05.04.2017 – Kategorie: Management, Technik
Der fliegende Postbote
Der zunehmende Anstieg des Liefervolumens von Paketen in Zeiten von Online-Shopping zwingt Logistiker, nach Zustellalternativen zu suchen. Neben Lieferrobotern am Boden bietet sich die Transportdrohne an.
Der zunehmende Anstieg des Liefervolumens von Paketen in Zeiten von Online-Shopping zwingt Logistiker, nach Zustellalternativen zu suchen. Neben Lieferrobotern am Boden bietet sich die Transportdrohne an.
Lärm, Stickoxide, Feinstaub – der wachsende Lieferverkehr setzt den Kommunen immer mehr zu. Wirtschaftsexperten erwarten auch in diesem Jahr wieder 30 Prozent mehr Pakete gegenüber dem Vorjahr – ungebrochen angetrieben vom starken Trend zum Online-Shopping. Dazu kommt, dass die Ware immer schneller geliefert werden soll. In den Vereinigten Staaten bieten diverse Online-Shops bereits „instant delivery“, die umgehende Lieferung der Bestellung. Ein Lieferchaos scheint auf längere Sicht vorprogrammiert.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts haben wir den Paketkopter Anfang 2016 in Reit im Winkl (Bayern) erstmals in die logistischen Prozesse von DHL Paket integriert: Uns ist es gelungen, eine direkte Interaktion zwischen Paketkopter und Privatkunden herzustellen. Möglich wurde das mit dem Parcelcopter SkyPort, einer speziell für den Anwendungsfall entwickelten Packstation. Der Kunde konnte mit dieser neuen Technologie seine Pakete mittels Kopter versenden und empfangen. Das ist bisher weltweit einzigartig. Mit der jüngsten Generation des DHL Paketkopters haben wir alle technischen und prozessualen Verbesserungen realisiert, um als nächsten Schritt auch einen Feldversuch in urbanem Gebiet durchführen zu können. Anhand solcher Testfälle werden wir als Logistikunternehmen zeigen, wo der Einsatz von Transportdrohnen Nutzen stiftet. Auch wenn aus technischer Sicht viele Fragestellungen geklärt sind, erwarten wir dennoch keine Massenanwendung in den nächsten fünf Jahren. Damit Logistiker wie wir Transportdrohnen in unserem Netzwerk nutzen können, muss zunächst einmal Einigkeit über die regulatorische Einbindung dieser Fluggeräte in die bestehende Luftverkehrsordnung erreicht werden. Hier sind nun Politik wie auch Gesellschaft gefragt. (Autor: Benjamin Rasch, Senior Vice President Business Customers, DHL Paket Deutschland.)
Kein Wunder also, dass sich verschiedene Logistiker mit Alternativen zum herkömmlichen Lieferverkehr beschäftigen. Eine davon ist der Einsatz von Transportdrohnen. Im Jahr 2010 erstmals erfolgreich durch die NASA getestet, war die Begehrlichkeit der Logistiker für die kleinen Helferlein aus der Luft schnell geweckt. Bereits drei Jahre später stand Amazon in den Startlöchern seines Air-Prime-Programms. Mit UPS, DHL Logistics und Googles Mutterkonzern Alphabet folgten andere Global Player.
Technik: Was Transportdrohnen heute leisten
Die Transportdrohne Stand heute verfügt über einen Akku zur Stromversorgung, Elektromotoren treiben die Rotoren an. Gesteuert wird sie entweder manuell durch einen Piloten am Boden oder teil- bis vollautonom durch ein Computersystem. Abhängig von Zuladung, Wind und Wetter kann eine Transportdrohne derzeit maximal 15 bis 20 Kilometer zurücklegen, bevor sie eine Basisstation anfliegen muss, um den Akku wieder aufzuladen. Dabei erreicht sie üblicherweise Fluggeschwindigkeiten von 30 bis 50 Kilometer pro Stunde und kann Lasten bis zu 2,5 Kilogramm tragen. Dies begrenzt den Einsatz der Transportdrohne einerseits, andererseits gibt beispielsweise Amazon an, dass 90 Prozent der durch das Unternehmen verschickten Pakete im Rahmen dieser Traglast lägen.
Recht: Was zuständige Behörden heute (noch) nicht leisten
Eine ganz andere Hürde für Transportdrohnen stellen gesetzliche Limitationen dar. Die Vereinigten Staaten von Amerika beispielsweise verbieten den Einsatz von Transportdrohnen fast komplett. Im Juni 2016 hat die US-Luftaufsichtsbehörde Regeln erlassen, die vorschreiben, dass ein Pilot am Boden immer Sichtkontakt mit dem Fluggerät haben muss. Das bremst natürlich Dienste wie Amazon Prime Air oder Googles Project Wing aus, die auf autonome Lieferung setzen. Dabei agiert die US-Behörde durchaus auch in Einklang mit dem Heimatschutz(gesetz). Bereits 2012 hatten es Forscher der Universität von Texas geschafft, die zur Navigation einer Drohne notwendigen GPS-Signale gezielt zu manipulieren und so zu zeigen, dass sie die Ladung hätten stehlen oder die Drohne als Waffe einsetzen können. Auf solche Szenarien reagiert man seit 9/11 in den USA allergisch.
Auch in Deutschland müssten entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen angepasst werden, um einen autonomen Drohnenverkehr zu ermöglichen. Denn auch hier gilt: „Flug auf Sicht“. In diesem Fall sind das Luftfahrtbundesamt und die Deutsche Flugsicherung zuständig, doch bindend für die einzelnen Bundesländer wären die Vorschriften nicht unbedingt. Es sind die Landesluftfahrtbehörden, die sogenannte „Aufstiegserlaubnisse“ erteilen, wobei sie sich an den lokalen Bedingungen orientieren. Neben Flughäfen gibt es diverse sensible Bereiche – Atomkraftwerke, Einrichtungen der Bundeswehr, Regierungsviertel usw. –, bei denen sich ein Überflug verbietet.
Pilotprojekte: Wie der DHL-Paketkopter eingesetzt wird
Nichtsdestotrotz spielt Deutschland in Sachen Pilotprojekte – für die dann Ausnahmegenehmigungen gelten – vorne mit. Die Deutsche Post DHL Group hat bereits 2013 erste Szenarien erprobt, 2014 folgten Versorgungsflüge zur Nordseeinsel Juist auf einer 12 Kilometer langen Strecke. Anfang 2016 absolvierte nun schon die dritte Generation des gelb-roten DHL-Paketkopters im bayrischen Reit im Winkl und auf der Winklmoos-Alm über 100 Transportflüge, wobei die Drohne sich an der jeweiligen Packstation selbständig be- und entlud. Während ein Lieferwagen 30 Minuten vom Tal auf die Alm benötigt, schaffte die Transportdrohne es in 8 Minuten, ihr Ziel zu erreichen.
Der Einsatz von Quadrokoptern als „Drohnen“ für Paketlieferungen ist in der nächsten Zeit sicherlich kein Massenmarkt. Beispielsweise ist das Abwerfen oder Ablassen von Gegenständen verboten und Modellflugzeuge dürfen nur in Sichtweite der steuernden Person betrieben werden. Zu Wohngebieten ist ein Abstand von mindestens 1,5 Kilometern einzuhalten. Zudem verletzen „Drohnen“ die Privatsphäre, wenn sie ein bewohntes Grundstück in zu geringer Höhe überfliegen. In extrem schwer zugänglichen Gebieten mag eine Paketlieferung aus der Luft eine erwägenswerte Alternative sein. Doch in den urbanen Ballungsräumen leben viele Menschen in Etagenwohnungen ohne sichere private Lande- und Liefermöglichkeit für eine „Drohne“. Realistischer sind ohne Zweifel die alternativen Zustellkonzepte des „hybriden Handels“, die den stationären Einzelhandel in den E-Commerce einbeziehen. Wenn Konsumenten ihre E-Commerce-Pakete im Supermarkt, am Kiosk oder am „Spätkauf“ – auch außerhalb der üblichen Paketdienst-Öffnungszeiten – abholen können, dann verbessert das die Zustellqualität und die Zufriedenheit der Konsumenten in erheblichem Maße. (Autor: Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann, Leiter der Kompetenzgruppe E-Commerce im eco – Verband der Internetwirtschaft e. V.)
Überall auf der Welt laufen umfangreiche Pilotprojekte. Amazon testet seine Drohnen in englischen Cambridgeshire, die französische Geopost nutzt ein Drohnentestgelände im Südosten Frankreichs, Australien will in abgelegenen Gebieten Drohnen einsetzen, desgleichen Kanada. Und selbst in den USA läuft ein Sonderprojekt auf dem Campus der Virginia Polytechnic Institute and State University, wo Google-Mutter Alphabet Burritos per Drohne ausliefert.
Einschätzungen: Was die Zukunft bringt
Laut einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom können sich 24 Prozent der Verbraucher vorstellen, von einer Transportdrohne beliefert zu werden. Experten sind der Ansicht, dass um das Jahr 2030 Lieferdrohnen in der Lage sein dürften, kostengünstig und emissionsfrei auf kurzen Strecken zu fliegen. Trotzdem prognostiziert so mancher Fachmann den Transportdrohnen eher ein Nischendasein. In schwer zugänglichen ländlichen Gebieten oder bei eiligen Zustellungen, etwa im Fall von Medikamenten, kann die Drohne ihre Stärke ausspielen, keine eigene Infrastruktur zu brauchen und über alle Hindernisse hinwegschweben zu können. Im verdichteten Raum von Metropolen, wo Zahl und Unfallgefahr ansteigen würden und außerdem eine permanente Verletzung der Privatsphäre vorläge, hat sie wohl eher schlechte Karten.
Autor: Armin Krämer. Dieser Beitrag erschein erstmals im e-commerce Magazin 02/2017
(jm)
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