02.08.2022 – Kategorie: eCommerce
Direct-to-Consumer: Das sind die Chancen und Herausforderungen
Das D2C-Modell (Direct-to-Consumer) eröffnet insbesondere Marken und Herstellern aus dem B2B-Umfeld die Chance, neue Umsatzpotenziale zu erschließen. Aber: Dazu müssen Unternehmen auch die Konsequenzen und Herausforderungen, die sich aus der Anwendung von D2C-Strategien ergeben, tragen.
Der B2B-Sektor entdeckt zunehmend auch die Vorteile des Direktvertriebs für sich. Auch OEMs (Original Equipment Manufacturer), Hersteller und Marken beginnen damit, entsprechende Vertriebsstrukturen zu installieren. Diese Art des Marktzugangs klammert Zwischenhändler grundsätzlich aus. Dadurch sparen sich Unternehmen bei Direct-to-Consumer den Aufwand bei der Suche und Pflege von Beziehungen zu Zwischenhändlern, die ihre Produkte verkaufen und dafür wiederum Gebühren oder Provisionen einbehalten. Das schmälert die Gewinne, die sie sich durch den Aufbau eigener Online-Shops nunmehr erhoffen.
Die Vorteile vom Modell Direct-to-Consumer
Online-Shops erfassen Nutzerdaten. Diese lassen sich fortwährend analysieren. Dadurch gelangen Unternehmen an Erkenntnisse, aus denen sie wiederum Schlussfolgerungen ziehen, um etwa Nutzerverhalten vorherzusagen. Mit diesen Insights lässt sich das Angebot im Online-Shop andauernd optimieren.
Unter dieser Voraussetzung kann es aus Herstellersicht sinnvoll sein, über eine D2C-Strategie – etwa in Gestalt eines eigenen Shops – die Kunden direkt anzusprechen und darüber eine direkten Zugang zu Kunden- bzw. Nutzerdaten zu erhalten. Weiterer Pluspunkt: dadurch lassen sich neue Zielgruppen erschließen und gleichzeitig die Kundenbindung stärken.
Kundenseitig stößt dieser Ansatz auf durchaus fruchtbaren Boden. Studien zeigen: Deutsche Verbraucher weisen ein starkes Markenbewusstsein auf. Immer mehr Menschen neigen dazu, direkt bei Herstellern oder Marken, anstatt im (Zwischen-)Handel zu kaufen. Shops von Marken und OEMs stellen von daher auch in der Touchpoint-Hierarchie der Kunden einen sehr wichtigen Kontaktpunkt dar. Ein Großteil der Verbraucher nennt etwa ein vollständiges Sortiment und die bessere Verfügbarkeit als Hauptgründe für den Kauf beim Hersteller.
Mittelstand tut insgesamt zu wenig
Aber: Unter dem Strich tut der deutsche Mittelstand immer noch zu wenig, um Kunden – zum Beispiel durch eigene D2C-Strategien – direkt anzusprechen. Es fehlt noch immer an Know-how im E-Commerce, im Online-Marketing sowie an Strukturen, mit denen Marken und Hersteller in der Lage wären, selbst die volle Pre- sowie After-Sales-Verantwortung für die von ihnen hergestellten Produkte zu übernehmen. Dass etwa OEMs das wahre Marktpotenzial von Bewertungen, Reviews oder User-Engagement in den soziale Medien kennen, kann auch heute noch bezweifelt werden. Freilich: Dieses Defizit lässt sich überwinden. Bis es so weit ist, geben OEMs, Marken und Hersteller allerdings immer noch die Zwischenhändlermarge ab und schmälern ihre eigenen Gewinnchancen.
Denn grundsätzlich bietet sich auch Unternehmen und Marken die ganze D2C-Bandbreite an Sales-Channels. Dazu gehören auch und insbesondere Marktplätze, über die sich Umsätze und Margen optimieren lassen. Die Frage ist, inwieweit Marken und Hersteller dort überhaupt ihre Zielgruppen erreichen?
Direct-to-Consumer: Herausforderungen und Chancen
Bei der Antwort auf diese Frage, sollten Marken und Händler auf folgende fünf Anforderungen achten:
Verkaufspower von Marktplätzen
B2B-Verkäufer, die nun auf Direct-to-Consumer setzen, sollten dabei die Verkaufspower von Marktplätzen nicht unterschätzen. Es lohnt sich, Produkte auch über Amazon, ebay und Co. anzubieten und über entsprechende Anzeigen-Kampagnen zu promoten. Weil Marktplätze die internen SERP-Rankings der Anzeigen in der Regel über gebotsbasierte Keywords strukturieren, sollten auch Produkt-Kampagnen von Marken und Herstellern mit einer sauberen Keyword-Recherche unterfüttert werden. Eine fortlaufende Analyse in diesem Bereich erkennt oftmals bis dato unerschlossene Potenziale, die zu einem guten Ranking führen und damit der Verkaufszahlen steigen lassen. Tipp: Auch hier existieren Tools, welche die Keyword-Recherche und -analyse automatisieren und in Echtzeit durchführen, um Kampagnen dauerhaft monitoren und optimieren zu können.
Gerade auf Marktplätzen gilt es, ein ausreichendes Kampagnen-Budget zu definieren. Andernfalls laufen Kampagnen Gefahr, zu den Traffic-Peaks – wie zum Beispiel der Abend-Traffic (oder Couch-Traffic) nicht mehr ausgespielt zu werden. Auch saisonale Aspekte und aktuelle Entwicklungen spielen eine Rolle. Unter normalen Rahmenbedingungen macht es zum Beispiel keinen Sinn, Winterjacken im Sommer über Anzeigen zu promoten oder Anzeigen zu erstellen, die zwar Klick-Kosten erzeugen, aber keine Umsätze erzielen. Unter dem Aspekt bevorstehender Gasknappheit in der kalten Jahreszeit könnten sich Winterjacken bereits in den Sommermonaten zum Verkaufsschlager entwickeln. Kurz: Ein entsprechendes Sortiment, das die Bedürfnisse der Kunden erfüllt, sollte das Ziel sein. Auch hier helfen Nutzerdaten!
Auktionsmodell wirkt sich auf ROAS aus
Relevant für gebotsbasierte Kampagnen ist auch das von Marktplätzen jeweils angewendete Auktionsmodell. Während etwa Google auf Erstpreisauktionen setzt, favorisiert Amazon nach wie vor das Second Price-Auction-Modell. Zweitpreisauktionen bieten Händlern den Vorteil, dass der Höchstbietende den Zuschlag erhält, dieser aber nicht seinen eigenen Preis, sondern den des zweithöchsten Gebots bezahlen muss. Bei Erstpreisauktionen neigen Bieter dagegen von vornherein dazu, niedriger zu bieten, um im Falle des Zuschlags noch einen theoretischen Gewinn zu realisieren. Hier droht ein Bieterwettstreit. Das ist gut für Google, aber weniger gut für Anzeigenkunden, weil dadurch die Umsatzkosten (ROAS) steigen. Empfehlenswert für Google-Kunden ist es von daher, Gebotsstrategien zu überprüfen und diese gegebenenfalls anzupassen, um extreme Preissteigerungen zu vermeiden.
Controlling im Direct-to-Consumer
Darüber hinaus sollen alle Werbetreibenden ihre KPIs und Keywords im Blick behalten und dabei der Marge allergrößte Aufmerksamkeit widmen. Ganz entscheidend ist hierbei die Analyse der Umsatzkosten. Sie werden vom Adspent in beträchtlichem Maße beeinflusst und haben selbstverständlich Auswirkungen auf die Preisstrategie. Hier stellt sich etwa die Frage, ob Cash Cows um jeden Preis sichtbar sein müssen. Oder ob sich der Adspent für sich gut verkaufende Produkte möglicherweise nicht sinnvoller einsetzen oder gar vollständig einsparen lässt.
Kampagnen-Optimierung an Gewinn orientieren
Kampagnen sollten ohnehin so optimiert sein, dass Abverkäufe weniger stark auf den ACOS (Avarerage Costs of Sales, Umsatzkosten) achten als vielmehr auf den erzielten Gewinn. Hintergrund ist, dass durchaus auch Kampagnen mit hohem ACOS einen großen Gewinn realisieren können. Die Vorgabe eines möglichst niedrigen ACOS ist daher nicht notwendigerweise immer zielführend.
Kampagnen-Sichtbarkeit
Auch im B2B-Sektor müssen oftmals mehrere hundert Kampagnen verwaltet werden. Ein manuelles Kampagnenmanagement ist selbstverständlich möglich, in diesen Größenordnungen erzeugt dies allerdings einen enorm hohen Aufwand, ohne dabei die Fehlerquote zu reduzieren. Algorithmusbasierte Tools optimieren das gesamte Kampagnenmanagement vollautomatisch – von der Keyword Analyse, über das Bidding und die Ausspielung bis hin zu gewinnorientierter Performance. Oberstes Ziel ist Sichtbarkeit. Denn selbst das beste Produkt zum besten Preis bleibt ohne Werbung ein Ladenhüter.
Wie sieht die D2C-Zukunft aus?
Fakt ist: Auch in den kommenden Jahren wird das Shopping-Erlebnis an Bedeutung gewinnen. Ein Aspekt, den sowohl, OEMs, als auch Händler und Hersteller in den kommenden Jahren berücksichtigen sollten. So experimentiert die Branche vor diesem Hintergrund bereits mit neuen Technologien wie dem Metaverse. Zwar verkaufen Händlerketten wie Walmart oder Kaufland bereits virtuell und nutzten dazu das Metaverse, Hersteller wie Nike, Adidas, Gucci oder Louis Vuitton bieten ihre Markenprodukte bereits im großen Stil dort an – OEMs, B2B-Marken oder -Hersteller haben diesbezüglich allerdings noch keine bis wenig Ambitionen.
Dabei sollten auch sie diese Welt im Blick behalten, Entwicklungen verfolgen und ganz genau überlegen, welche Konsequenzen das Metaverse für die Zukunft der eigenen Branche, für Konzepte wie die Customer Journey bzw. die Schaffung herausragender Kundenerlebnisse bringt. Daraus lassen sich fundamentale Perspektiven ableiten, die wiederum in konkrete Strategien münden, von denen Kunden wie Anbieter, egal übrigens, ob B2B, B2C oder Direct-to-Consumer, profitieren könnten.
Bernd Vermaaten ist Geschäftsführer von Solute. (Bild: Solute)
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Aufmacherbild: khunkorn – Adobe Stock
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