Der Facebook-Shop: Fluch oder Segen?
Social Commerce oder F-Commerce ist zwar nichts Neues, doch hat sich das Thema noch nicht so richtig durchgesetzt. Gemäß der Marketingtheorie soll man mit seinen Produkten dort präsent sein, wo sich die Kunden aufhalten (Touch Points). Immer mehr Menschen sind über Facebook erreichbar – ein Facebook-Shop würde also Sinn machen. Global gesehen sind mehr als 800 Millionen aktive Benutzer auf Facebook unterwegs. Gemäß einer Statistik-App, die auf die Facebook-Marketing-API zugreift, befinden sich gegenwärtig (Stand Februar 2012) im deutschsprachigen Raum (Deutschland: 22,12 Millionen, Österreich: 2,68 Millionen und in der Schweiz: 2,72 Millionen) rund 27,52 Millionen aktive User auf Facebook. Diese User bieten ein enormes Potenzial für viele Unternehmen. Der Gedanke, auf Facebook einen Shop einzurichten, ist also verständlich. Doch es gibt große Unterschiede, was die Umsetzung eines solchen Shops angeht.
Facebook-Shop: Social Commerce – worum geht es überhaupt?
Bei der Recherche konnte keine treffende Definition für Social Commerce gefunden werden. Die Definition auf Wikipedia bringt Social Commerce am besten auf den Punkt:
Unter Social Commerce (Empfehlungshandel, auch Social Shopping) wird eine konkrete Ausprägung des elektronischen Handels (beziehungsweise Electronic Commerce) verstanden, bei der die aktive Beteiligung der Kunden und die persönliche Beziehung sowie die Kommunikation der Kunden untereinander im Vordergrund stehen.
Social Commerce ist nichts Neues. Längst haben wir uns alle daran gewöhnt, bei der Recherche neuer Produkte Kundenmeinungen im Social Web oder direkt auf den Webseiten von Anbietern einzuholen. Anbieter wie eBay, Amazon oder Best Buy haben bereits vor Jahren Rating-Systeme und Review-Möglichkeiten auf ihren E-Commerce-Plattformen implementiert. Diese Kunden-Feedbacks genießen eine hohe Glaubwürdigkeit und haben somit einen Empfehlungscharakter für interessierte Käufer. Die Kundenbeteiligung ist für Anbieter doppelt wertvoll: Zum einen wird durch das Anbieten der Feedback-Möglichkeiten demonstriert, dass man transparent ist (Signalwirkung), zum anderen verschaffen die Kundenbeurteilungen eine zusätzliche Glaubwürdigkeit. Selbstverständlich hinterlassen nur wenige Kunden ein Feedback auf den Webseiten der Anbieter, doch in Blogs, Foren (Konsumentenforen, spezialisierten Online-Communities usw.) und besonders auch in sozialen Netzwerken wird gerne und oft über Produkte diskutiert. Dass diese Online-Gespräche ebenfalls für den Verkauf von Produkten sehr förderlich sein können, ist unbestritten.
Für viele Konsumenten, die etwas Neues anschaffen wollen (oft High-Involvement-Produkte, beispielsweise ein Auto), beginnt die Reise mit dem Besuch einer Suchmaschine. Dort werden neben den offiziellen Webseiten der Hersteller/Anbieter auch Foren, Blogs sowie öffentliche Diskussionen aus Social Networks angezeigt. Es handelt sich um eine Art digitale Mundpropaganda (Digital Word of Mouth), also um Empfehlungen Dritter.
F-Commerce: Shopping via Facebook
Unter F-Commerce (Facebook-Commerce) werden Bestrebungen zum Absatz von Produkten und Dienstleistungen in Verbindung mit einem Facebook-Shop bezeichnet. Es handelt sich dabei nicht nur um die reine Integration eines Shops in Facebook, vielmehr können darunter sämtliche Versuche der Kommerzialisierung über Facebook zusammengefasst werden.
Facebook-Shop: Open Graph, Like-Button und Social Plug-ins
Diese digitalen Empfehlungen lassen sich durch gezieltes Implementieren unterschiedlicher Plug-ins innerhalb von Webseiten zusätzlich ankurbeln. Der Like-Button von Facebook hat sich schon auf so mancher Webseite etabliert und wird von vielen Menschen gerne genutzt, um Informationen zu Produkten mit Menschen zu teilen oder damit auszudrücken, dass einem etwas gefällt.
Der Levi’s Friends Store zeigt beispielhaft, wie man durch das Verwenden des Like-Buttons sowie des Facebook Open Graph personalisierte Einkaufserlebnisse anbieten kann. Mit der Open-Graph-Kopplung ist es möglich zu sehen, was meine Freunde „geliked“ haben. Durch den Einsatz der Graph-API können auch weitere Daten von Facebook in einen Facebook-Shop integriert werden.
Personalisierung mit Facebook Connect
Neben dem Einsatz von Open Graph und Social Plug-ins in traditionellen E-Commerce-Lösungen bietet sich auch die Verbindung des Shops mit dem Facebook-Profil des Benutzers an. Durch eine entsprechende Integration von Facebook Connect und der damit verbundenen Autorisierung für den Zugriff auf das jeweilige Profil entstehen für den Shopbetreiber vielseitige Personalisierungsmöglichkeiten. Bietet beispielsweise ein Shop Produkte für Damen und Herren an, kann bereits beim Aufruf des Shops eine entsprechende Vorselektion der Produkte anhand des Geschlechts des jeweiligen Benutzers stattfinden. Angenommen, es handelt sich beim Shop mit Facebook Connect um einen Versandhandel für Sportartikel, ist es grundsätzlich möglich, auf die Interessen des Besuchers zugeschnittene Produkte priorisiert anzuzeigen. Einem Besucher, der beispielsweise Fan der Marke Adidas oder Nike ist und gleichzeitig bei den Interessen „Tennis“ eingegeben hat, könnten so direkt Angebote zu Produkten rund um das Tennisspiel der Anbieter Adidas und Nike präsentiert werden. Neben der eigentlichen Personalisierung der eigenen Daten wäre es zusätzlich möglich, anhand der Daten der Freunde des Benutzers (sofern diese freigegeben sind) passende Vorschläge von Produkten für Freunde anzuzeigen, die in den nächsten Tagen Geburtstag feiern.
Shops und Buchungsplattformen in Facebook
Einige Anbieter nutzen Shops und Buchungsplattformen direkt innerhalb von Facebook. Wahlweise stehen dafür zwei Varianten zur Verfügung, zum einen mit einer Breite von 520 Pixel und zum anderen mit einer Breite von mindestens 760 Pixel. Beide Varianten werden über Facebook-Applikationen als iFrame eingebunden. Die Funktionalitäten unterscheiden sich, je nach Lösung, kaum von den Shops außerhalb von Facebook. Als Handicap können aber in diesem Zusammenhang die reduzierten Dimensionen (520 Pixel Breite, 760 Pixel Breite) und das bei vielen Benutzern fehlende Vertrauen in die Sicherheit bei Facebook im Zusammenhang mit dem Check-Out- und Zahlungsprozess genannt werden.
Beispiele für Shops mit direkter Integration in Facebook sind mittlerweile viele vorhanden, eine der ersten Einbindungen in der Schweiz war beispielsweise der Shop von Linsenmax.
Wie ein Besuch des Shops von Linsenmax zeigt, wurde der bestehende Shop außerhalb von Facebook mit einem anderen Template in Facebook via iFrame integriert. Vorteile von Facebook nach dem Motto „Social by Design“ wurden allerdings nicht berücksichtigt, der Facebook-Shop bietet somit keinen Mehrwert gegenüber dem Shop außerhalb von Facebook.
Ähnlich „asozial“ funktioniert auch die vom Kreuzfahrtspezialisten e-hoi.ch eingebundene Buchungsmaske für Kreuzfahrt-Preisknüller, immerhin erhalten hier Facebook-Fans noch einen zusätzlichen Rabatt von fünf Prozent auf das ohnehin bereits günstige Angebot.
Shop-Teaser-Apps in Facebook
Viele Unternehmen setzen auf statische Shop-Teaser-Apps innerhalb von Facebook. Produkte werden in Facebook angezeigt, sobald aber ein entsprechendes Produkt oder Angebot angeklickt wird, wird auf das E-Commerce-Angebot außerhalb von Facebook verlinkt. Lady Gaga nutzt beispielsweise für ihren Shop die beschriebene Lösung, die einzelnen Produkte sind alle mit dem externen Shop von Lady Gaga verlinkt.
Wie das eZine Social Commerce Today berichtet, hat auch BMW UK erste Gehversuche im Bereich des F-Commerce gemacht. Facebook-Fans können dort limitierte und exklusive Schlüsselcovers bestellen. Bei dieser Shop-Lösung wurde mit Amazon zusammengearbeitet. Nach dem Check-out wird man auf Amazon umgeleitet, wo der Check-out-Prozess stattfindet. BMW UK geht es wahrscheinlich weniger darum, Geld zu verdienen, als vielmehr darum, den Fans etwas Exklusives anzubieten und sie dadurch an die Marke zu binden. Zudem können sie damit erste Erfahrungen im Bereich F-Commerce sammeln. Es wäre denkbar, dass über diesen Kanal künftig weitere Merchandising-Artikel verkauft werden.
Ein weiterer bekannter F-Commerce-Shop, der über eine Facebook-App läuft, ist derjenige von 1-800-Flowers. Über die Facebook-Seite kann man in den Shop einsteigen und wird anschließend auf die Facebook-Applikation umgeleitet. Der gesamte Einkaufsprozess wird von A bis Z über die App gelöst. Nach dem Einkauf kann ein User einfach wieder seinen Facebook-Aktivitäten nachgehen. Zudem ist es beispielsweise möglich, während des Einkaufs mit Freunden zu chatten, um sich beraten zu lassen.
Wenn die Facebook-App mehr weiß als der Besucher – the next Step
Mit Facebook-Apps kann man auf Benutzerdaten zugreifen (Open Graph API). Ähnlich wie beim Friends Store von Levi’s lassen sich bestimmte Daten von Facebook beziehen, die helfen, den Einkauf zu vereinfachen. Die Applikation Shopycat geht noch einen Schritt weiter. Sie fragt die Interessen und weitere Benutzerdaten der Facebook-Freunde ab und gibt, basierend darauf, Empfehlungen ab, was zu einer bestimmten Person passen würde. Wer also auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk ist, kann sich mit Hilfe dieser App beim Einkauf helfen lassen. Diese F-Commerce-App geht bereits in Richtung Social by Design. Benutzerdaten werden sinnvoll verwendet, um sowohl den Entscheidungsprozess zu vereinfachen als auch die zu beschenkende Person positiv zu überraschen – sie erhalten etwas, das sie wirklich mögen (Mehrwert). Schenken an sich ist bekanntlich etwas „Soziales“.
Neue Produkte in Kombination mit Facebook
Die vielfältigen Möglichkeiten von Facebook bringen immer mehr Unternehmen dazu, Produkte in Verbindung mit Daten von Facebook anzubieten.
Für ifolor wurde eine Facebook-Applikation (Social Mosaic) konzipiert, mit der man aus Fotos, die auf Facebook hochgeladen wurden, verschiedene Fotoprodukte (Kalender und Poster) erstellen und gleich über die App bei ifolor bestellen kann. Die ausgewählten Fotos werden durch die App zudem so verändert, dass auf jedem Foto die Profilbilder der Facebook-Freunde wie ein Mosaik zu sehen sind. Darüber hinaus werden durch die Verwendung der Graph-API die Geburtstage der Freunde abgefragt und direkt mit dem entsprechenden Profilfoto im Kalender angezeigt. So erhält jeder, der seine Fotos mit Social Mosaic zu einem Fotoprodukt (Kalender) generieren lässt, ein Produkt, das „social“ ist. Die Fotokalender mit den generierten Fotos sind nicht nur praktisch, da man jetzt die Geburtstage seiner Freunde nicht mehr vergisst, sondern auch ein echter Hingucker.
Ebenfalls in diese Richtung geht der Anbieter von Druckprodukten moo.com. Benutzer erhalten aktuell die Möglichkeit, kostenlos 50 Visitenkarten im Timeline-Design zu bestellen. Mehr dazu auch hier: Futurebiz.de „Facebook Timeline Titelbilder als Visitenkarte“.
Facebook-Shop: Exklusive Angebote nur für Fans
Eine weitere Ausrichtung von F-Commerce, die bereits diverse Unternehmen nutzen, sind Angebote, die exklusiv nur für Facebook-Fans zur Verfügung stehen. Entsprechende Angebote können in der Regel nicht im herkömmlichen Shop gekauft werden – eine Exklusivität und somit ein Grund, Fan eines Unternehmens zu werden, ist so gegeben.
Auch das Anbieten von Gutscheinen und Coupons über Facebook kann durchaus als F-Commerce betrachtet werden, diverse Anbieter arbeiten mit Coupon-Applikationen und bieten so über Facebook einen Kaufanreiz. Interessant bei Gutscheinaktionen sind die vielfältigen Tracking-Möglichkeiten.
Facebook-Shop: Sinn und Unsinn von F-Commerce
Über Sinn und Unsinn von F-Commerce wird immer wieder gestritten. Eine interessante Diskussion dazu findet man in der Xing-Gruppe Internet-Marketing zum Thema „Der Facebook-Shop: Fluch oder Segen“. Zum einen kann argumentiert werden, dass man die Kunden dort abholen solle, wo sie sich aufhalten, zum anderen, dass Social Media nicht der Ort sei, an dem verkauft werden soll, da es in erster Linie darum gehe zu kommunizieren und sich mit anderen Menschen zu vernetzen. Weiter wird vermutet, man sei in Europa, vor allem im deutschsprachigen Raum, noch nicht so weit, dass der Mainstream über F-Commerce einkaufen würde. Einige vertreten die Ansicht, es handle sich um eine Generationenfrage: Ältere Menschen kauften lieber auf traditionellen Plattformen wie Amazon, eBay, Ricardo usw. ein, jüngere hingegen wären eher bereit, über Facebook zu kaufen. Die Meinungen gehen also weit auseinander. Hier wäre eine repräsentative Studie sicher hilfreich, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Es ist anzunehmen, dass künftig mehr auf Facebook-Daten zugegriffen wird, um das Online-Shopping-Erlebnis noch interessanter und komfortabler machen zu können oder die Entscheidungsprozesse zu vereinfachen. Es empfiehlt sich, die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen und sich für diejenige Lösung zu entscheiden, die am besten zur Marketingstrategie einer Unternehmung passt.
Ein Facebook-Shop kann sehr sinnvoll sein. Es kommt ganz darauf an, was man damit erreichen will. Um seinen Fans Exklusivitäten zu verkaufen oder neue Zielgruppen zu erreichen, kann es durchaus Vorteile bringen, einen Shop in Facebook anzulegen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich auch F-Commerce durchsetzt, und die Kunden bei Facebook oder anderen Social Networks ganz selbstverständlich ihre Einkäufe machen.
Autor: Thomas Hutter (36) ist Inhaber und Geschäftsführer der Hutter Consult GmbH. Er berät mittlere und große Unternehmen, Organisationen und Agenturen in der Schweiz, Deutschland und Österreich in Strategie und Analyse, Konzeption, Qualitätssicherung, Ausbildung und Schulung rund um Facebook Marketing und Social Media. Thomas Hutter doziert für das Medienausbildungszentrum Luzern (MAZ), die Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ), die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), die Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur (HTW), die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und unterrichtet als Seminarleiter bei diversen Seminaranbietern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Neben der Berater- und Dozententätigkeit schreibt er Fachartikel für namhafte Zeitungen und Fachzeitschriften. Sein Blog thomashutter.com gilt als eine der Ressourcen zu den aktuellen Entwicklungen im Bereich Facebook-Marketing und Social Media im deutschsprachigen Raum.
Dieser Beitrag erschien erstmals im Schwerpunkt Social Commerce, e-commerce Magazin 03/2013.
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