27.08.2019 – Kategorie: eCommerce
Handelsplattformen: Mit der richtigen Strategie zum Erfolg
Es vergeht keine Woche, in der nicht von einem Händler verkündet wird, dass er sich zur Plattform wandelt. Die neu entstandenen Handelsplattformen bergen großes Umsatzpotential für kleinere und mittlere Marken und Händler, wenn sie die Komplexität der damit verbundenen logistischen Anforderungen beherrschen.
Die Evolution des E-Commerce schreitet stetig voran und einer der Trends scheint ungebrochen: Händler wandeln sich zu Handelsplattformen. Douglas, Engelhorn oder das KaDeWe – der Wandel zum Marktplatz ist für viele Händler der heilige Gral. Selbst der Branchen-Primus Amazon generiert rund 60 Prozent des Handelsumsatzes auf dem Marktplatz. Wer als Marke eine Wachstumsstrategie verfolgt und den gesamten Markt erreichen will, der kommt um das Plattformgeschäft kaum herum. Denn Amazon, About You, Ebay, Otto, Zalando & Co. bieten neue Möglichkeiten, als Marke unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen.
Handelsplattformen: Amazon Marktplatz als Sprungbrett nutzen
Das bevorzugte Sprungbrett ins Plattformgeschäft ist für viele Marken und Händler der Amazon Marktplatz. Amazon verfügt über eine massive Reichweite. Marken und Händlern bieten sich vielfältige Chancen, interessante Zielgruppen anzusprechen, und zudem hat es Amazon in den vergangenen Jahren geschafft, die Kauffrequenz der Kunden stetig zu steigern. Daneben bietet der US-Handelsriese vielfältige Plattformservices, sodass Artikel schnell und effizient präsentiert, verkauft, fakturiert, geliefert und ggf. rückabgewickelt werden können. Der eigene Online-Shop wird zum “Fixstern” der Marke und Amazon fungiert als potenter “Reichweitengenerator”.
Auf Dauer ist es sinnvoll, nicht nur auf einer Plattform präsent zu sein, sondern eine Multi-Plattform-Strategie zu entwickeln. Jede Handelsplattform bietet den Zugang zu einer eigenen, der Plattform gegenüber loyalen Kundengruppe, die sich mit der Kundengruppe anderer Anbieter nicht überschneiden muss. Wer den gesamten Markt erreichen will, muss sein Geschäft auf weitere Plattformen ausweiten. Doch mit zunehmendem Umsatzerfolg der Marke auf einer Plattform steigt naturgemäß die Abhängigkeit der Marke von diesem Vertriebskanal. Um sich nicht von einzelnen Plattformen abhängig zu machen, sollte die Absatzplanung auf mehreren Handelsplattformen und dem eigenen Online-Shop basieren.
Handelsplattformen bieten zusätzliche Services
Händler, die eine erfolgreiche Multi-Plattform-Strategie umsetzen, können nicht nur von der hohen Reichweite, sondern auch von Services der Handelsplattformen in den Bereichen Werbung, Logistik und Kundenbetreuung profitieren. So bieten About You und Westwing ihre professionellen Foto- und Filmproduktionsfähigkeiten immer mehr Marken an. Damit erhalten Marken Zugang zu Know-how, das sie sich nicht ohne weiteres selbst aufbauen könnten. Die Plattformbetreiber nutzen das Material, um ihre Kunden mit vielfältigem Content und Style-Vorschlägen zu inspirieren, zu beraten und sie zum Online-Bummel einzuladen. Dafür dürfen Marken das Material auch außerhalb der Plattform zur Kommunikation mit ihren Kunden nutzen.
Handelsplattformen: Basis für eine loyale Kundenstruktur
Die enorme Kundenanzahl ermöglicht es den Betreibern von Handelsplattformen, große Datenmengen zu erheben. Anhand dieser Daten können Plattformen Kaufgewohnheiten der Kunden analysieren und daran ihre zukünftigen Aktivitäten ausrichten. Dies gilt unter anderem für das Ausspielen von Werbung und die Sortiments- und Preisgestaltung. Plattformen sind sehr erfolgreich darin, sich eng an ihren Kunden zu orientieren und das sorgt für eine loyale, wiederkehrende Kundschaft, von der auch die Marken profitieren.
Hier zeigt sich eine Schattenseite des Plattformgeschäfts: Marken und Händler dürfen die gesammelten Daten in aller Regel nicht selbst nutzen und von den Erkenntnissen profitieren. Die Datenhoheit verbleibt bei der Plattform. Marken bleibt oftmals lediglich die Möglichkeit, bestimmte Daten käuflich zu erwerben und dies erhöht das Abhängigkeitsniveau der Marke von der Plattform.
Handelsplattformen erhöhen Komplexität
Je mehr Kanäle eine Marke bespielt, desto größer ist der operative Komplexitätsgrad. Die Umsetzung der Multi-Plattform-Strategie bringt wachsende Herausforderungen in der Sicherstellung der nachgelagerten Prozesse mit sich. So formuliert jede Plattform eigene Anforderungen, beispielsweise in Bezug auf Schnittstellen, Carrier, Pflichtbeilagen in Paketen, Verpackung, Versand und Retouren. Besonders für die Logistik ergeben sich hieraus diverse Herausforderungen. Externe Dienstleister können dabei helfen, diese Komplexität zu reduzieren. Denn oft arbeiten diese tagtäglich für ihre Kunden mit unterschiedlichsten Plattformen zusammen und haben bereits Prozesse für die jeweiligen Anforderungen entwickelt.
Diese Bestandteile einer Plattformstrategie sollten Händler kennen:
- Markplatzsysteme: Von der Seller Central bei Amazon bis zum Verkäuferportal von Ebay: Jede Plattform kommt mit ihrem eigenen System daher. Für das Management der Marktplatzsysteme mit unterschiedlichen APIs, Back- und Front-Ends benötigt es IT-Kompetenz.
- Service-Level-Agreements (SLAs): Wie schnell müssen Prime-Zustellungen ausgeliefert werden, gibt es zwingende Vorgaben bezüglich der Wahl des Paketdienstes und welche Begleitdokumente (Lieferschein, Rechnung) müssen den Sendungen beigelegt werden? Bezüglich der Versandlogistik gilt es je nach Plattform unterschiedliche SLAs zu erfüllen.
- Artikelstammdaten: Entsprechend der Anforderungen an die Produktbeschreibungen und -texte müssen die Artikelstammdaten plattformspezifisch aufbereitet werden. Faktoren sind hierbei zum Beispiel SEO-Gesichtspunkte und Mehrsprachigkeit. Zusätzlich gilt es die Bestimmungen zum Mapping und dem Überführen von Daten (kanalspezifische Bestimmungen zu Produktinformationen, Attributen oder Varianten) zu erfüllen.
- Zielgruppe und Pricing: Unterschiedliche Plattformen sprechen unterschiedliche Märkte und Zielgruppen an. Daher gilt es nicht nur das Sortiment, sondern auch die Preise entsprechend der Segmente von niedrigpreisig bis Premium anzupassen.
- Bestandsführung: Für eine saubere Bestandsführung bei schnell skalierenden Umsätzen auf mehreren Vertriebskanälen ist es notwendig, ausreichend Bestände pro Kanal zu blocken, sodass keine Überverkäufe entstehen.
- Retouren: Eine besondere Herausforderung für die Logistik sind Retouren, denn jede Plattform hat hier andere Vorgänge. Diese betreffen die Gutschriften, Anforderungen an Prozesse der Retourenverarbeitung und die Distribution des Retourenlabels (Retourenlabel ins Paket oder Zustellung via Mail etc.)
Handelsplattformen: Das Beste aus beiden Welten
Sollten Marken zu hundert Prozent auf den Vertrieb über Online-Marktplätze setzen? Nein. Plattformen bieten Marken, die die damit verbundenen Herausforderungen beherrschen, zwar riesige Chancen. Vor dem Hintergrund möglicher Abhängigkeiten von Handelsplattformen bleibt jedoch der Vertrieb über einen eigenen Online-Shop essenziell. Dieser bietet nicht nur eine maximale Unabhängigkeit von Strategien und Maßnahmen der Plattformen, sondern ermöglicht den Marken und Händlern zudem eine spezifische Ausrichtung an den Kundenanforderungen durch den direkten Kundenkontakt.
Eine eigenständige Präsenz ermöglicht es Marken, Assets im Sinne direkter Kundenzugänge aufzubauen, Kundenerfahrungen besser zu steuern und auf diese Weise eine langfristige Markenführung sicherzustellen. Mit einer umfassenden Multi-Online-Channel-Strategie kann eine Marke langfristig weiterentwickelt werden. Gleichzeitig profitiert sie von den (kurzfristigen) Reichweitepotentialen der Plattformen, ohne sich dabei in eine zu starke Abhängigkeit zu begeben. (sg)
Über den Autor: Christian Athen ist Geschäftsführer des Logistik-Startups odc (ondemandcommerce.com), das im Corporate Company Builder der Otto Group Digital Solutions entstanden ist. odc ist ein Full-Service-Fulfillment- und Retouren-Dienstleister für E-Commerce-Marken und Händler, der eine Cloud-Fulfillment-Plattform mit physischer Lager- und Versandlogistik kombiniert. Mit der Hilfe von odc können sich Marken und Händler auf ihre Kernprozesse fokussieren und dynamisch wachsen.
Lesen Sie zur Plattformstrategie auch:Plattformökonomie: Chancen und Risiken für den Handel
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