die Spielregeln. So lässt sich die Fehlerquote im Bestands- und Lieferketten-Management durch KI-gesteuerte Prognosen heute schon auf bis zu 50 Prozent senken.
Geht es um ein optimales Bestandsmanagement, stehen gerade Einzelhändler im Konsumgüterbereich vor vielfältigen Herausforderungen. Am Beispiel der Modebranche lässt sich die gut verdeutlichen: So müssen Händler hier viele externe Markt-Timing-Faktoren immer im Blick haben – von sich rasch wandelnden Modetrends über das Saison-Geschäft bis hin zur schnellen Reaktion auf Promotion- und Sales-Aktionen der Konkurrenz. Aber auch negative Kundenrückmeldungen, die über digitale Kanäle an das Unternehmen adressiert werden, müssen Händler berücksichtigen. Diese Herausforderungen werden durch lange Vorlaufzeiten bei der Warengüterbestellung mitunter noch komplexer.
Alle diese Faktoren wirken sich direkt auf die Anforderungen im Bestandsmanagement aus. Reagieren Händler auf solche Entwicklungen im Markt nicht rechtzeitig, besteht immer die Gefahr einer kostspieligen Über- oder Unterbevorratung. Nutzen Händler dagegen generative KI-Modelle für ein optimiertes Bestandsmanagement, liegt vor allem in der Fähigkeit, Echtzeitanforderungen frühzeitig zu erkennen und zu erfüllen, eine große Chance. Generative KI kann manuelle menschliche Prozessschritte zur Analyse von Lieferketten- oder Bestandsdaten durch intelligente Automatisierung und vernetzte Systeme ersetzen. Und beschleunigt auf diese Weise das Reaktionsmanagement im Unternehmen erheblich.
Innovative Datenauswertung im Bestandsmanagement
Durch den Einsatz generativer KI-Modelle können Unternehmen mittlerweile riesige Datenmengen aus unterschiedlichsten Quellen analysieren. In der Modebranche müssen Einzelhändler sowohl Modenschauen als auch Streetstyle-Entwickungen oder Social-Media-Trends und Influencer-Accounts kontinuierlich im Auge behalten. Da die neuesten Gen AI Large Language Models (LLM) auch unstrukturierte Textquellen problemlos zusammenführen, kombinieren, auswerten und analysieren können, können Einzelhändler Informationen aus all diesen unterschiedlichsten Datenquellen für ihre spezifischen Erkenntnisse auszuwerten. Auch andere Tools wie Preisplattformen, Kalkulatoren oder Google-Suchen können in die KI-gestützte Analyse einbezogen werden.
Auf Basis eines automatisierten KI-gestützten Monitorings von Marken, digitalen Feeds (Web, Social Media) und auch der eigenen Supply-Chain-Logs lassen sich Daten und Informationen jeder Art und jederzeit in Sekundenschnelle entsprechend aktuellen Geschäftsanforderungen strukturieren und analysieren. Eine Frage wie „Wo besteht das Risiko einer Über- oder Unterbevorratung auf Basis unserer aktuellen Verkaufszahlen?“ kann mittels generativer KI in spezifische Formate und (API-) Schnittstellen transformiert werden. Diese können dann in Form von Bedarfsprognosen oder dynamischen Preisfindungsalgorithmen dem Einkauf und Vertrieb als Entscheidungsgrundlage bereitgestellt werden.
KI ermöglicht effizienteres Lieferkettenmanagement
Neben der Beschleunigung des gesamten Bestandsmanagement-Prozesses ermöglichen generative KI-Modelle auch eine höhere Kundenzufriedenheit durch eine stärkere Personalisierung der Kundenbeziehung. Kaufentscheidungen werden heute in hohem Maße durch Online-Recherchen beeinflusst. Dieser sogenannte ROPO-Effekt (Research Online, Purchase Offline) zeigt beispielsweise, dass selbst Kunden, die einen hochwertigen Kauf erwägen und eher bereit sind, ihre Kaufentscheidung direkt im Geschäft vor Ort zu treffen, sich einer Marke stärker verbunden fühlen, wenn sie sich zuvor online über die Marke und die Produkte informiert haben.
Bis 2025 werden 80 Prozent aller Interaktionen zwischen Verkäufer und Käufer maßgeblich von Online-Kanälen beeinflusst. Um im Wettbewerb mit anderen Marken bestehen zu können, müssen Unternehmen ihre Kunden daher künftig auch online möglichst effektiv ansprechen. Mit Hilfe von generativer KI können Händler dafür Kundendaten wie Kaufhistorie, Vorlieben und demografische Daten nutzen. Dadurch können sie ihren Kunden möglichst personalisierte Empfehlungen und maßgeschneiderte Produkte anbieten.
Mit KI 360-Grad-Sicht auf die Kundenbedürfnisse
Durch die Definition von Markenstandards und die Schaffung digitaler Touchpoints über alle Kanäle hinweg können Einzelhändler Daten und Prozesse entlang der gesamten Customer Journey integrieren, Feedback sammeln und eine 360-Grad-Sicht auf ihre Kunden aufbauen, um ihre Omnichannel-Strategie perfekt und individuell auf ihre jeweiligen Kundenzielgruppen abzustimmen.
Wenn Händler die individuellen Kundenpräferenzen kennen, sind sie auch besser in der Lage, ihr Sortiment entsprechend zu optimieren. Dadurch erhöhen sie nicht nur die Kundenzufriedenheit, sondern verringern auch das Risiko von Überbeständen und Preisnachlässen. Durch die Analyse von Daten über Lieferanten, Produktionskapazitäten, Durchlaufzeiten und Transportlogistik können generative KI-Modelle Einzelhändlern zudem dabei helfen, wirklich fundierte, datengestützte Entscheidungen über Beschaffung, Produktionsplanung und Bestandszuweisung zu treffen und so ihre gesamten Lieferkettenprozesse zu optimieren.
Bestandsmanagement: Grenzen des Einsatzes generativer KI
Der Nutzen von generativer KI hängt aktuell immer noch stark von der Qualität und Quantität der verfügbaren Daten ab. Wenn beispielsweise historische Daten unzureichend oder verzerrt sind, können auch die darauf basierenden Vorhersagen und Erkenntnisse weniger genau oder verzerrt sein. Generell können begrenzte oder qualitativ schlechte Daten die Effektivität von generativen KI-Modellen beeinträchtigen. Allerdings sind solche Verzerrungen für bestimmte Themen, wie das genannte Bestandsmanagement, in der Regel nicht besonders relevant. Relevantere Herausforderungen ergeben sich eher aus der Perspektive des geistigen Eigentums eines Unternehmens. Wenn also ein Händler interne Daten an eine externe Cloud-API sendet.
Auch bei unvorhergesehenen Ereignissen wie Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen oder einer Pandemie können generative KI-Modelle Schwierigkeiten haben, die dadurch beeinflussten Nachfrageschwankungen präzise vorherzusagen. Solche Ereignisse können zu erheblichen Verhaltensänderungen führen, die zuvor durch historische Daten nicht ausreichend erfasst wurden. Nichtsdestotrotz ist die Digitalisierung des Bestandsmanagements mit Hilfe der generativen KI-Technologie ein komplexes Gebiet. Der Aufbau entsprechender hoch skalierbarer und zuverlässiger KI-Systeme, die mit anderen IT-Systemen interagieren, erfordert erhebliche technische Kompetenz, für die sich Einzelhändler, wenn keine internen Ressourcen verfügbar sind, Hilfe von externen Digitalisierungsexperten holen sollten. (sg)
Über den Autor: Dr. Hardy Kremer ist Vice President of Data Science & Data Engineering bei der Ommax GmbH.
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