29.11.2016 – Kategorie: Handel
Chinas E-Commerce-Landschaft 2017: Fünf Trends für deutsche Einzelhändler
Alle sprechen über China. Aber nur wenige Händler aus Deutschland haben bislang den Schritt nach Fernost gewagt. Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt für deutsche Einzelhändler, in den chinesischen Markt zu expandieren. Dabei sollten sie allerdings aus Erfolgen und Misserfolgen der Pioniere auf dem chinesischen Markt lernen.
Alle sprechen über China. Aber nur wenige Händler aus Deutschland haben bislang den Schritt nach Fernost gewagt. Jetzt wäre der ideale Zeitpunkt für deutsche Einzelhändler, in den chinesischen Markt zu expandieren. Dabei sollten sie allerdings aus Erfolgen und Misserfolgen der Pioniere auf dem chinesischen Markt lernen.
Dazu gehört unter anderem auch, dass sie bereit sein sollten, die Verbraucher-Kultur vor Ort kennenzulernen und maßgeschneiderte Marketing-Kampagnen zu implementieren. Denn was in Deutschland funktioniert, kann in China ein völliger Flop werden.
1. Die E-Commerce Branche stabilisiert sich
In den vergangenen drei Jahren hat der chinesische E-Commerce-Markt einen rasanten Wandel durchlebt. Waren es 2013 nur einzelne Händler aus Übersee, die Direktversand für chinesische Verbraucher anboten, schien der Markt seither zwischenzeitig fast zu explodieren. 2014 erließ die chinesische Regierung Gesetze zur Regulierung des Cross-border-E-Commerce-Marktes und erlaubte damit offiziell den direkten Kauf internationaler Produkte für chinesische Endverbraucher. Es entwickelte sich ein regelrechter Graumarkt, denn alle wollten ein Stück vom Kuchen abhaben. Hunderte von neuen Playern am Markt buhlten um die Gunst der Käufer, darunter auch sogenannte „Schurkenhändler“, die massenhaft gefälschte Waren anboten.
Die E-Commerce-Branche geriet völlig außer Kontrolle, so dass die Regierung im Frühjahr 2016 eine Reihe von neuen Regulierungen einführte. Diese sollten B2C-E-Commerce und traditionellen B2B2C-Bulk-Handel ermöglichen. Die neue Regulierung hatte auch sofortige Auswirkungen: das Gesamtvolumen der grenzüberschreitenden E-Commerce-Transaktionen ist in den letzten 12 Monaten um fast die Hälfte zurückgegangen und viele der „Fake-Player“ sind vom Markt verschwunden. Die chinesische Regierung wird auch 2017 weitere Feinabstimmungen vornehmen, Hand in Hand mit der berühmten „Positivliste“, die es heute ermöglicht, beliebte ausländische Produkte über die Freihandelszone Chinas zu importieren.
Diese Vorschriften sollten deutsche Einzelhändler nicht abschrecken. Im Gegenteil, sie bereiten den Weg in stabilere Zeiten vor, von dem sowohl international Verkäufer wie auch chinesische Verbraucher profitieren werden.
2. Die Zahl der Einzelhändler, die außerhalb des Tmall-Marktes tätig sind, wird weiter zunehmen
Alibabas Einkaufsplattform für internationale Verkäufer, Tmall Global, war und ist nach wie vor der größte Marktplatz für E-Commerce in China. Aufgrund seiner Größe kann der Verkauf auf Tmall allerdings unerschwinglich teuer werden, wenn alle Kosten mit berücksichtigt werden. Zudem besteht zu jeder Zeit das Risiko, dass die eigenen Produkte neben gefälschten Waren platziert werden, die dem eigenen Ruf schaden könnten. Denn gefälschte Produkte gibt es nach wie vor beim Marktführer.
Viele internationale Einzelhändler geben daher mittlerweile ihren Tmall-Shop auf und suchen nach neuen Kanälen, um chinesische Kunden zu erreichen. So beispielsweise die US-amerikanische Marke Coach, Anbieter von Luxus-Accessoires. Man hat sich kürzlich bereits zum zweiten Mal unter Berufung auf Unzufriedenheit mit dem Betrieb der Website, Provisionen und Gebühren für die Verkehrsübernahme, von Tmall Global getrennt. Und auch Michael Kors hat mittlerweile seine eigene chinesische Website ins Leben gerufen, um mehr Kontrolle über das Merchandising seiner Palette zu haben.
3. WeChat wird weiter dominieren, aber achten Sie auch auf Weibo
Chinas beliebteste Messaging-App WeChat hat sich zu einem allumfassenden Browser für mobile Websites entwickelt. Einzelhändler, Banken und Modemarken eröffnen offizielle Konten auf dieser „Super App“. Das ist nicht verwunderlich, wenn man überlegt, dass sich etwa 94 Prozent der insgesamt 700 Millionen WeChat-Nutzer jeden Tag anmelden. Das sind ungefähr so viele Menschen wie ganz Europa Einwohner hat.
Eine weitere wichtige Social-Media-Plattform, die Einzelhändler nutzen können, um ihren Umsatz zu steigern, ist Weibo. Besser bekannt als das chinesische Twitter, wuchs diese Microblogging-Website allein 2016 um ein Drittel und hat jetzt fast drei Millionen Nutzer. Das mag im Vergleich zu WeChat wenig klingen, aber für Chinesen ist Weibo eine sehr beliebte Plattform, Inhalten von Online-Influencern zu folgen. Die europäischen Einzelhändler La Redoute und Feelunique haben kürzlich mit ein paar der wichtigsten Online-Prominenten Chinas zusammengearbeitet. Die KOLs – Key Opinion Leader – haben die Produkte der beiden europäischen Retailer genutzt und ihre Erfahrungen und Bewertungen mit ihren riesigen Fanbases geteilt. Dieser Trend dürfte sich auch in 2017 fortsetzen.
4. Mobile wird alle anderen Wege auf den Markt ablösen
Mobile Commerce ist bereits für mehr als die Hälfte des Online-Vertriebs in China verantwortlich. Wie die jüngsten Zahlen zeigen, repräsentieren Smartphones heute über 90 Prozent aller neuen Telefonkäufe. Diese Zahlen werden ein weiteres Wachstum von M-Commerce begünstigen.
WeChat hat den ultimativen Zugang für Einzelhändler bereitgestellt, um Verbraucher über ihre Smartphones zu erreichen. Die App ermöglicht es ihnen, Beziehungen mit Kunden über ihre offiziellen Konten aufzubauen. Ein weiterer großer Vorteil ist die einfache Zahlung mit dem Handy. Kunden erstellen in ihrem Profil eine WeChat Brieftasche und können durch die Verknüpfung zu einer Bankkarte problemlos und vor allem bargeldlos einkaufen.
5. Einzelhändler werden immer besser bei Lokalisierung
Mit einer Bevölkerung von fast 1,4 Milliarden gibt es große Unterschiede in jeder der 34 Regionen Chinas. Dabei beeinflussen zahlreiche Faktoren wie Haushaltseinkommen, Sprache, Bildung, Kultur und Logistik die Kaufgewohnheiten der Verbraucher.
Traditionell war es so, dass Einzelhändler vor allem die Bewohner in sogenannten Tier-1-Städten wie Peking und Shanghai ansprachen. Und diese bilden immer noch einen wichtigen Teil des Marktes ab. Aber es gibt eine zunehmende Zahl an Verbrauchern, die in anderen wohlhabenden Gebieten wie den Provinzen Jiangsu und Guangdong leben. Viele der dort ansässigen Verbraucher haben entweder im Ausland gelebt oder sind dort sogar zu Schule oder zur Universität gegangen. Daher sind sie vertraut mit westlichen Marken.
Den richtigen Markt für die Produkte finden
Grundsätzlich kann man sagen, dass die östlichen und südlichen Küstenregionen wohlhabender als die Binnenprovinzen sind. Aber es gibt eine bemerkenswerte Zunahme der Zahl an Verbrauchern in den Tier-2-Städten, darunter Suzhou und Ningbo. Dort sind die Lebenshaltungskosten günstiger und viele Menschen nutzen ihr verfügbares Einkommen, um Produkte aus Übersee zu kaufen.
Es geht darum, den richtigen Markt für die jeweiligen Produkte zu finden. Gute Planung und Strategie ist wichtig, aber die praktische Umsetzung der Strategie ist oft komplex. Lokales Wissen ist daher vor allem in China alles.
Diese Trends sind Chancen. Die grenzüberschreitende E-Commerce-Branche reift und das unkontrollierte Modell der letzten Jahre entwickelt sich zu einer nachhaltigeren und gesünderen Geschäftsperspektive für deutsche Einzelhändler, die in China verkaufen wollen. Der Markt ist auf jeden Fall da. Und er ist noch längst nicht saturiert. Wer sich bislang noch nicht mit dem chinesischen Markt befasst hat, sollte dies 2017 nachholen, denn dieser dürfte sich im kommenden Jahr für internationale Händler lohnen.
Elena Gatti, Deputy Managing Director DACH bei Azoya, untersucht die neuesten E-Commerce-Trends aus dem Reich der Mitte.
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