04.04.2012 – Kategorie: IT, Marketing, Technik

Der Angriff der Produktpiraten

Interview mit  Prof. Michael Stephan und  Martin J. Schneider zum Thema Marken- und Produktpiraterie.

ECM: „Wie gefährlich ist Marken- und Produktpiraterie für deutsche Unternehmen?“
Michael Stephan: „Vorsichtige Schätzungen gehen von einem direkten  jährlichen Schaden von etwa 400 Milliarden Euro pro Jahr aus. Allein die  deutsche Wirtschaft ist in einem Umfang von ca. 50 bis 80 Milliarden Euro  betroffen. In diesen direkten Schadenssummen sind die langfristig negativen Wirkungen, bspw. infolge von Markenverwässerung oder Reputationsverluste der Unternehmen, noch nicht eingerechnet. Auch dem Staat entgehen Einnahmen durch den Verlust an Steuergeldern und Arbeitsplätzen.“

ECM : „Wer ist von Produktpiraterie betroffen?“
Martin J. Schneider: „Betroffen waren traditionell Hersteller von Konsumgütern und Markenartikeln. Das Spektrum gefälschter Waren reicht hier von Bekleidung, Konsumelektronik bis hin zu Spielwaren und Luxusgütern. Nicht  zu vergessen sind natürlich illegale Kopien von Software, Filmen und Musik. An Bedeutung zugenommen hat in den letzten Jahren aber vor allem die Piraterie bei Investitionsgütern. Betroffen sind in Deutschland vor allem der Maschinen- und Anlagenbau sowie Unternehmen aus der Elektrotechnik.“

ECM:  „Warum werden Marken gefälscht und Produkte abgekupfert?“
Michael Stephan: „Die Zielsetzungen von Produkt- und Markenpiraten lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: Einerseits gibt es Fälscher, die mit kriminellem Antrieb gezielt und vorsätzlich Schutzrechte verletzen. Hier geht es um kurzfristige Gewinnmaximierung zulasten Dritter – zulasten der Originalhersteller und der Konsumenten. Andererseits gibt es Fälscher, die weniger aus kriminellem Antrieb heraus, als eher mit dem Willen zu Lernen durch ihre Imitationen Schutzrechte verletzen. Diese Akteure wollen sich langfristig als legale Wettbewerber etablieren und stellen insofern eine besonders ernste Bedrohung dar.“

ECM: „Wer ist denn der Feind – wer sind die Fälscher?“
Martin J. Schneider: „Fälscher agieren nicht autonom, sie sind zusammen  mit anderen legal und illegal agierenden Unternehmen eingebunden in komplexe Wertschöpfungssysteme. Produkt- und Markenpiraterie hat sich zu einem globalen Wirtschaftszweig entwickelt, der arbeitsteilig organisiert ist. Es haben sich international vernetzte Produktions- und Vertriebsketten herausgebildet,  die weit über den einfachen Straßenverkauf hinausgehen und durch ein professionelles Management koordiniert und gesteuert werden. Der wichtigste Produktionsstandort ist China. Fast 60 Prozent der gefälschten Waren stammen von dort.“

ECM:  „Was können Verantwortliche im Unternehmen gegen Marken- und Produktpiraterie unternehmen?“
Michael Stephan: „In unseren Studien haben wir festgestellt, dass viele Unternehmen die Bekämpfung aufgrund mangelnder Information erst gar nicht in Angriff nehmen oder für nicht erforderlich halten. In einem ersten Schritt musses deshalb darum gehen, ein Bewusstsein für die Fälschungsproblematik zu entwickeln – Fälschungen betreffen alle Mitarbeiter des Unternehmens. Neben der Sensibilisierung sind auch Kooperationen mit anderen betroffenen Unternehmen, mit Branchenverbänden und spezialisierten Initiativen anzuraten, z. B. mit dem Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie e.V.“

ECM: „Was zeichnet eine erfolgreiche Pirateriebekämpfung aus?“
Martin J. Schneider: „Fälschungsfälle sind in der Praxis äußert vielfältig und unterscheiden sich stark zwischen verschiedenen Branchen. Es gibt deshalb keine Standardempfehlung für die Einleitung von Bekämpfungsmaßnahmen.  Grundsätzlich gilt aber, dass das Piraterie-Problem bereits in der Produktentwicklung adressiert werden sollte. Unabhängig von den jeweils gewählten Strategien und Instrumenten sollten die Bekämpfungsaktivitäten regelmäßig  überprüft, verbessert und weiterentwickelt werden. Auch sollten Fälscher in Form eines Monitoring-Systems überwacht werden. Grundlegend hierfür ist die Verankerung entsprechender organisatorischer Strukturen im Unternehmen.“

ECM: „Was müssen Unternehmen beim Einsatz von Schutzinstrumenten beachten?“
Michael Stephan: „Die meisten Unternehmen setzen parallel mehrere Maßnahmen ein. Besonders populär sind neben dem gewerblichen Rechtsschutz  vor allem die Geheimhaltung sowie der technische Kopierschutz. Aufklärungsarbeit sowie betriebswirtschaftliche Schutzinstrumente sind eher selten. Grundsätzlich sollten Unternehmen darauf achten, dass die einzelnen Schutzinstrumente nicht isoliert, sondern in einem Maßnahmenbündel konzertiert eingesetzt werden. Unsere Studie zeigt, dass die höchste Effektivität in der Pirateriebekämpfung durch einen Maßnahmenmix erzielt wird.

ECM: „Vielen Dank für das Gespräch.“

Details zum Buch:

Marken- und Produktpiraterie
Michael Stephan, Martin J. SchneiderHardcover

560 Seiten
ISBN 978-3-939707-69-1

1. Auflage 2011

EUR 89,00 (inkl. MwSt. und Versandkosten)


Teilen Sie die Meldung „Der Angriff der Produktpiraten“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top