07.06.2021 – Kategorie: eCommerce

Einkaufserlebnis: Wie Händler auf die Folgen der Corona-Pandemie reagieren sollten

Kundenerlebnis Customer Experience Kundenzentrierung Einkaufserlebnis Kundenerlebnis Kundenzufriedenheit KundendatenQuelle: Photon photo/Shutterstock

Durch die Corona-Pandemie beschäftigen sich Händler noch intensiver mit Technologien, die ein erstklassiges Kundenerlebnis schaffen. Auch nach der Pandemie wird der digitale Handel wichtig sein. Wie sich das Kauferlebnis digital gestalten lässt, erklärt Gerhard Raffling von Medallia im Interview.

Die Corona-Pandemie hat viele Händler dazu veranlasst, sich noch intensiver mit Technologien und Tools, die ein erstklassiges, personalisiertes Einkaufserlebnis schaffen, zu beschäftigen. Auch wenn jetzt in vielen Ländern die Geschäfte wieder öffnen dürfen, wird der digitale Handel in den nächsten Jahren bestimmend bleiben. Wie lässt sich das Kauferlebnis digital gestalten und was erwarten sich Kunden davon?  Gerhard Raffling von Medallia gibt im exklusiven Interview Antworten auf diese Fragen.

e-commerce magazin: Worin liegt der Unterschied zwischen einem Ladenbesuch und Onlineshopping?

Gerhard Raffling: Jedes physische Einkaufserlebnis spricht alle sechs Sinne an, digital sind wir auf Eindrücke wie sehen und hören reduziert. Die Erfahrung eines positiven oder gar luxuriösen Einkaufserlebnisses entsteht und bleibt in Erinnerung durch die Summe dessen, was wir dabei gefühlt haben. In der analogen Welt fängt dies bereits beim Betreten eines Einkaufsgeschäftes und dem Begrüßen an und geht in die persönliche Beratung und das Tailoring über. Aktuell gilt es also Technologien zu nutzen, die ein entsprechendes Kundenverständnis und Kundenengagement auch online gestatten. Diese ermöglichen etwa, Kunden das Hochladen von Selfies für das Anprobieren von Brillen oder Kleidung anzubieten. Exakte Beschreibungen der Modelmaße helfen bei der Größenauswahl und die Speicherung früherer Käufe wird für die „Beratung“ von personalisierten Kaufempfehlungen verwendet.

Doch das ist nur der Anfang. Customer-Experience-Technologien verhelfen Händlern, ihre Kunden immer besser kennenzulernen und ihre Wünsche und Absichten im Voraus zu „erahnen“ – eine Fähigkeit, die von jeher als ultimativer Luxus empfunden wird. Luxus hat sich jenseits von hohen Preispunkten und ikonischen Labels entwickelt und dreht sich stattdessen mehr denn je um Einzigartigkeit, Bedeutung und Erfahrung. Er wird erfahren als eine bedeutungsvollere Kundenreise und -beziehung. Mit Technologien der Echtzeit-Kommunikation ist es Händlern möglich, ein luxuriöses Einkaufserlebnis zu schaffen und Loyalität in einer Zeit zu fördern, in der bereits die persönliche Verbindung als großer Luxus gilt.

Sämtliche Prozesse auf das Einkaufserlebnis ausrichten

Händler versuchen ihre Kunden stets direkt zu erreichen. So ist aktuell die Echtzeit-Kommunikation ein großes Thema. Wie ist hier der Stand der Technik?

Gerhard Raffling: Viele Händler haben sich hier Wege gesucht, um diesen Bereich für sich umzusetzen. Dennoch bleibt Echtzeit-Kommunikation offen gesagt etwas, das viele Händler noch immer nicht besonders gut beherrschen. Getrieben durch die Pandemie haben sie oft sehr rasch und überstürzt von der klassischen Werbung zum Online-Marketing gewechselt. Dies ist manchen besser, anderen weniger gut gelungen. Damit beschäftigt, die aktuelle Situation irgendwie zu bewältigen, blieb bei vielen dabei eine sorgfältige Vorbereitung der Online-Kanäle auf der Strecke. Darunter leidet dann die Customer Experience: Denn nicht funktionierende Chats, kaum durchdachte Suchfunktionen, lückenhafte Lagerbestandsführung sowie unklare Statusmeldungen führen dazu, dass Kunden frustriert sind.

Auch bekannte Marken sind in den letzten 1,5 Jahren daran gescheitert. Es ist also essenziell, das Einkaufserlebnis der Kunden zu verstehen, um Schwachstellen in der Journey zu identifizieren und zu beheben. Die Analyse hunderter verschiedener Online-Metriken einschließlich Session Recordings ermöglichen hier in Echtzeit die Analyse hunderttausender Kundenerfahrungen und das Ableiten gezielter Maßnahmen. Die Technologie dafür ist vorhanden. Die Frage ist, wie schnell Händler es schaffen, Silos aufzubrechen und für eine erfolgreiche Customer Experience die gesamten Prozesse entsprechend auszurichten.

Die „Erlebniswirtschaft“ soll für staunende Gesichter sorgen, aber welche Branchenunterschiede erkennen Sie? Und wie sieht das beim Lebensmitteleinzelhandel aus?

Gerhard Raffling: Staunende Gesichter verlieren gegen Bequemlichkeit. Dies ist aktuell auch in der Praxis bei verschiedensten Unternehmen zu beobachten, die miteinander im Wettbewerb stehen. Erwartungshaltungen von Kunden sind mittlerweile branchenübergreifend und produktunabhängig. Kunden vergleichen ständig, bewusst und unbewusst. Erlebtes aus dem stationären Handel wird aktuell ständig mit Online-Erfahrungen verglichen – und umgedreht. Die Differenzierung zu Mitbewerbern erfolgt emotional und branchenübergreifend. Consumer-Reviews und auf Preisspannen reduzierte Vergleichbarkeit beeinflussen den Wettbewerb zusätzlich. Erlebnisgüter mit positiver Konnotation werden so immer öfter zu Gebrauchsgütern mit negativer Konnotation.

Mit Marketingmaßnahmen kommt man diesen Entwicklungen nicht bei. Die Pandemie fungiert hier nur als Beschleuniger. Der Einzelhandel ist der offensichtliche Verlierer. Vor 15 Jahren war eine außergewöhnliche Customer Experience noch ein Differenzierungsmerkmal und exzellente Customer Experience hat Gewinner wachsen lassen. Mittlerweile ist eindeutig zu beobachten: Nachzügler bei der Customer Experience werden gnadenlos aus dem Markt verdrängt. Customer Experience Management bedeutet nicht mehr sich dadurch vom Rest abzuheben und zu differenzieren. Optimiertes Customer Experience Management heißt heutzutage seinen Fortbestand zu sichern. Wer mitzieht, sichert womöglich sein Überleben. 

Onlineshopping und Click & Collect werden zur Gewohnheit

Welche Auswirkungen haben diese Trends auf den Ladenbau und die Nutzung der Verkaufsfläche?

Gerhard Raffling: Der Offline-Retail wird relevanter für das Einkaufserlebnis selbst und der bisherige Hauptvertriebskanal wird Post-covid immer häufiger als eine Branding-Maßnahme gesehen. Das Onlineshopping, Click & Collect und die damit verbundene Bequemlichkeit und Zeitersparnis werden zum Usus. Infolgedessen werden wir immer mehr Ladenflächen sehen, die sich stärker auf das „Erleben“ konzentrieren. Der Verkauf als solcher rückt in den Hintergrund. Die Marke muss im Onlineshop in Erinnerung bleiben. Es müssen nachhaltige Erfahrungen geschaffen werden, die mich als Kunden später online wieder danach suchen lassen.

ROPO (Research offline, Purchase online) bekommt durch die Pandemie einen neuen Aufschwung. Jene Händler, die über starke Analysefähigkeiten verfügen, werden in der Position sein, ihre Ladenflächen für die Präsentation bestens auszurüsten sowie Mitarbeiter mit Daten zu versorgen, um so letztendlich zur positiven Erfahrung zu führen. Mit der richtigen Technologie kann ein datenbewusster Einzelhändler den Erfolg seines Wertversprechens messen und die Rentabilität verbessern.

Nehmen wir an, ein Lebensmittelhändler setzt voll und ganz auf diese neuen Trends. Führen Sie uns mal bitte durch einen Einkauf, vom Holen des Einkaufswagens bis zum Verlassen des Geschäfts.

Gerhard Raffling: Der Einkauf beginnt schon vor dem Betreten des Lebensmittelgeschäftes. Via App informiert sich der Kunde über die aktuellen Angebote und bekommt als eingeloggter Kunde personalisierte Kaufempfehlungen. In der App erstellt der Kunde dann seine Einkaufsliste und synchronisiert diese beim Betreten des Geschäftes mit dem Einkaufswagen, um während dem Einkauf die einzelnen Artikel automatisch abzuhaken. Produkte in Aktion oder ergänzende Produkte werden samt Rezeptempfehlung als Option angezeigt. Diese App ermöglicht einen schnelleren Einkauf, denn auf Basis der individuellen Einkaufsliste wird auf einer Karte die effizienteste Route durch den Laden angezeigt.

Zudem habe ich als Kunde Zugriff auf Produktinformationen wie Inhaltsstoffe oder Pflegehinweise und sogar die Möglichkeit, noch während meines Einkaufs Feedback zu geben. Durch die Information wo sich der Kunde im Geschäft befindet wird auch die Wartezeit an den Kassen optimiert. Nach Bezahlung erhält man eine Nachricht, in der sich der Händler für den Einkauf bedankt und auf den aktuellen Stand der Treuepunkte oder Ähnliches hinweist. Die Mitarbeiter-Version der App bietet dank Barcode-Scanning die Möglichkeit, Preisauszeichnungen zu überprüfen und Lagerbestände zu kontrollieren. Kurzum – egal welche Technologie ich als Händler einsetze, mein Ziel bleibt: Das Erlebnis des Kunden einfacher und zielführender zu gestalten.

Medallia Raffling
Gerhard Raffling ist VP und Country Manager bei Medallia. (Bild: Medallia)

Ing. Mag. (FH) Gerhard Raffling ist VP und Country Manager bei Medallia, einem Anbieter von Customer-Experience- und Employee-Experience-Management-Lösungen. Zu den Schwerpunkten von Raffling gehören der weitere Ausbau des Kundengeschäfts und eine verstärkte Positionierung von Medallia. Zudem ist sein Auftrag als Experte für Experience Management, die Durchdringung des erweiterten CX- und EX-Managements in unterschiedlichen Ländern zu begleiten.

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