07.01.2022 – Kategorie: eCommerce

DSA & DMA – Das kommt mit den neuen Richtlinien auf den Onlinehandel zu

Quelle: Daniel Jedzura/shutterstock

Dass Margarethe Vestager, ihres Zeichens oberste Wettbewerbshüterin der EU, es ernst meint mit ihren Maßnahmen gegen die Internetgiganten, ist längst kein Geheimnis mehr. Auf den Korridoren der sogenannten GAFAMs (Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft), den „Big Five“ der Tech-Branche, dürfte sie wahrscheinlich nicht einmal mehr hinter vorgehaltener Hand als „Staatsfeind Nr. 1“ bezeichnet werden.

Jetzt umso mehr, weil die Entwürfe zum Digital Markets Act (DMA) sowie zum Digital Service Act (DSA) der Norwegerin zwischenzeitlich den Weg ins EU-Parlament gefunden haben, wo jetzt die Abgeordneten darüber beraten. Fakt ist: Die Richtlinien werden kommen. Welche Konsequenzen aber haben die Entwürfe für den Onlinehandel?

Zusammengenommen verstehen sich beide Entwürfe als Richtlinie zur Regulierung des digitalen Marktes. Die ist, ob der offensichtlichen Marktmacht der Tech-Riesen Google, Facebook, Amazon und Co., nach Meinung der EU-Wettbewerbshüter dringend notwendig geworden.  Zu hoch waren die Markteintrittsbarrieren für kleinere E-Commerce-Player geworden, woraus de facto ein Quasi-Oligopol hervorging. Und was in der Offline-Welt verboten ist, das gilt auch für die Onlinewelt und umgekehrt – dieses Prinzip zieht sich durch die gesamte Richtlinie durch.

DSA und DMA: Gatekeeper dominieren den Markt

Während der DSA sozusagen als digitaler wie ethischer (Verhaltens-)Codex für alle Marktteilnehmer gilt – z. B. Einzelpersonen, kleine und mittelständische Unternehmen, Händler, Shops, Plattformen, Dienste oder Soziale Medien und Netzwerke – und etwa Verbraucher, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) und Startups besser schützt bzw. fördert, regelt der DMA insbesondere die dominante Stellung der sogenannten Gatekeeper im Binnenmarkt. Torwächter definieren sich durch deren mächtige Marktposition. Charakteristisch für Gatekeeper ist dabei, dass sie zwischen Anbietern und Nutzern eine Vermittlungsfunktion wahrnehmen. Aber: Erst die Anzahl der Nutzer unterscheidet etwa „einfache“ Plattformen von Gatekeepern. Es müssen mindestens 45 Mio. User sein, die den Dienst mindestens einmal pro Wochen aufrufen. Trifft dies zu, qualifiziert das eine Plattform zu einem Gatekeeper.

Neben dieser quantitativen Abgrenzung weisen beide Richtlinien auch typische Verhaltensmuster der Gatekeeper in die Schranken. Dazu gehören etwa Praktiken, die Nutzer davon abhalten, vorab installierte Software oder Apps zu deinstallieren (z. B. auf Google / Android Mobiltelefonen), oder Verbraucher daran hindern, sich an Unternehmen außerhalb ihrer Plattform (z. B. App Store) zu wenden. Aus der Sicht des Onlinehandels aber der zentrale Aspekt, ist das Verbot der bevorzugten Positionierung eigener Produkte und Angebote. Dies betrifft vor allem Suchergebnisseiten. Auf diesen SERPs (Search Engine Result Pages) dürfen Gatekeeper-Angebote in Zukunft nicht automatisch bessergestellt werden als jene der Konkurrenz.

Mit Transparenz Marktmacht eindämmen

Um zu erkennen und zu verstehen, wann und wie genau dies geschieht, sollen für die Tech-Riesen spezielle Transparenzpflichten gelten. Unter dem Eindruck der jüngsten „kartellartigen“ Absprachen zwischen Google und Facebook – Stichwort: „Jedi Blue“ – in den USA, geht es für die Tech-Konzerne insofern nun auch auf EU-Ebene sprichwörtlich ans „Eingemachte“. Denn: Die europäischen Wettbewerbshüter fordern Einblick auf das Herzstück der GAFAMs: die Algorithmen. Dennoch soll es sich dabei keineswegs um eine vollständige Enthüllung des Codes handeln, wie zu hören ist. Die Kommissare wollen damit lediglich ein besseres, detaillierteres Verständnis darüber erlangen, wer die Konsumenten beeinflusst. Die sollen außerdem eine Wahlmöglichkeit erhalten, ob sie dem Angebot vertrauen oder nicht. Im Endergebnis soll diese zentrale Forderung nach mehr Transparenz einerseits die Marktmacht der großen Internetkonzerne beschneiden, andererseits aber die Wettbewerbschancen „kleinerer“ Onlinehändler, Shops und Plattformen erhöhen und dadurch Marktversagen in Form eines Quasi-Oligopols beseitigen.

Harmonisierung befeuert Wettbewerb

Durch diese beabsichtigte digitale Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes erwächst die Chance, auch den organischen Traffic jenseits der „Big Five“, also der vielen Startups und KMUs, deutlich zu steigern. Vor diesem Hintergrund wird auch der Suchmaschinen Optimierung (SEO) bzw. der Ausspielung von Content in den SERPs eine noch größere Bedeutung zukommen. Der Grund: Sichtbarkeit. Die Folge ist, dass auch kleinere Player am Markt an wirtschaftlicher Kraft gewinnen werden und damit den Wettbewerb insgesamt befeuern könnten. Unter diesen Voraussetzungen werden die Kosten für digitales Marketing sehr wahrscheinlich sinken, wodurch der ROAS (Return on Advertising Spending), also der Umsatz im Verhältnis zu den Marketingkosten, zunehmen sollte.

DSA & DMA – Fazit

DSA und DMA sind aus der Sicht kleinerer Player generell als positive Signale für den E-Commerce zu bewerten. Der eingeschlagene Weg der EU-Kommission wird den Wettbewerb in Europa stärken. Denn: Aktuell stehen KMUs und Startups de facto jedoch noch im Wettbewerb mit Monopolisten. Diesbezüglich steht etwa die von Apple mehr oder weniger offensichtlich betriebene Monopolisierung des Zugangs zu personenbezogenen Daten nach wie vor zur Diskussion. Dies „tarnt“ zum Beispiel Apple als restriktive Datenschutz-Maßnahme zum Schutz der eigenen User. Tatsächlich fungiert diese Strategie aber auch als Quelle der zusätzlichen Monetarisierung. Dies gelingt über die exklusive Nutzung personenbezogener Daten. Ein wichtiges Thema, zu dem es noch keine befriedigende gesetzliche Grundlage gibt. Dabei wäre ein allgemeines Targeting-Verbot ein echter „Game Changer“. In diesem strategisch immens wichtigen Bereich ist der Abstand zu den Branchenriesen noch gewaltig.

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DSA DMA, Bernd Vermaaten
Bild: solute GmbH

Der Autor Bernd Vermaaten ist Geschäftsführer solute GmbH.


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