23.08.2022 – Kategorie: Handel
Fachkräftemangel: Mit welchen Ansätzen sich dieser überwinden lässt
Von ausfallenden Flügen bis hin zu vormals unbekannten Wartezeiten im Dienstleistungssektor. Der Fachkräftemangel ist spätestens seit diesem Jahr für alle spürbar – auch im B2B-Bereich. Gastautor Andreas Reuter von SSI Schäfer Shop kommentiert, welchen langfristigen Ansätze gegen den Fachkräftemangel wirken.
Es erscheint kaum verwunderlich, dass man derzeit durch alle Branchen hinweg eine Vielzahl an Ansätzen diskutiert, wie man dem Mangel an qualifiziertem Personal begegnen kann. Während die einen flexible Arbeitszeitmodelle wie die Einführung der Vier-Tage-Woche vorschlagen, um den deutschen Arbeitsmarkt für Fachkräfte attraktiver zu gestalten, fordern Teile der Industrie und Vertreter der Politik, die Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden zu erhöhen. Tatsache ist, dass es keine universelle Lösung für alle Wirtschaftszweige und auch keinen Quick-Fix gibt. Die Thematik muss individuell betrachtet werden. Aber fest steht auch: Es gibt funktionierende Modelle, mit denen sich der Fachkräftemangel überwinden lässt. Unsere europäischen Nachbarn machen es vor.
42-Stunden-Woche ist keine Lösung für Fachkräftemangel
Das grundlegende Problem, die Abwanderung von Fachkräften und der Mangel an Ersatz, ist in Deutschland auch auf den demographischen Wandel zurückzuführen. Um den Wegfall der in Ruhestand gehenden Fachkräfte abzufedern, ist die Einführung der 42-Stunden-Woche aber keine finale Lösung. Schon jetzt machen Arbeitnehmer regelmäßig Überstunden. Die Überlastungserscheinungen treten in Form von ansteigenden Ausfallzeiten zutage. Eine nachhaltige Lösung für den Fachkräftemangel ist die schiere Mehrarbeit also nicht. Zumal nicht schwer abzusehen ist, dass vor diesem Hintergrund weitere Arbeitnehmer ihren Branchen den Rücken kehren werden. Stattdessen müssen Unternehmen und Staat alternative Anreize setzen, die das Problem langfristig an der Wurzel packen.
Schaffung von attraktiveren Arbeitsbedingungen
Der Arbeitsmarkt muss attraktivere Arbeitsbedingungen schaffen – der Staat währenddessen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen und die Migration von Fachkräften gewährleisten. Individuelle Lösungen und der Austausch mit den Mitarbeitenden sollten dabei für Unternehmen im Mittelpunkt stehen. Es ist essentiell, auf Arbeitnehmer und ihre Lebenssituation einzugehen. Wie können wir mehr Flexibilität schaffen? Kann beispielsweise durch Job-Sharing Arbeitszeit reduziert werden? Das hätte auch einen positiven Nebeneffekt auf die Sozialsysteme. Gleichzeitig ist klar, dass sich die oft geforderte Vier-Tage-Woche nicht in allen Branchen umsetzen lässt. Notwendige, erlernte und gewünschte Kundenbetreuung rund um die Uhr wie in der Logistik oder auch Tarifverträge können dabei Hindernisse darstellen.
Verkürzte Arbeitszeit kann Produktivität steigern
Arbeitgeber sollten sich in diesen Diskussionen offen zeigen und dürfen vor allem moderne und auf den ersten Blick unkonventionelle Ansätze nicht kategorisch ausschließen. So wurde mittlerweile empirisch belegt, dass die Produktivität durch eine verkürzte Arbeitszeit durchaus ansteigen kann. Das beweist: Wenn Mitarbeitende miteinbezogen werden und aktiv eine Lösung mitgestalten können, sind sie auch Willens, dem individuellen Arbeitszeitmodell zum Erfolg zu verhelfen. Ein flexibler Arbeitsort und eine qualitativ hochwertige Ausbildung mit der Chance auf Weiterbildungsmöglichkeiten können dabei einen zusätzlichen Beitrag leisten, als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.
Unabhängig vom gewählten Arbeitszeit-, Vergütungs- oder Work-Balance-Modell: Eine Anpassung der bisher eingesetzten Instrumente von Unternehmern ist überfällig. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt zeigt uns das überdeutlich. Eine Veränderung des Arbeitsmarkts ist durchaus denkbar: Europäische Nachbarn wie Spanien oder Island bieten bereits unterschiedliche, erprobte Arbeitszeitmodelle an. Deutschland kann und sollte hier nachziehen, um qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen und Fachkräfte zu halten. Dann begegnen wir dem Fachkräftemangel nachhaltig und im Sinne aller – auch ganz ohne Erhöhung der Arbeitszeit.
Über den Autor: Andreas Reuter ist seit 2012 CEO der SSI Schäfer Shop GmbH. Zuvor war er über zehn Jahre in verschiedenen Positionen bei der Staples Deutschland GmbH tätig, zuletzt als Geschäftsführer für das Multichannel-Unternehmen. SSI Schäfer Shop ist Komplettausstatter für Gewerbe- und Privatkunden im Bereich Büro-, Lager- und Betriebseinrichtungen. Nachhaltiges Wachstum, wertebasierte Zusammenarbeit und starke Kundenbindung sind die Erfolgsfaktoren des mittelständischen Familienunternehmen. (sg)
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