15.03.2021 – Kategorie: Marketing
First-Party-Tracking: Ist Google jetzt alternativloses Vorbild?
Google hat jetzt verkündigt, dass es ab dem Jahr 2022 keine Third-Party-Cookies mehr im Chrome-Browser unterstützen wird. Was jetzt kommt – darüber herrschen unterschiedliche Einschätzungen. Unternehmen tun jetzt gut daran, ihre First-Party-Datenstrategie zu überdenken. Ein Kommentar von Gastautor Michael Jungbluth von SAS.
Die Effizienz von Marketing beschäftigt die Experten schon seit einem Jahrhundert. Auch heute noch aktuell ist das berühmte Zitat von John Wanamaker (1838-1922): „Half the money I spend on advertising is wasted; the trouble is I don’t know which half.“ Die Welt hat sich seit dieser Aussage natürlich stark verändert, aber die große Frage, wie sich Investitionen ins Marketing, beispielsweise mittels First-Party-Tracking, sinnvoll einsetzen lassen, treibt Verantwortliche weiterhin um.
Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass in kurzer Zeit neue Touchpoints zum Kunden entstehen. Die Covid-19-Pandemie wirkt zudem als Katalysator von Innovationszyklen. Die Ausgaben für digitale Werbung steigen Jahr für Jahr signifikant und bereiten den Nährboden für ein Revival der Frage nach Marketing-Effizienz. Mit den neuen Touchpoints entstehen attraktive Geschäftsmodelle für den jeweiligen „Touchpoint-Owner“. Voraussetzung für Wertschöpfung ist jedoch oftmals der „gläserne Kunde“, dessen konkreter Bedarf offengelegt und – im zweiten Schritt – vermarktet werden soll.
Ineffizienzen im digitalen Marketing aufdecken
Derzeit sind zwei entscheidende Phänomene zu beobachten:
- Die Marketingforschung widmet sich umfassend den Ineffizienzen im digitalen Marketing und hebt den Forschungsbedarf hervor. Das Marketing Science Institute beispielsweise befragt alle zwei Jahre Marketingforscher weltweit und sieht „Inefficiencies in Digital Advertising Markets“ als eines der wichtigsten Themen.
- Seit diesem Monat wissen wir, dass mit Google ein weiterer großer Plattformanbieter – nach Apple – Customer Privacy in den Mittelpunkt seiner Maßnahmen stellen will. Ab 2022 soll auf individuelles Tracking verzichtet und Werbetreibenden sollen nur noch aggregierte Verhaltensinformationen zur Werbeaussteuerung zur Verfügung gestellt werden.
First-Party-Tracking: Targeting-Präzision und Customer Experience erhalten
Wie passen diese beiden Phänomene zusammen? Die großen Plattformanbieter erzielen mit Werbetreibenden hohe Umsätze. Mit den jüngsten Statements wird klar, dass für die Branche aggregierte, anonymisierte Informationen und im Kanal-gekapselte Logik (on-Device Processing) durchaus ausreichen. Hier sind keine Abstriche bei Targeting-Präzision und Customer Experience zugunsten des Datenschutzes erforderlich. Stattdessen klingt es nach einem Eingeständnis, dass bis dato zu granular Daten gesammelt wurden. Was heißt das aber für das One-to-One Marketing an diesen (neuen digitalen) Touchpoints? Soll die jahrzehntelang beschworene individuelle Customer Journey wieder zurück in die Kiste – und wir greifen wieder auf aggregierte Daten von Adressdienstleistern zurück?
Die Antwort lautet: nein! Unternehmen müssen sich wieder auf ihre First-Party-Kompetenzen berufen und selbstbestimmt mehr Kontrolle über Third-Party-Touchpoints ausüben. Ist ein Third-Party-Kanal hinsichtlich der Touchpoint-Ausgestaltung fremdbestimmt, auf Basis aggregierter Informationen personalisiert und im Hinblick auf die Werbeeffizienz unsicher, dann muss
- die Marketingentscheidung, ob Kunden dieser Kanal (ausgehend von der jeweiligen Position innerhalb der Customer Journey) nahegelegt wird, sinnvoll auf Basis von First-Party-Daten getroffen werden, und
- die Effizienz dieser Touchpoint-Entscheidungen ständig mit Testszenarien kontrolliert, attribuiert und optimiert werden.
First-Party-Tracking: Schwarz-Weiß-Malerei greift zu kurz
Unternehmen sind an erfolgreichen hochindividuellen Kundenbeziehungen interessiert. Werbetreibende und Intermediäre haben nicht notwendigerweise die gleichen Ziele. „Aggregation is good enough“ – als Nachricht, die Google aktuell in den Markt schreit, passt nicht in dieses über viele Jahre ausgeformte Bild des Relationship-Marketings. Eine Customer-Data-Plattform, die Informationen von First-Party-Tracking nutzt, hilft Unternehmen, Selbstbestimmtheit und wertvolles Marketingwissen über alle Touchpoints hinweg aufzubauen sowie individuelle Kundenbeziehungen besser übergreifend zu steuern.
Schwarz-Weiß-Malerei – im Sinne von Advertiser = Bad Cop, MarTech-Anbieter = Good Cop – ist nicht angebracht. Eine gezielte Touchpoint-Steuerung muss von einem First-Party-Tracking ausgehen, was der Kunde benötigt, und dann am potenziellen Wertbeitrag gemessen werden. Sind die First-Party-Daten nicht aussagekräftig genug, wie es in der Neukundenakquisition der Fall ist, so ist es sicherlich sinnvoll, die Ansprache für diesen Touchpoint auf aggregierte Daten hin auszurichten. Aber je besser Unternehmen ihre Kunden kennen, desto wichtiger ist, dass sie ihre Marketingeffizienz im Hinblick auf die Einzelperson kontrollieren und optimieren – eben mithilfe von First-Party-Tracking. Das wird auch in Zukunft Investitionen in den unternehmensinternen Aufbau von Kundenwissen und Entscheidungskompetenz rechtfertigen. (sg)
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Über den Autor: Dr. Michael Jungbluth verantwortet derzeit als Leiter der Customer Intelligence Practice bei SAS den Bereich Customer Experience Management in der DACH-Region. Seit über 15 Jahren ist er als Spezialist für analytisches CRM in den Branchen Handel und Finanzdienstleistungen beratend tätig. Jungbluth wechselte 2012 von der Bertelsmann SE zu SAS und verantwortet dort seitdem in Projektleitungs- und Management-Funktionen den Vertrieb und die Umsetzung von Customer-Intelligence- und Analytics-Projekten.
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