01.12.1999 – Kategorie: IT, Management, eCommerce

Erwerb von Strato durch die Deutsche Telekom freigegeben

Das Bundeskartellamt hat den Erwerb der Strato AG, Berlin und der Strato Rechenzentrum AG, Berlin („Strato“) durch die Deutsche Telekom AG („DTAG“) in der ersten Phase freigegeben.

Durch das Zusammenschlussvorhaben kommt es im Bereich des Internet-Hosting zu geringfügigen horizontalen Überschneidungen. Nach dem Zusammenschluss sind die Zusammenschlussbeteiligten jedoch weder marktführend noch marktbeherrschend. Auch eine Verstärkungswirkung durch konglomerate Effekte zwischen dem Bereich Internet-Hosting und dem Bereich der breitbandigen Internetzugänge, in dem die DTAG in erheblichem Umfang tätig ist, war durch den Zusammenschluss nicht zu erwarten.

Internet-Hosting umfasst die Bereitstellung von Speicherplatz, Rechenleistung, Datentransfervolumen und zugehöriger Dienstleistungen. Der bekannteste dieser Dienste ist das Webhosting, d.h. das Speichern und Bereitstellen von Web-Seiten. Daneben bieten Hosting-Anbieter ihren Kunden auch standardisierte Bausteine an, mit denen sich z.B. Websites oder Online-Shops gestalten las-sen. Die Hosting-Angebote sind insgesamt differenziert und reichen von einfachen Lösungen zum Speichern von kleineren Websites bis hin zu komplexen Lösungen, mit denen Kunden Websites mit hohem Datenverkehr betreiben oder größere Datenmengen auf Servern ablegen können. Der Bereich Internet-Hosting umfasst zunehmend auch die Internet-basierte Auslagerung kompletter IT-Anwendungen (sog. Software as a Service, SaaS).

Über die genaue Abgrenzung des Marktes für Internet-Hosting hat die Beschlussabteilung nicht entscheiden müssen. Aus Kundensicht wäre denkbar gewesen, den Bereich Internet-Hosting in die Märkte für „Shared-Hosting“ und „Dedicated-Hosting“ zu unterteilen. Beim Shared-Hosting werden die Dienste vieler Kunden auf einem einzigen Rechner betrieben. Diese Dienste sind standar-disiert. Den Kunden stehen nur eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Beim Dedicated-Hosting wird die Anwendung jedes Kunden auf einem eigenen Rechner betrieben, so dass dem Kunden erheblich mehr Gestaltungs- und Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem entsprechend fragen Privatnutzer meist Shared-Angebote nach, während sich Dedicated-Angebote, die in der Regel wesentlich teurer sind, an professionelle Kunden richten. Ein gewisses Maß an Angebotssubstitution sprach jedoch dafür, beide Bereiche zusammen zu fassen. Denkbar wäre jedoch auch gewesen, SaaS-Produkte in den Markt einzubeziehen.

In räumlicher Hinsicht ist das Bundeskartellamt von mindestens deutschlandweiten Märkten ausgegangen, hat jedoch auch EU-weite Märkte für plausibel gehalten.

Strato und die DTAG erzielen auf dem deutschen Gesamtmarkt für Internet-Hosting nach dem Zusammenschluss einen gemeinsamen Marktanteil von knapp 30 Prozent und liegen damit hinter dem Marktführer 1&1. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man getrennte Märkte für Shared- und Dedicated-Hosting betrachtet. Bezieht man auch SaaS-Dienste in den Markt ein, so liegen die Marktanteile etwas niedriger. Insgesamt ist der Internet-Hosting-Markt geprägt durch eine Viel-zahl von Anbietern und vergleichsweise geringe Marktzutritts- und Expansionsschranken. Die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung war durch den Zusammenschluss deshalb nicht zu erwarten.

Auch für die Entstehung oder Verstärkung einer kollektiv marktbeherrschenden Stellung bestanden keine Anzeichen. Zwar erzielen Strato/DTAG und 1&1 je nach Marktabgrenzung gemeinsame Marktanteile zwischen 50 Prozent und 70 Prozent. Wichtige Strukturfaktoren erschweren jedoch eine Verhaltenskoordination. Die Marktzutritts- und Expansionsschranken sind gering. Hosting-Dienstleistungen sind vergleichsweise heterogene Produkte, die Markttransparenz ist dement-sprechend beschränkt. Durch den Zusammenschluss wurde eine strukturelle Verbindung zwischen 1&1 und Strato, die über die bisherige Strato-Muttergesellschaft Freenet AG bestand, aufgelöst. Zudem ist der Markt geprägt von einer dynamischen Entwicklung, die den Unternehmen künftige Gewinnchancen eröffnet und eine Koordination unprofitabel werden ließe.

Das Bundeskartellamt hat darüber hinaus geprüft, ob der Zusammenschluss konglomerate Wirkungen auf den Bereich breitbandiger Internetzugänge (DSL-Anschlüsse) hat, in dem die DTAG über eine starke Marktposition und möglicherweise eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Es ist vorgetragen worden, dass diese Position der DTAG gestärkt würde, indem sie nach dem Zu-sammenschluss in der Lage wäre, Internet-Hosting und DSL-Anschlüsse aus einer Hand anzubieten. Dies böte ihr im Wettbewerb um DSL-Kunden ein zusätzliches Differenzierungsmerkmal. Zudem könne sie nach dem Zusammenschluss bisherige Strato-Kunden als DSL-Kunden gewinnen.

Die Ermittlungen haben diese konglomeraten Wirkungen jedoch nicht bestätigt. Hosting-Produkte spielen bei der Auswahl des DSL-Anbieters derzeit nur eine äußerst geringe Rolle – selbst kostenlose Produkte werden nur von einer geringen Kundenzahl genutzt. Kombinierte Angebote stellen für einen Kunden deshalb keinen wesentlichen Vorteil gegenüber eigenständigen DSL-Produkten dar. Mögliche Vorteile durch kombinierte Angebote hätte die DTAG auch ohne den Zusammenschluss erzielen können, da sie bereits vor dem Zusammenschluss als Anbieter von Hosting-Diensten tätig war. Im Übrigen war nicht davon auszugehen, dass die DTAG durch den Zusammenschluss ein so wichtiges Kundenpotenzial erwirbt, das ihre Marktposition im DSL-Bereich maßgeblich stärkt. Wie die Ermittlungen gezeigt haben, sind die Strato-Kunden überwiegend technisch versierte, preissensible und somit wechselbereite Kunden, die sich für ein Bündelprodukt nur entscheiden, wenn es tatsächliche Vorteile gegenüber Wettbewerbsprodukten bietet. Nicht zuletzt wären Wettbewerber der DTAG im Bereich breitbandiger Internetzugänge in der Lage gewesen, durch das Angebot eigener Hosting-Dienste etwaigen Wettbewerbsvorteilen der DTAG entgegenzutreten.


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