04.08.2020 – Kategorie: Marketing
Data-Driven-Marketing vor dem Aus – jetzt steht der Kunde im Mittelpunkt
Data-Driven-Marketing kann aufgrund gesetzlicher Änderungen nicht mehr in der bisherigen Form genutzt werden. Daher sollten Marketer jetzt vor allem auf kundengetriebenes Marketing setzen.
Bei den Paragraphen zur Nutzung von Cookies hat sich in letzter Zeit einiges getan. Die gesetzlichen Änderungen gehen nicht spurlos an Werbetreibenden vorbei. Kleine Anpassungen altbewährter Marketingstrategien wie Data-Driven-Marketing reichen nicht mehr aus, um weiterhin gesetzeskonformes und erfolgreiches Marketing betreiben zu können.
Data-Driven-Marketing war gestern
„Datengetriebenes Marketing in seiner bisherigen Form wird es in Zukunft nicht mehr geben“, sagt Dimitrios Haratsis, Experte auf dem Gebiet des datengetriebenen Marketings und strategischer Partner von elaboratum. „Für Werbetreibende öffnen sich damit neue Chancen.“ Während Marketer sich bislang auf die Macht der Daten verlassen haben, ließen sie Potenzial beim Kunden ungenutzt.
Zunächst geht es für sie darum, die Datenhoheit zurückzugewinnen und diese in Einklang mit der Nutzung und Analyse der eigenen erhobenen Daten (über 1st Party) zu bringen. Außerdem müssen noch immer existente Silos in der User-Ansprache abgebaut werden. Kurz gesagt: Wer in Zukunft erfolgreich vermarkten will, sollte sich vom datengetriebenen Marketing verabschieden und auf kundengetriebenes Marketing setzen.
Wie treibt der Kunde das Marketing?
So viel vorweg: Data-Driven-Marketing hatte seine Berechtigung und war erfolgreich. Doch die Kampagnen-zentrierte Kundenansprache führte dazu, dass Potenzial ungenutzt blieb. Ausschlaggebend für konkrete Maßnahmen in der Kundenansprache war das jeweils aktuelle (Website-)Verhalten des Users, losgelöst von der Phase der Customer Journey. Die Fokussierung auf 1st Part Data provoziert nun einen Paradigmenwechsel – und das ist gut so.
Der Kunde und seine Customer Journey werden zur neuen Maxime. Unter Berücksichtigung vieler individueller Faktoren wird eine holistische Kundenerfahrung (Customer Experience) kreiert. Alle Kanäle in der Kundenansprache werden maßgeschneidert koordiniert, der Kunde wird nach der Dramaturgie des Storytellings angesprochen. Damit führt der Weg in Zukunft weg von einer Marketing-Automation hin zu einer Marketing-Ko-Orchestrierung.
Data-Driven-Marketing: Auch ohne Cookies Kundenidentitäten erstellen
War es lange Zeit üblich, Kundenidentitäten mit Hilfe von Cookies zu kreieren, stellt sich für viele nun die Frage, wie das ohne die Nutzung von Cookies überhaupt möglich sein soll. Droht nun der Rückfall in das Gießkannen-Prinzip? Keineswegs! Auch ohne Cookies lassen sich Identitäten für eine effektive Kundenansprache erstellen. Dazu müssen werbetreibende Unternehmen, Advertiser oder Publisher versuchen, User an sich zu binden und ihre Bereitschaft für die Datennutzung wecken. Die Schaffung von allumfassenden Kundenprofilen wird zum Schlüssel für den Erfolg. Dazu müssen Informationen aus unterschiedlichen Kanälen und Datenquellen datenschutzkonform aggregiert, normalisiert und unifiziert werden. Die gesammelten Daten können dabei unterschieden werden in:
- personalisierte Daten (Personal Identifiable Informations (PIIs)): Daten, die der User hinterlässt (LogIn, Registrierung, Kaufvorgang)
- anonymisierte Daten: Cookie-basierte Information ohne Personenbezug
Der Prozess der Entstehung von Kundenprofilen unter Berücksichtigung aller Datenbestände nennt sich „Identity Resolution Management“. Dafür ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit bei den werbetreibenden Unternehmen erforderlich. Denn die Kontaktpunkte eines Kunden mit einem Unternehmen erfolgen über mehrere Wege und Abteilungen. Zu einem singulären Profil zusammengefügt entstehen viele Vorteile:
- Sie bilden die Grundlage für die Kreation einer Multistep- und Multichannel-Ansprache.
- Der ROI wird durch den effizienten Kanal-Einsatz verbessert.
- Die Brand Reputation steigt sich durch Vermeidung unnötiger Kommunikation.
- Mit der Kreation von Storytelling wird die Conversion Rate optimiert.
Nach der Schaffung neuer Kundenprofile folgt der Aufbau eines ganzheitlichen Verständnisses über den Kunden, die Customer Intelligence. Dieses konsolidierte Wissen über die Nutzer und die daraus resultierenden Möglichkeiten der granularen Segmentierung sind die Kernpfeiler zu einer holistischen und abgestimmten Customer Experience.
Segmentierung im kundengetriebenen Marketing
Segmentierung im Marketing ist kein neuer Trend, auch im Data-Driven-Marketing wird segmentiert. Allerdings basiert bisherige Segmentierung meist lediglich auf soziodemographischen Daten, Website-Daten (Interaktion und Transaktionsdaten) und ggf. ersten generischen Affinitäten. Dies weist jedoch Schwächen auf. Zum einen berücksichtigt diese Art der Segmentierung nur rudimentär (meist: gar nicht) die psychographische Dimension.
Zum anderen werden bis dato Prognosen (Propensitätsmodelle) über das künftige Nutzer-Verhalten nur spärlich modelliert und noch weniger genutzt. Insofern muss ein Paradigmenwechsel erfolgen, weg von einer breiten Segmentierung hin zu einer dynamischen und spitzen Segmentierung. Der Dreiklang des Erfolges ist dabei das Verschmelzen von drei Analysedisziplinen:
- Identity Resolution: Die Generierung von datenschutzkonformen, konsolidierter User-Identitäten
- Data Science: Die statistische Analyse und Interpretation von vorhandenen Daten, sowie die Ableitung von Mustern und Trends zur Entwicklung von Propensitätsmodellen (Predictive Analytics)
- Behavioral Science: Die qualitative Anreicherung der gesammelten Daten um psychographische Merkmale (v.a. grundlegende Bedürfnisse und relevante Entscheidungsmuster)
Als Grundvoraussetzung für eine intelligente Segmentierung werden zwei Datenbeständegekoppelt: Die Website-Daten, die Informationen über das User-Verhalten auf der Webseite geben, sowie die Datenbank-Daten aus den Systemen des werbetreibenden Kunden über die Kundenhistorie (Transaktionen, CLV, Retouren, Kundenqualität). Werden diese Datenbestände durch einen Identifier (üblicherweise die E-Mail-Adresse) verknüpft, können intelligente Segmente entwickelt werden.
Segmentierung nach Bauchgefühl
Die Verknüpfung der beiden Datenbestände erlaubt nicht nur (anders als beim Data-Driven-Marketing) weiterführende Segmentierungs-Möglichkeiten, sondern auch die Anreicherung der Profile oder Segmente um die Merkmale, die nach aktuellen Erkenntnissen der Behavioral Economics und Verhaltenspsychologie für mehr als 95 Prozent aller Entscheidungen zuständig sind: Die Bedürfnisebene.
Die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Psychologie und Marketing-Technology ist bizarrerweise so eindeutig wie unbekannt. Doch die psychologische Forschung kann ohne Datenprofile und technische Ansprachemöglichkeit kaum verhaltenswirksam werden. Und Tools, die über keine psychographischen Merkmale der Segmente und Audiences verfügen, werden keine maximal wirksamen Werbemittel und Anspracherouten finden.
Die Bedürfnisdimension ist daher das entscheidende und vor allem bislang kaum berücksichtigte neue Kriterium für die erfolgreiche Gestaltung von Customer Journeys. Dass sie noch nicht in aller Munde ist, lässt sich einerseits damit erklären, dass die Forschungserkenntnisse (z.B. über Grundlagen-Bücher wie „PsyConversion“, SpringerGabler 2018) erst nach und nach in die Praxis überführt werden. Andererseits liegt es sich an der nicht zu unterschätzenden Komplexität, diese Ebene zu erschließen.
Customer Intelligence entscheidet über den Erfolg
Nach der Cookie-Apokalypse geht es nun vor allem darum, datengetriebenes Marketing in
kundengetriebenes Marketing umzuwandeln. Der Kunde selbst, nicht die bloßen Daten
bilden den neuen Fokus. Gutes Identity-Resolution-Management und eine ausgefeilte
Customer Intelligence sind dabei entscheidend für den Erfolg. Werden diese ergänzt durch
Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie, sind maßgeschneiderte Kundenerlebnisse die
logische Konsequenz und Erfolgsgarantie der neuen Daten-Normalität.
Über den Autor: Joachim Stalph ist Principal Consultant bei elaboratum und seit über zehn Jahren im Online-Business tätig. Seine Beratungsschwerpunkte liegen auf E-Commerce-Konzeption, UX, Conversion-Optimierung und Cross-Channel-Verknüpfung. Im Bereich kundengetriebenes Marketing beschäftigt ihn die Fragestellung, wie aus rohen Daten intelligente Erkenntnisse gewonnen werden können. (sg)
Lesen Sie auch: Über ein Jahr DSGVO: Tracken alle jetzt konform?
Teilen Sie die Meldung „Data-Driven-Marketing vor dem Aus – jetzt steht der Kunde im Mittelpunkt“ mit Ihren Kontakten:
Zugehörige Themen:
Affiliate Marketing, Customer Relationship Management (CRM), Marketing & Vertrieb