23.08.2023 – Kategorie: Logistik

Decision Intelligence: Wie dieser Ansatz die Logistik verändern wird

Decision IntelligenceQuelle: Malika - Adobe Stock

Unübersichtliche Lieferketten, strenge Regulierung, Nachhaltigkeitsziele und volatile Märkte: Um in der Logistik wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen E-Commerce-Unternehmen zahlreiche Hürden meistern. Decision Intelligence mithilfe künstlicher Intelligenz kann helfen, durch automatisierte Prognosen bessere Entscheidungen zu treffen.

Nie waren Logistikprozesse für Handelsunternehmen so komplex wie heute. Und je fragmentierter die Lieferketten, je höher die Kundenanforderungen, je schneller der Durchsatz an Bestellungen und Retouren, desto teurer werden die Folgen suboptimaler Entscheidungen – in Form von steigenden Versandkosten und Lieferverzögerungen, unzufriedenen Kunden und schlechten Bewertungen, Lieferengpässen und Überbeständen. Darüber hinaus riskieren E-Commerce-Unternehmen langfristig die Skalierbarkeit ihres Geschäfts. Mithilfe von Decision Intelligence lassen sich Entscheidungen auf auf Basis von künstlicher Intelligenz automatisieren.

Manuelle und lineare Entscheidungsprozesse in der Logistik

Häufig treffen Entscheider vor allem deshalb suboptimale Entscheidungen, weil die dafür eingesetzten Prozesse und Systeme einfach nicht mehr zeitgemäß sind. In der Praxis beobachten wir hier aktuell vor allem zwei Defizite. Erstens: Die eingesetzten Werkzeuge sind der zunehmenden Komplexität nicht mehr gewachsen. Excel mag für die Lösung überschaubarer Probleme ein nützliches Werkzeug sein, für komplexe Zusammenhänge ist das Programm einfach nicht leistungsfähig genug.

Auch viele ERP- oder Business-Intelligence-Systeme sind in die Jahre gekommen. Sie lassen sich nicht intuitiv bedienen und stoßen bei hoher Volatilität schnell an ihre Grenzen. Zweitens: Die eingesetzten Tools sind nicht ausreichend miteinander vernetzt, sie „kommunizieren“ nicht miteinander, was suboptimale Entscheidungen zusätzlich begünstigt. Könnte künstliche Intelligenz hier Abhilfe schaffen?

Decision Intelligence: Nicht jede KI ist geeignet

Die einfache Antwort lautet: Ja. Die kompliziertere: Es lohnt sich, genauer hinzuschauen. Denn bei allem Hype um künstliche Intelligenz: KI ist nicht gleich KI. Mindestens drei Ebenen von KI lassen sich derzeit unterscheiden:

  • Generative KI: Inhalte in Text, Bild und Video werden mit Hilfe trainierter allgemeiner Modelle und natürlicher Sprache generiert. Diese Aufgabe kann mit der Power KI-basierter Chatbots inzwischen sehr nutzerfreundlich gelöst werden, beispielsweise für die Content Creation, die Auftragsabwicklung oder den Customer Support.
  • Forecast KI: Modelle, die auf historischen Unternehmensdaten (plus externen Daten wie Wetter oder Feiertagen) trainiert werden, liefern dynamische und tagesaktuelle Prognosen für relevante Business-KPIs, zum Bespiel für Sales- oder Supply-Prognosen oder Demand Planning.
  • Recommendation KI: Als Basis für Optimierungsalgorithmen werden die Prognosemodelle mit weiteren Parametern angereichert (z. B. Lieferzeiten, Rabattaktionen, Stückzahlen oder Transportkosten). So können optimierte Entscheidungsvorlagen generiert (und auf Wunsch auch automatisiert) werden, wie für Warehouse Planning, Replenishment oder Routing.

Die beiden letztgenannten Ebenen (Forecast und Recommendation AI) sind für die Bereiche Supply Chain und Logistik in E-Commerce-Unternehmen besonders relevant. Sie lassen sich unter dem Schlagwort Decision Intelligence zusammenfassen. Nämlich die zunehmende Automatisierung wiederkehrender unternehmerischer Entscheidungen auf Basis von künstlicher Intelligenz, Machine Learning und mathematischer Optimierung. Das Marktforschungsunternehmen Gartner schätzt, dass bis Ende 2023 rund ein Drittel aller großen Unternehmen Decision Intelligence einsetzen werden, und Markets and Markets prognostiziert bis 2027 ein Marktvolumen von rund 23 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Rollierende Prognosen statt verschachtelter Excel-Listen

Das Team für Supply Chain & Logistics Management in einem großen Einzelhandelsunternehmens erhält wöchentlich Voranmeldungen von über 50 Abteilungen und Partnerfirmen, für die es den Versand und die Verpackung von Waren übernimmt. Die Herausforderung liegt darin, dass die Voranmeldungen nicht sehr zuverlässig sind. Außerdem werden sie eigentlich täglich benötigt, da der Schichtplan und die weiteren Schritte entsprechend angepasst werden müssen.

Die Lösung war bisher das Expertenwissen der Planer und eine große, verschachtelte Excel-Liste. Dies gestaltet sich immer schwieriger, da die Nachfrage immer stärker schwankt. Die Lösung bestand in diesem Fall darin, auf Basis historischer Daten und bestimmter anderer Einflüsse (Aktionstage, Wetter, Ferienzeiten) eigene, durch maschinelles Lernen unterstützte tägliche (rollierende) Prognosen zu erstellen, die die Planung unterstützen (Forecast AI). In einem zweiten Schritt lässt sich auch die weitere Planung wie ein Schichtplan mit Hilfe von Algorithmen optimieren, zudem lassen sich entsprechende Vorschläge generieren (Recommendation AI).

Bei der Implementierung von Decision Intelligence iterativ vorgehen

Das Beispiel zeigt, dass Logistikentscheider sehr genau hinschauen müssen: Um echten Mehrwert im Tagesgeschäft zu schaffen, braucht es die passende KI für die jeweilige Herausforderung. Das ist alles andere als trivial, und die Auswahl der falschen KI kann zu unerwünschten Lock-in-Effekten führen. Um die passende Lösung zu finden, empfiehlt sich daher ein Vorgehen in fünf Schritten:

  1. Definition der strategisch relevanten Fragestellung: Welches Problem will ich lösen? Idealerweise beginnt man hier mit einem klar abgegrenzten Pilotprojekt mit geeigneten Experten oder Dienstleistern.
  2. Identifikation der geeigneten Technologie und messbarer Erfolgskriterien: Welche Technologie setze ich ein und woran messe ich den Erfolg?
  3. Iterative Aufbereitung der Ergebnisse: Wie kommuniziere ich die Ergebnisse aus der Pilotierung zurück ins Business, damit der Prozess kontinuierlich weiterentwickelt werden kann?
  4. Nutzung der Ergebnisse im operativen Geschäft: Wie integriere ich die Ergebnisse schnell, transparent und am besten vollautomatisiert in das Tagesgeschäft?
  5. Kontinuierliches Monitoring: Wie kann ich die Ergebnisse fortlaufend messen, um das System weiter zu verbessern?

Für Entscheider in E-Commerce-Unternehmen gilt es jetzt, Tempo zu machen und gleichzeitig einen kühlen Kopf zu bewahren. Während neue Anwendungen von Generative AI auf der Umsatzseite sowohl Marketing als auch Vertrieb revolutionieren, liegen die Chancen von Forecast AI und Recommendation AI vor allem auf der Kostenseite. Wer jetzt erste Piloten für den Einsatz von KI in wichtigen Hintergrundprozessen startet, verschafft sich auch im „Maschinenraum” Wettbewerbsvorteile, um in den kommenden Jahren die schönen neuen Möglichkeiten von ChatGPT & Co. zu nutzen und gleichzeitig das Working Capital zu schonen.

Thorsten Heilig ist Co-Founder und CEO der paretos GmbH. (Bild: paretos)

Über den Autor: Thorsten Heilig ist Co-Founder und CEO der paretos GmbH, einer KI-basierten Decision-Intelligence-Plattform für datengetriebene Entscheidungsprozesse. Im Oktober 2023 wird sein Buch „Decision Intelligence – Transform Your Team and Organization with AI-Driven Decision-Making” erscheinen.

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