08.05.2020 – Kategorie: eCommerce
Corona-Krise: Warum sich der Onlinehandel stark verändern wird
Der Onlinehandel in Deutschland befindet sich durch die Folgen der Corona-Krise im Wandel. Eine neue Analyse von Arvato Supply Chain Solutions hat die wichtigsten Potenziale und Trends im E-Commerce untersucht.
- Die Corona-Krise hat vielfältige Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland.
- Auch der Onlinehandel ist davon betroffen und wird sich dauerhaft verändern.
- Eine neue Analyse von Arvato Supply Chain Solutions liefert neun Thesen zur Zukunft des Onlinehandels in Deutschland.
Die Auswirkungen der Corona-Krise treffen nicht nur den stationären Handel, sondern wirken sich auch auf den deutschen Onlinehandel aus. Um herauszufinden, welche Veränderungen sich langfristig durch die Pandemie ergeben, hat das eCommerce Competence Center von Arvato Supply Chain Solutions in einer aktuellen Analyse Potenziale und Markttrends des E-Commerce untersucht und neun Thesen zur Zukunft des Onlinehandels in Deutschland aufgestellt.
Die Corona-Krise hat den Onlinehandel fest im Griff
Nicht nur, dass ein Großteil der Ladengeschäfte wochenlang geschlossen war. Auch der Versandhandel leidet unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie, die sich massiv auf die Konsumstimmung in Deutschland auswirkt. Insgesamt lagen die Umsätze laut aktuellen Zahlen des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel im März fast 20 Prozent unter dem Vorjahresniveau – ein massiver Umsatzrückgang, der vor allem die Sortimente Fashion, Accessoires und Unterhaltungselektronik betrifft. Lediglich Warengruppen wie Lebensmittel, Drogeriewaren oder Medikamente, die auch im Einzelhandel stark nachgefragt wurden, konnten im Onlinehandel starke Zuwächse erzielen und werden sich auch künftig auf höherem Online-Niveau einpendeln.
Doch den Prognosen zufolge werden sich auch die angeschlagenen Branchen mittelfristig leicht über ihrem Ursprungsniveau stabilisieren und ähnliche Wachstumsraten wie vor der Pandemie verzeichnen. So ist beispielsweise bei den meisten Fashion-Kunden von Arvato Supply Chain Solutions seit Anfang April wieder ein signifikantes Wachstum festzustellen. Sie haben ihre Konsequenzen aus den wegfallenden Retail-Verkaufserlösen gezogen und ihr Onlinegeschäft mit Marketingkampagnen und Rabattaktionen angekurbelt. Allerdings werden sich nicht alle Branchen so schnell erholen wie der Fashion-Bereich. Denn die Dauer der Stabilisierung hängt von zwei wichtigen Faktoren ab: von der Höhe des Warenwerts im Verhältnis zum Haushaltsnettoeinkommen und dem akuten Bedarf.
Onlinehandel: Marktplatz-Landschaft ordnet sich neu
Während die meisten Onlineshops von Umsatzeinbrüchen betroffen sind, profitieren reichweitenstarke Marktplatzgeneralisten wie ebay, Amazon und Co. von der aktuellen Situation und bauen ihre Marktmacht weiter aus. Dazu tragen auch viele stationäre Einzelhändler bei, die versuchen, über das Marktplatzgeschäft ihre Umsatzeinbußen in Grenzen zu halten. Zudem werden sie aktuell mit attraktiven Sonderkonditionen gelockt.
Da die europäische Marktplatz-Landschaft jedoch riesig und fragmentiert ist, sollten vor allem kleinere Unternehmen ganz genau prüfen, auf welcher Plattform sie ihre Waren anbieten und welche Services sie dabei in Anspruch nehmen wollen – schließlich ist es bei der Vielzahl der Anbieter wenig erfolgversprechend, austauschbare Produkte wie weiße T-Shirts ohne ein entsprechendes Marketingbudget anzubieten.
Hier können neue Kooperationsmodelle zwischen Marktplätzen und stationären Händlern eine zukunftsfähige Alternative sein. Zalando bietet beispielsweise vor allem kleineren Händlern mit limitierter technologischer Infrastruktur die Möglichkeit, Schuhe und Textilien aus ihrem stationären Geschäft an Zalando-Kunden zu verschicken und erleichtern ihnen so den Einstieg ins Online-Geschäft.
Gleiches gilt für neue Marktplatzmodelle, die im Zuge der Corona-Krise entstanden sind und sich langfristig etablieren könnten. Ein Beispiel dafür ist die Online-Plattform Einzelheld, die regionalen Händlern und Gastronomen eine einfache und schnelle Möglichkeit bietet, ihre Waren ohne eigenen Shop online anzubieten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in den kommenden Monaten neue Marktplatzbetreiber und Onlinehändler aus dem Ausland in den deutschen Markt eintreten werden. So könnten Anbieter wie der französische Marktplatz ManoMano von der aktuellen Situation profitieren, da sie auf Heimwerker- und Gartenprodukte spezialisiert sind, die momentan stark nachgefragt werden.
Neuorientierung des internationalen Warenverkehrs
Die Corona-Krise verdeutlicht aber auch die Auswirkungen derartiger Krisen auf die
Internationalisierungsmuster und den globalen Warenverkehr. Da die bisherigen Kernmärkte im deutschen Onlinehandel zum Teil schwer betroffen sind, rücken zur Kompensation des wegfallenden Geschäfts künftig die osteuropäischen Länder verstärkt in den Fokus. Bislang haben viele Onlinehändler den Schritt in ausländische Märkte gescheut, was sich nun ändern könnte.
Denn gerade jetzt kann die Expansion nach Polen, Rumänien, Russland oder auch China interessant sein, da diese Länder mit ihrer riesigen Konsumentenzahl ein enormes Potenzial bieten. Der Onlinehandel erfährt dort gerade enormen Aufwind, besonders über Marktplätze. Für die florierenden Branchen Lebensmittel und Drogeriewaren sind dagegen Italien, Spanien, Frankreich und Portugal als Internationalisierungsziele relevant.
Auch die globalen Lieferketten funktionieren momentan nicht mehr so bruchlos wie vor der Pandemie und drohen zum Teil sogar zusammenzubrechen. Davon ist vor allem die Textilindustrie in Bangladesch, Kambodscha und Myanmar betroffen. Da diese Länder für ihre Textilproduktion auf Rohstoffe aus China angewiesen sind, waren sie besonders vom Lockdown der chinesischen
Wirtschaft betroffen, die maßgeblich an der Produktion textiler Vorerzeugnisse beteiligt sind.
Onlinehandel: Wertschöpfungsketten unterbrochen
Durch den Ausfall dieses wichtigen Glieds der Wertschöpfungskette mussten viele Unternehmen ihre Produktion schon in der ersten Phase der Pandemie trotz hoher Nachfrage aus den westlichen Staaten herunterfahren oder komplett einstellen. Zwar hat sich das Angebot auf Herstellerseite mittlerweile wieder stabilisiert, doch nun haben die Zulieferer in Südostasien mit stornierten Aufträgen zu kämpfen, da die Nachfrage seit Ausbruch des Virus in Europa und den USA komplett eingebrochen ist.
Da viele Unternehmen durch diese Folgen in die Insolvenz gehen könnten, müssen hier langfristig neue Lösungen gefunden werden, die dem hohen Preisdruck in der Modeindustrie gerecht werden. Gleichzeitig gilt es dabei zu bedenken, dass das Thema Nachhaltigkeit einen immer größeren Stellenwert für die Konsumenten hat und durch den Ausbruch der Pandemie zusätzlich an Relevanz gewinnen wird. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass ihre Produktions- und
Lieferketten umso kritischer geprüft werden.
Aufwind für den Omnichannel-Handel
Doch die Krise hat auch positive Aspekte: So sind einige Unternehmer in Anbetracht der schwierigen Lage deutlich kreativer geworden und haben neue Geschäftsmodelle entwickelt, von denen sich einige langfristig bewähren könnten. Dazu zählen beispielsweise regionale Kooperationen mit neuartigen Angeboten, die eine Nachfragelücke schließen. Darüber hinaus hat die Pandemie gezeigt, wie wichtig digitale Prozesse sind. Das könnte die Digitalisierung ähnlich wie bereits im Jahr 2003 massiv vorantreiben. Damals brach in China die SARS-Epidemie aus, was beispielsweise für den Gründer der chinesischen Ladenkette JD Multimedia überhaupt erst der Anlass war, in den Onlinehandel einzusteigen. Mit Erfolg, denn heute ist das Unternehmen der zweitgrößte Internethändler des Landes.
Entsprechend könnte die Pandemie auch die hiesige Handelslandschaft verändern und Prozesse weiter beschleunigen, wodurch auch das Thema Omnichannel neuen Aufwind bekommt. Dabei müssen die Händler sich allerdings fragen, welche Lösungen tatsächlich sinnvoll für sie sind. Einzelne Lösungen wie Click & Collect mit der Kommissionierung aus dem Store-Bestand sind in der Corona-Krise sehr wichtig geworden, um die massiv gestiegene Online-Nachfrage bewältigen zu
können. Gleiches gilt für Ship from Store zur Unterstützung des stationären Geschäfts und der Sicherung einer schnellen Warenverfügbarkeit. Grundvoraussetzung bei beiden Lösungen ist allerdings ein zentraler Datenbestand, mit dem sich die Unternehmen spätestens jetzt aktiv
auseinandersetzen sollten.
Corona-Krise als Chance für die Wirtschaft
Die Corona-Krise die den Unternehmen Schwachstellen meist schmerzlich aufgezeigt hat, bietet aber auch Chancen. Speziell in punkto Digitalisierung wirkt sie wie ein Weckruf und wird die digitale Transformation der Prozesse weiter beschleunigen. Nicht nur, dass lokale Player online gehen und neue Auslieferungskonzepte entstehen. Darüber hinaus werden Messekonzepte in die digitale Welt übertragen und kulturelle Events online abgehalten.
Dies zwingt deutsche Unternehmen zu einer grundsätzlichen Mentalitätsveränderung mit mehr Geschwindigkeit, Wandlungswillen und Kreativität. Selbst Entscheider, die sich in den zurückliegenden Jahren vor den aktuellen Entwicklungen des Marktes verschlossen haben, müssen jetzt handeln und neue Geschäftsmodelle entwickeln, um in einigen Jahren noch wettbewerbsfähig zu sein.
Arvato E-Talk: In einem Live-Webinar am 13. Mai, um 12 Uhr stellt das eCommerce Competence Center die Analyse „Die neue Realität des Onlinehandels. 9 Thesen – Wie Unternehmen, Lieferketten, Internationalisierung und ihr Marktplatzgeschäft jetzt aufstellen sollten“ vor.
Hier sichern Sie sich einen Platz zur Teilnahme: https://arva.to/webinar-neue-realitaet
Über die Autorin: Franziska Kier ist Senior Consultant beim eCommerce Competence Center von Arvato Supply Chain Solutions und analysiert in regelmäßigen Abständen den deutschen E-Commerce-Markt.
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