12.01.2021 – Kategorie: eCommerce
CO2-Fußabdruck: „Nachhaltigkeit ist kein Nischenthema mehr“
Der Schweizer Onlineshop-Betreiber Galaxus hat kürzlich ein CO2-Kompensationsmodell für seine Kunden eingeführt. Für jeden Kauf können diese eine freiwillige Abgabe zahlen, um den CO2-Fußabdruck auszugleichen. Im Interview erklärt Geschäftsführer Frank Hasselmann, die Hintergründe.
Mit dem neuen CO2-Kompensationsmodell des Onlineshop-Betreibers Galaxus können Kunden bei jedem Kauf eine freiwillige Abgabe zahlen, um den CO2-Fußabdruck auszugleichen. Frank Hasselmann, Geschäftsführer von Galaxus Deutschland hat mit Christiane
Manow-Le Ruyet, Chefredakteurin des e-commerce magazins, darüber gesprochen,
warum Nachhaltigkeit beim Onlineshopping so wichtig ist.
Sie haben in Ihren Onlineshop ein Kompensationsmodell für den persönlichen CO2-Fußabdruck eingeführt? Wie funktioniert das genau?
Frank Hasselmann: Ganz einfach: Wir bieten unseren Kunden beim Check-out-Prozess die Möglichkeit, den CO2-Fußabdruck ihres Einkaufs durch eine freiwillige Abgabe zu kompensieren. Dafür haben wir mit dem Klimalösungsanbieter South Pole ein innovatives und absolut neues Berechnungsmodell entwickelt, das es im deutschsprachigen Onlinehandel so noch nicht gibt. Denn wir berechnen für unser gesamtes Sortiment den individuellen CO2-Fußabdruck basierend auf der Wertschöpfungskette von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zum Verkauf und der Lieferung vor die Haustür.
Daraus ergibt sich ein individueller Kompensationspreis, den Konsumenten beim Bezahlvorgang freiwillig zahlen können oder auch nicht. Die CO2-Kompensationsgelder fließen dabei komplett in Klimaschutzinitiativen, die von South Pole entwickelt wurden. Unterstützt werden Initiativen in Afrika und Asien, unter anderem der Schutz des Regenwaldes oder der Aufbau von Infrastruktur zur Gewinnung von erneuerbaren Energien.
Dem zugrunde liegt die Wertschöpfungskette der Rohstoffgewinnung, über Produktion bis hin zur Lieferung. Woher beziehen Sie die Daten für eine genaue Berechnung?
Frank Hasselmann: Ausschlaggebend für den CO2-Fußabdruck sind im Modell vor allem die Produktgruppe, das Gewicht, der Preis und der Hersteller. Sofern die Informationen verfügbar sind, fließt auch die Materialzusammensetzung in die Rechnung ein. Um konkret zu sein: Unser Partner South Pole weist jeder Produktgruppe in unserem Onlineshop einen Intensitätswert zu. In diesen fließen alle Emissionen ein, die von der Gewinnung der Rohstoffe bis zum Transport in unsere Lager anfallen.
Zusätzlich wird berücksichtigt, ob sich die Hersteller der Initiative RE100 verpflichtet haben. Der Emissionswert von RE100-Marken wird in der Berechnung um zehn Prozent gekürzt, wenn ein Unternehmen seine Produkte mit mindestens 75 Prozent erneuerbarer Energie produziert. Außerdem fließen weitere Faktoren in die Berechnung mit ein: Die Liefer-Effizienz, das heißt der Emissionswert eines LKWs, die Entfernung zwischen Lager und Lieferadresse und der Retouren-Faktor.
Hieraus ergibt sich folgende Formel: Fußabdruck des Produkts in Tonnen CO2 = (CO2-Intensität des Produkts x Marken-Korrektur) x Gewicht in Tonnen + (600 km durchschnittliche Entfernung vom Warenlager zum Lieferort x Liefer-Effizienz x Gewicht in Tonnen x Retouren-Faktor).
Basierend auf dieser Berechnungsformel errechnet sich der Betrag, den unsere Kunden im Check-out bezahlen können. Die Daten von South Pole reichern wir mit weiteren internen Daten an, um möglichst exakt die CO2-Emissionen für jedes Produkt errechnen zu können. Dabei wird das Modell laufend verbessert. Nicht berücksichtigt werden die Verwendung sowie die Entsorgung der Produkte, weil wir diese beiden Faktoren nicht zuverlässig berechnen können.
Wie stark werden Sie das neue CO2-Kompensationsmodell in Ihrem Onlineshop bewerben. Auf den ersten Blick ist davon nichts zu sehen. Warum nicht?
Frank Hasselmann: Uns geht es nicht um die Bewerbung des Modells, sondern um die Aufklärung unserer Kunden. Wir wollen ihnen die Möglichkeit für einen nachhaltigen Konsum geben und sie selbst entscheiden lassen, ob sie ihren Einkauf kompensieren oder nicht. Übrigens sind wir nicht nur ein reiner Onlineshop, sondern wir bieten auch ein Online-Fachmagazin, das von einer unabhängigen Redaktion betreut wird. Darin finden sich fundierte Informationen über Nachhaltigkeit, das neue Feature und die geförderten Projekte. Darüber hinaus bekommen unsere Kunden bei jedem Check-out-Prozess den freiwilligen Kompensations-Betrag angezeigt.
Wir sind überzeugt, dass diese Implementierung und das Bereitstellen von Informationen unsere Kunden zum Nachdenken anregen. Wir wollen keine Werbung dafür machen, sondern unseren Kunden die Möglichkeit geben so einzukaufen, wie sie es für richtig halten. Wir glauben an mündige Konsumenten, die für sich selbst entscheiden können.
Gehen Sie davon aus, dass Ihre Kunden umweltbewusster agieren und für sie Nachhaltigkeit eine zunehmend größere Rolle beim Online-Einkaufen spielt?
Frank Hasselmann: Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit sind kein Nischenthema mehr, sondern sind in der breiten Gesellschaft angekommen. Dass das Thema zunehmend an Relevanz gewinnt, sieht man am Druck, den „Fridays for Future“ auf die Politik ausübt. Konsumenten werden allein dadurch auch angeregt, sich mehr Gedanken über ihr Konsumverhalten zu machen. Das sehen wir auch anhand von Diskussionen in unserer Community und an Fragen, die an unseren Kundendienst gerichtet werden.
Übrigens, die aktuelle Utopia-Studie hat ergeben, dass die Menschen seit 2017 immer größeren Wert auf Nachhaltigkeit beim Einkaufen legen. Der Handel muss darauf mit dem passenden Angebot reagieren. Wir sehen darin einen allgemeinen Trend zu einem Umweltbewusstsein beim Konsum – online und offline. Und wir als Unternehmen möchten einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die CO2-Kompensation ist ein erster Schritt.
Was kann ein Webshop-Betreiber wie Sie unternehmen, um für ein stärkeres Umweltbewusstsein unter Kunden zu werben?
Frank Hasselmann: Wir sehen unsere Stärke darin, zu informieren, zu inspirieren und für Transparenz zu sorgen. Wir wollen unsere Kunden dazu anregen, ihr Konsumverhalten zu überdenken, ohne zu belehren. Die CO2-Kompensation ist in jedem Einkaufsprozess verfügbar und die Kunden können selbst entscheiden, ob sie kompensieren wollen oder nicht. Gleichzeitig stellen wir Informationen zur Verfügung, um sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen.
Wir bieten umweltbewussten Konsumenten in unserem Shop auch Alternativen an – so arbeiten wir etwa mit Marken zusammen, die sich selbst der Nachhaltigkeit verpflichtet haben. Den betriebseigenen CO2-Fußabdruck zu senken, haben wir in unserer eigenen Nachhaltigkeits-Strategie verankert. Das größte interne Potenzial liegt beim Transport zum Kunden, bei Energie, Wärme und Verpackung. Berechnungen unseres Partners South Pole zeigen jedoch ziemlich klar, dass der betriebseigene CO2-Ausstoß von Galaxus über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg maximal zwei Prozent beträgt – je nach Betrachtungsweise sogar weniger. 98 Prozent fallen im Rest der Wertschöpfungskette an, also bei der Rohstoffgewinnung, in der Produktion und beim Transport in unsere Lager. Effektiv können wir nur alle gemeinsam etwas für das Klima tun, zusammen mit den Konsumenten.
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