Wer Internetangebote amerikanischer Anbieter nutzt, ist dumm. Denn die bringen Thilo Weichert, den Datenschutz-Staatsaufseher von Schleswig-Holstein, in schöner Regelmäßigkeit aus der Fassung: Die Deutschen hätten es nicht besser verdient, dass ihre Daten ungeschützt seien – sie benutzten ja Google, so das Credo des Datenschutz-Deichgrafen.
Die privaten Anwender von Diensten aus der Computerwolke seien einfach zu inkompetent, um zu erkennen, was mit den eigenen Daten in Übersee so alles veranstaltet werde. Und wenn Weichert schon nicht ganz Deutschland mit seinen ideologisch angehauchten Erkenntnissen beglücken kann, so versucht er wenigstens im Norden einen Schutzwall gegen die imperialistischen Machtgelüste der Internet-Giganten aus den USA zu errichten.
Seehunde, Schafe und dumme Internet-Lemminge sollen vom Joch des Likens befreit werden. Da nun der liebwerteste Gichtling Weichert seine Volkserziehungsphilosophie nur schwerlich gegen den Konzern Facebook durchsetzen kann, schlägt er den Sack, um den Esel zu treffen. Seine Behörde erwartet von allen Webseitenbetreibern (ein kleiner Einschub sei mir an dieser Stelle erlaubt, Herr Weichert: Die Eindeutschung „Webseite“ für website ist falsch. Hinter einer Site stehen in der Regel nicht nur viele Seiten. Site bedeutet Ort und nicht Seiten – im Lateinischen situs) in Schleswig-Holstein, dass sie umgehend die Datenweitergaben über ihre Nutzenden an Facebook in den USA einstellen, indem sie die Social-Plugins wie den Gefällt mir-Button deaktivieren. Erfolgt dies nicht bis Ende September 2011, werden weitergehende Maßnahmen ergriffen.
Nordfriesisches Zufallsmethode für den Facebook-Pranger
Im Gespräch mit heise online unterstrich Weichert, dass Facebook die Maßnahme durchaus als Kampfansage verstehen könne: „Wir werden die Eskalation suchen und dazu das gesamte Instrumentarium nutzen.” Nach Aussage von Weichert müssen Website(!)-Betreiber nun aber nicht befürchten, ab Oktober Post vom angeblich „Unabhängigen“ Landeszentrum für Datenschutz (ULD) zu bekommen: „Wir werden da sehr selektiv vorgehen”, versicherte er.
Was für eine Beruhigung. Das Nord-Irrlicht handelt nach dem Motto: „Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher.“ Man könnte es auch Willkür einer Verwaltungsbehörde nennen. Nach welchen Kriterien werden denn die Delinquenten ausgesucht, um an den Datenschutz-Pranger gestellt zu werden – inklusive Zustellung eines Bußgeldbescheides, der bis zu 50.000 Euro betragen kann? Kommt eine nordfriesische Zufallsmethode zum Einsatz oder werden nur jene Kandidaten herausgesucht, die auf der Freundliste von Mark Zuckerberg auftauchen?
Wenn Facebook gegen deutsches Recht verstößt, sollte Weichert ein Verfahren gegen den Social Network-Anbieter anstrengen und seine Drohgebärden gegen schwächere Gegner in seinem Bundesland unterlassen. Die Replik eines Facebook-Sprechers wird den Weichert wohl nicht mehr aufhalten. So werden die technischen Informationen – also auch die IP-Adressen – innerhalb von 90 Tagen gelöscht. Facebook erfasse keine persönlichen Daten von Nutzern, die eine fremde Website mit eingebundenem Gefällt mir-Button besuchen, den Button aber nicht anklicken. Man wisse nicht, wer der Nutzer ist. Es sei denn, er ist gerade aktiv bei Facebook eingeloggt. Es werden aber keine Nutzerinformationen über Social Plus-ins mit Dritten geteilt. All das wird Weichert nicht überzeugen. Deshalb muss man ihn in der Öffentlichkeit nicht schonen, wie der Netzpolitik-Blogger Markus Beckedahl empfahl. „Die Gesetze werden von anderen gemacht. Die Datenschützer kümmern sich um die Einhaltung“. Das ist natürlich Quatsch.
Weichert interpretiert und antizipiert nach seinem Weltbild die Rechtslage in Deutschland. Das ist allerdings überhaupt nicht seine Aufgabe. „Die Auslegung der Gesetze ist Sache der Gerichte. Es fehlt allerdings eine einheitliche Linie. Wir haben eine unklare Rechtslage und unterschiedliche Entscheidungen von Gerichten“, moniert Dr. Michael Wüllrich, Fachanwalt für gewerblichen Rechtschutz in Bonn. Dann sollten doch die Datenschützer mit ihren Bußgeldandrohungen weitermachen. Eine endgültige Klärung bekomme man nur vom BGH oder Bundesverwaltungsgericht. Für die digitale Wirtschaft wäre es ratsam, es auf Klagen ankommen zu lassen.
(Autor: Medienbüro Sohn, Gunnar Sohn)