31.03.2022 – Kategorie: eCommerce

Globale Lieferketten: Bedroht sie jetzt auch noch der Lockdown in Shanghai?

Erst die Pandemie, dann die Ukraine-Krise und nun kann sich auch der Lockdown in Shanghai negativ auf globale Lieferketten auswirken. Wie wahrscheinlich ist eine zusätzliche Belastung?

In der 26 Millionen Metropole Shanghai herrscht Lockdown. Das Coronavirus hat Chinas größte Stadt fest im Griff. Doch die Auswirkungen könnten auch wir hier bald spüren. Was das bedeutet haben und die Ausgangsbeschränkungen in den vergangenen zwei Jahren deutlich gezeigt. Als Seehäfen und Flughäfen Coronabedingt geschlossen wurden, ging auf globalen Lieferwegen nicht mehr viel. Hersteller haben die Produktion teilweise oder komplett eingestellt. Ware wurde nicht mehr produziert, geschweige denn Fracht-Schiffe- und Flugzeuge abgefertigt. Die Auswirkungen kennen wir bereits: Herstellung und Lieferung von Waren verzögern sich gravierend, assemblierte Produkte können nicht mehr fertig gestellt werden.

Shanghai und Ukraine setzen globale Lieferketten unter Druck

Zusammen mit dem Krieg in der Ukraine könnte der Lockdown in Shanghai ein herber Rückschlag für Exporte aus China werden. Auswirkungen wären dann vor allem in der Computer-, Automobil- Medizinbranche aber auch bei Gebrauchsgütern wie etwa Möbeln zu spüren. Denn in diesen Segmenten ist es schwierig Alternativen zu beschaffen. Allein der Export von Computern erzielte 2021 einen Wert von 26,8 Milliarden USD. Damit machen sie 13 Prozent der gesamten chinesischen Computerausfuhr aus. Bei Mikrochips und Leiterplatten liegt der Anteil bei 17 Prozent mit einem Wert von 26,2 Milliarden USD.

Worst Case noch nicht eingetreten

Bleibt zu hoffen, dass die Lockdown-Regeln flexibel genug sind und die Warenbestände in den Lagern für eine kurzfristige Unterbrechung ausreichend sind. Sollte das nicht der Fall sein, drohen Unterbrechungen der globalen Lieferkette wie:

  • Deutlich reduzierte Produktionskapazitäten in Shanghai und der Region
  • Eingeschränkte regionale Frachttransporte, vor allem Lkw-Transporte
  • Globale Lieferketten droht Unterbrechung, wenn Haupt- oder Flughafen geschlossen werden müssten.

Bisher ist diese Situation noch nicht eingetreten, wie Wirtschaftsökonom Chris Rogers, tätig für Spediteur Flexport erklärt. So konnte offiziellen Angaben zufolge in den vergangenen 12 Monaten bis zum 28. Februar 2022 in Shanghai 47,7 Millionen TEU (Twenty-Foot Equivalent Unit, also 20-Fuß-Standardcontainer) durch Containerfracht umgeschlagen werden. Im Vergleich zum Kalenderjahr 2019 entspricht das einem Anstieg von 10 Prozent.

Auswirkungen durch Rückgang der Konsumgüternachfrage

Wirtschaftsökonom Chris Rogers hat sich in einer aktuellen Analyse mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich ein Rückgang der Konsumgüter-Nachfrage auf Vor-Pandemie-Niveau auf die Logistik-Situation auswirken würde. Zu spüren ist zwar noch nichts. Doch ausschließen will Rogers eine Rückkehr zum Vor-Pandemie-Niveau nicht. Das würde vor allem Ausgaben, Lagerbestände und das Handelsniveau bei langlebigen Konsumgütern betreffen.

Globale Lieferketten – aktuelle Situation:

  • US-Seeimporte stiegen von Dezember 2021 bis Februar 2022 in den zehn wichtigsten Häfen um 25 Prozent im Vergleich zu 2020. Verglichen mit dem gleichen Zeitraum 2019 und 2020, also unmittelbar vor dem Corona-Ausbruch, entspricht das einem Plus von 13 Prozent. Würden die Einfuhren auf das Niveau von 2019 zurückfallen, entspräche das einem Rückgang von 8 Prozent des Gesamtvolumens bei Möbeln, Haushaltsgeräten und Freizeitgütern auf den TPEB-Verkehrswegen (Trans Pacific East Bound).
  • Auch die Zahlen des Ocean Timelines Indicator (OTI), die Flexport erhebt, deuten noch nicht auf eine veränderte Nachfrage hin. Die Containertransitzeiten auf der Far East West Bound-Route (FEWB) liegen mit 114 Tagen unverändert hoch. Auf der Trans Pacific East Bound-Route liegen sie bei 111 Tagen – der höchste Stand seit dem 6. Februar. Der Grund dafür sind die enorm gestiegenen Abfertigungszeiten in Asien, als Auswirkung der momentanen Corona-Lage in China.
  • Der Air Timeliness Indicator (ATI) von Flexport misst die Pünktlichkeit, bei der Beförderung von Luftfracht. Seit neuen Wochen steigt der Wert zum ersten Mal wieder an – auf 9,8 Tage in den vergangenen vier Wochen. Auf der TPEB-Route dagegen sanken die Transitzeiten auf 11,5 Tage um 0,3 Tage im Vergleich zur Vorwoche. Das könnte auf saisonale Effekte hinweisen. Auf beiden Strecken jedoch verschlechterte sich die „Konsolidierung bis zum Abflug“ leicht.

Rogers geht davon aus, dass es sich dabei um das Wiederaufleben von Covid 19 und den damit verbundenen Sperrungen in China handelt. Auf der FEWB-Route dagegen steigen die Zeiten zwischen Abflug- und Zielort, inklusive der Flugzeiten. Möglicherweise könnten sich erstmalig die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs bemerkbar machen, wie der Wirtschaftsökonom schätzt.

Hilft alternative Beschaffung?

Sind globale Lieferketten gestört, können Alternativen sinnvoll sein. Doch bei den exportierten Produkten aus Shanghai würde sich das laut Flexport als unpraktisch erweisen. Bei Medizinprodukten sind Zulassungsbedingungen in den Verwendungsländern meist streng. Zudem lassen sie sich kaum innerhalb eines kurzen Zeitfensters ändern. Auch Automobilkomponenten werden Fahrzeugspezifisch gefertigt und sind nicht einfach austauschbar. Und bei Technologie-Produkten wie etwa Computern sind die Lieferketten regional integriert. Dadurch ist ein kurzfristiger Wechsel zwischen den Standorten kaum möglich.
Bleibt also zu hoffen, dass die Covid-19-Situation nicht weiter eskaliert und die Lagerbestände ausreichen, um eine kurze Unterbrechung der globalen Lieferketten aufzufangen.

Christiane Manow-Le Ruyet

Aufmacherbild: Kalyakan/Adobe Stock

Die aktuelle Ausgabe des e-commerce magazins


Teilen Sie die Meldung „Globale Lieferketten: Bedroht sie jetzt auch noch der Lockdown in Shanghai?“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top