09.03.2022 – Kategorie: eCommerce
Digitale Barrierefreiheit – Deshalb sollten sich Onlinehändler jetzt damit auseinandersetzen
Ab dem Jahr 2025 wird ein barrierefreies Design für Onlineshops gesetzlich verpflichtend. Es ist also höchste Zeit, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Katrin Kolossa, Chief Strategy Offficer von Sapera, beschreibt, was dabei beachtet werden muss. Und sie zeigt, dass sich damit gesellschaftliche und wirtschaftliche Ziele bestens miteinander verbinden lassen. Denn ein Onlineshop mit einer für alle verständlichen Nutzerführung wird am Ende ökonomisch erfolgreicher sein.
Versperrte Wege, plötzlich auftauchende Treppen, schwer verständliche Formulare oder kaum leserliche Hinweisschilder: Der Alltag für Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen ist oft nicht einfach. Immer wieder tauchen Hindernisse auf, die sie nur mit Mühe überwinden können. Auch das Internet reiht sich in den Kanon dieser Barrieren. Erst kürzlich belegte eine Umfrage der Sozialorganisation Aktion Mensch, dass unübersichtlich gestaltete oder schlecht nutzbare Webseiten das Leben von Menschen mit Behinderungen regelmäßig erschweren. Häufige Fehler: Texte und Formularfelder heben sich nur schwer vom Hintergrund ab, Videos haben keine Untertitel, Links führen in die Irre.
Dass dies allerdings erst allmählich von der Online-Branche wahrgenommen wird, zeigt eine Untersuchung der gemeinnützigen Organisation WebAIM (web accessibility in mind). Danach weist nur ein Bruchteil der meistgenutzten Websites für Menschen mit Sehbehinderungen, Schädigungen des Gehörs, physischen oder kognitiven Beeinträchtigungen keine Hindernisse auf. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie wichtig digitale Barrierefreiheit ist. Die EU hat deshalb im Jahr 2019 den European Accessibility Act (EAA) verabschiedet. Dieser verlangt, dass jede Website und jeder Onlineshop, jedes eBook, jede App und jedes Selbstbedienungsterminal von Menschen unabhängig ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten genutzt werden kann. Die EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, diese Richtlinie bis 2022 in nationales Gesetz umzusetzen und ab dem 28. Juni 2025 auch anzuwenden. Von der Regelung ausgenommen sind lediglich Kleinstunternehmen, die weniger als zehn Beschäftigte und einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro haben.
Einfache Usability steigert die Conversion
Als Grundlage dienen die sogenannten “Web Content Accessibility Guidelines”, ein international erarbeiteter Standard zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten. Im Wesentlichen fokussieren diese auf vier Punkte:
- Die Informationen müssen so dargestellt sein, dass sie von allen Usern wahrgenommen werden können.
- Alle Funktionen müssen nutzbar sein, auch wenn keine Maus verwendet wird.
- Die Inhalte müssen leicht verständlich sein.
- Zudem sollen Hilfsmittel wie Spracherkennungssoftware oder Braille-Lesegeräte die Inhalte vermitteln können.
Damit wird klar, dass diese Guidelines nicht nur ein Plus für die rund acht Millionen Menschen mit Behinderungen sind, die in Deutschland leben. Sondern für alle. Schließlich steigert eine einfache und klare Usability im E-Commerce ganz grundsätzlich die Conversion.
Digitale Barrierefreiheit: 9 Punkte, die es zu berücksichtigen gilt
Für Onlineshops bedeutet das: Es ist allerhöchste Zeit, sich mit der barrierefreien Gestaltung ihrer Seiten auseinanderzusetzen. Dabei sollten sie u. a. auf folgende Punkte achten:
- Für eine einfach verständliche Website sind Textalternativen wichtig. Viele Informationen lassen sich auch in Großschrift, als Symbol oder in einfacher Sprache darstellen.
- Generell ist eine verständliche Sprache wichtig. Komplizierte Sätze mit Fremdwörtern oder schlecht übersetzte sind für alle ein Ärgernis.
- Bilder und Buttons sollten immer ein ALT-Attribut aufweisen. Es erklärt, was auf ihnen zu sehen ist und welche Funktion sie besitzen. Talker können den eingefügten Text in ein Audioformat umwandeln und ihn so erklären.
- Videos oder Slideshows sollten nicht automatisch starten und jederzeit gestoppt werden können. Ideal wäre auch hier eine textbasierte Beschreibung.
- Elemente und Buttons des Shops sollten klar unterscheidbar sein, Vorder- und Hintergrund farblich klar getrennt sein. Hilfreich ist, wenn die User den Kontrast bei der Darstellung selbst anpassen können.
- Der Onlineshop sollte nicht nur mit einer Maus navigierbar sein, sondern auch über die Tastatur angesteuert werden können.
- Die Navigation sollte so einfach wie möglich und nachvollziehbar sein. Zahllose Unterkategorien und verwirrende Verlinkungen führen dazu, dass die User die Orientierung im Shop verlieren.
- Zu einem barrierefreien Auftritt gehört auch der Verzicht auf enge zeitliche Limitierungen. User sollten in Ruhe ihre Daten eingeben können.
- Sind die Angaben fehlerhaft, sind konkrete Hinweise sinnvoll. Beispiel: Haben Sie vergessen, Ihre Hausnummer anzugeben? Eingabefelder sollten auch per Spracheingabe ausgefüllt werden können.
Digitale Barrierefreiheit: So klappt der Umbau
Schon bei den Anforderungen wird klar: Der Umbau eines Onlineshops hin zu einer barrierefreien Site ist keine Aufgabe, die sich nebenbei erledigen lässt. Gerade deshalb sollte sie im Unternehmen oberste Priorität genießen. Ein fundiertes Testkonzept gibt Aufschluss darüber, ob die Anforderungen auch erfüllt werden. Zu den bekanntesten zählt der BITV-Test, ein etabliertes und kontinuierlich weiterentwickeltes Verfahren der deutschen Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung. Für Unternehmen, die international aufgestellt sind, empfiehlt sich auch der WCAG-Test, der sich an den europäischen Richtlinien orientiert. Daneben existiert am Markt eine Reihe, teils kostenloser Tools verschiedener technischer Dienstleister, die eine Prüfung durchführen und anschließend eine Liste von Fehlern und Warnungen aufstellen.
Das neue e-commerce magazin ist da:
Die Themen:
- In-Car-Commerce
- E-Commerce und Barrierefreiheit
- Interview mit Inklusionsaktivist Raúl Krauthausen
- Warum der Payment-Markt gerade kräftig umgekrempelt wird
- Hilfe – die Logistikflächen werden knap
- Und natürlich noch viel mehr …
Tools mit automatisierten Lösungen
Es gibt viele Gründe, die Seiten eines Onlineshops so bald wie möglich barrierefrei zu gestalten. Die fünf wichtigsten führt die Aktion Mensch auf Ihrer Website auf: Sie erreichen mehr Kunden, machen Ihre Kunden zufriedener, erhöhen Ihre Reichweite, werden zum Vorbild und zeigen, dass Ihr Unternehmen soziale Verantwortung übernimmt.
Genau das ist in diesen Zeiten gefragt.
Lesen Sie auch: Analoge und digitale Barrierefreiheit – Wo liegt der Unterschied?
Die Autorin Katrin Kolossa ist Chief Strategy Officer bei Sapera.
Teilen Sie die Meldung „Digitale Barrierefreiheit – Deshalb sollten sich Onlinehändler jetzt damit auseinandersetzen“ mit Ihren Kontakten: