02.03.2010 – Kategorie: Fertigung, IT, Management, Marketing, eCommerce
Individuelle Kundenbewertungen für Online-Anbieter
Durch Bewertungen entstehen im Online-Handel unbestreitbare Mehrwerte sowohl für die Online-Anbieter als auch für Online-Kunden. Allerdings existieren auch Probleme und Risiken, die häufig auf die Formulierung von sehr allgemeingültigen Bewertungskriterien zurückzuführen sind. Im Beitrag wird gezeigt, wie Online-Anbieter diesen Problemen und Risiken durch ein individuelles Bewertungskonzept in Eigeninitiative begegnen können.
Der Ansatz des individuellen Bewertungskonzepts
Der Ansatz, Bewertungen im Internet über ein Online-Formular entgegenzunehmen und anschließend zu veröffentlichen, ist bereits weit verbreitet und quasi nicht mehr aus dem E-Commerce-Alltag wegzudenken. So existieren bereits unzählige Portale und Systeme zu den unterschiedlichsten Themen, wie beispielsweise zum Vergleich von Online-Shops, Hotels, Produkten oder Dienstleistungen (z.B. bei Ebay, Amazon, HRS, etc.). Ebenfalls können Bewertungssysteme auch direkt in Online-Shops integriert werden.
Im Gegensatz zu standardisierten Online-Bewertungssystemen mit standardisierten Bewertungsfragen ist ebenfalls die Umsetzung eines individuellen Bewertungskonzepts möglich. Dabei steht das Ziel zum direkten Vergleich von Online-Anbietern (Unternehmen, Online-Shops, Hotels usw.) nicht unmittelbar im Vordergrund. Ein individuelles Bewertungskonzept zielt darauf ab zu zeigen, welche besonderen Merkmale ein Unternehmen besitzt. Über die Darstellung dieser Merkmale wird implizit bzw. indirekt gezeigt, warum sich ein Unternehmen von anderen unterscheidet.
Wahrnehmung der individuellen Merkmale eines Unternehmens
Ausgehend davon, dass sich die Wahrnehmung eines Unternehmens direkt auf die Wahrnehmung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen auswirkt, erscheint es nur logisch, dass eine Unternehmensdarstellung charakteristische Elemente beinhalten sollte, die sich auf das eigene Angebotssortiment und die eigenen Dienstleistungsqualitäten beziehen. So ist es z.B. vorstellbar, dass ein Online-Anbieter von „Möbeln nach Wunsch“ neben allgemeinen Angaben zur Lieferzeit auch Angaben zur Fertigungsqualität seiner Produkte präsentieren sollte, die ein anderer Online-Anbieter von Standard-Elektronik-Artikeln, wie z.B. Digitalkameras, nicht benötigt. Hier wären möglicherweise Informationen zur Beratungskompetenz sinnvoll.
Spezialisierung zur Differenzierung vom Wettbewerb
Da die Abläufe (Prozesse) innerhalb eines Unternehmens grundsätzlich den Charakter bzw. das Verhalten eines Unternehmens festlegen, definieren diese Prozesse auch die Unterschiede zu anderen Unternehmen. Der Kunde stellt sich teilweise bewusst aber sehr häufig auch unbewusst Fragen, die sich auf diese Prozesse beziehen. Beispielsweise könnte ein Online-Shop zur Differenzierung von Wettbewerbern eine ausführliche Beratung per Email oder per Telefon im Vorfeld der Bestellung anbieten, die im Umfeld von Online-Shops aus Sicht eines Kunden als bisher eher ungewöhnlich eingestuft wird. Sicher wird aufgrund der Unbekanntheit solcher Zusatzdienstleitungen weder die Verfügbarkeit einer Beratung wahrgenommen noch wird ein hoher Nutzen hinter einer solchen Beratung vermutet, da sicher jeder Anbieter sehr einfach von sich behaupten kann, dass eine sehr gute, hilfreiche und ehrliche Beratung angeboten wird.
Jedoch sind solche Zusatzdienstleistungen gerade für kleine aber auch für mittelständische Unternehmen sehr typisch und häufig die einzige Möglichkeit zur Differenzierung von großen Mitbewerbern. Die Kundenberatung ist hier nur ein einfaches Beispiel für Zusatzdienstleistungen. Weiterhin ist auch das Angebot spezialisierter Produkte, Produktausprägungen, Produktkombinationen oder spezialisierter Dienstleistungen ein häufig eingesetztes Mittel zur Differenzierung von Wettbewerbern.
Beantwortung von individuellen Fragen zur Lösung von Blockaden
Ausgehend davon, dass der Online-Anbieter die typischen Fragestellungen seiner Kunden (Zielgruppe) kennt, die die Entscheidung zur Kooperation (Kauf, Buchung) beeinflussen, sollten diese Fragen im Rahmen der Unternehmens- und Produktpräsentation adäquat beantwortet und somit zur Steigerung der Verkäufe genutzt werden. Je nach Angebotssortiment und Arbeitsweise des Unternehmens unterscheiden sich die Fragen der Kunden, die es durch ein individuelles Bewertungskonzept zu beantworten gilt.
Die Beantwortung der Fragen erfolgt dabei durch andere Kunden mit Kauferfahrung, denen diese Fragen explizit gestellt werden. Um diese Fragen in Form von Bewertungskriterien bei der Umsetzung eines individuellen Bewertungskonzepts zu verarbeiten, ist die Nutzung eines individuellen Bewertungssystems als Werkzeug erforderlich, das die Bewertung nach selbst-erstellten Kriterien erlaubt. Für die Darstellung der Vertrauenswürdigkeit bzw. der Echtheit der Bewertungen gelten die gleichen Anforderungen wie für konventionelle Standard-Bewertungssysteme. Somit wirkt auch hier die externe Verwaltung von Bewertungen durch einen vertrauenswürdigen Dritten zielfördernd.
Sichtbarkeit der Kundenorientierung als Effekt der Eigeninitiative
Neben den Unterschieden bzgl. der Bewertungskriterien gibt es weitere Unterschiede, die ein individuelles Bewertungskonzept charakterisieren. So erzeugt auch die Eigeninitiative, die hinter der Entwicklung und Umsetzung eines individuellen Bewertungskonzepts steht, einen positiven Effekt aus Kundensicht. Im Gegensatz zum einfachen „Mitmachen“ bei einem Standard-Bewertungssystem sind zur Umsetzung eines individuellen Ansatzes einige Über¬legungen zu treffen und Anstrengungen zu tätigen, die insbesondere die Festlegung strategischer Alleinstellungsmerkmale und darauf aufbauend die Erarbeitung von Bewertungskriterien betreffen.
Allerdings werden dadurch die bewusste Differenzierung vom Wettbewerb, die Kundenorientierung und das Interesse an der Kundenzufriedenheit als klare Botschaften kommuniziert. Kundenloyalität und Kundenzufriedenheit sind aufgrund der Umsetzung eines Bewertungskonzepts in Eigeninitiative für das Unternehmen offensichtlich besonders wichtig, da hier aus Kundensicht nicht von einer „Pflichtübung“ sondern eher von der „Kür“ zu sprechen ist.
Die Komplexität von abstrakten Bewertungskriterien
Bei Online-Shops werden i.d.R. die Standard-Kriterien „Gestaltung der Internetseite“, „Lieferung“, „Qualität der Ware“ und „Kundenservice“ abgefragt. Teilweise wird der Kunde auch lediglich nach der „Gesamtzufriedenheit“ befragt. Aufgrund der allgemeinen Formulierung der Fragestellungen entsteht jedoch ein großer Interpretationsspielraum. Bei der Frage nach der „Ware“ oder bei einer Fragestellung wie „Bitte bewerten Sie die Ware und vergeben Sie Sterne von 1 bis 5“, kann der Bewertende eine subjektive Gewichtung von zu berücksichtigenden Teilaspekten wie z.B. „Adäquatheit der Beschreibung“, „Preis/Leistungsverhältnis“, „Nützlichkeit“, „Zustand“, „Bedienerfreundlichkeit“ oder sogar untypische Betrachtungen zum „Gewichts/Leistungsverhältnis“ oder zur „Eignung für Extremsituationen“ vornehmen und daraus eine Entscheidung herbeiführen.
Je nach dem, ob der Bewertende beispielsweise ein Experte ist oder nicht, können an dieser Stelle unterschiedliche Gewichtungen der Teilaspekte und letztendlich Entscheidungen entstehen. Zusätzlich versucht sich der Bewertende häufig noch vorzustellen, welche Teilaspekte für den Leser seiner Bewertung besonders wichtig sein könnten und nimmt deshalb eine Gewichtung von Teilaspekten auf dieser Ebene vor. Weiterhin ist auch häufig aus Sicht eines Bewertenden eine eigene Vorstellung bzgl. des Aufwands zur Erreichung bestimmter Eigenschaften, wie z.B. zur „Problemlosen Behandlung von Reklamationen“, zur „Prompten Beantwortung von Fragen“ oder zur „Ständigen Erreichbarkeit per Telefon“ vorhanden.
Gleichzeitig kann der bewertende Kunde auch versuchen, sich aus seiner Sicht vorzustellen, welchen Nutzen bestimmte Merkmale für die allgemeine Kundengemeinde insgesamt hätten, d.h. wie wichtig diese Teilaspekte für die Allgemeinheit wären. Die Komplexität, die sich hinter einem allgemeinen bzw. abstrakten Bewertungskriterium verbirgt, führt häufig zum Problem der Überbeanspruchung des Bewertenden, was wiederum entweder extrem subjektive Einschätzungen einfache und schlichte Pauschalbewertungen nach sich zieht.
Letztendlich führen abstrakte Bewertungskriterien dazu, dass der Nutzen zur Kooperation mit dem Anbieter eines Standard-Bewertungssystems nicht im Verhältnis zum Aufwand und zum Risiko steht und deshalb für viele Online-Anbieter keine Option darstellt. Die Gefahr, dass der Online-Anbieter auf den Kunden in Gestalt des „Oberlehrers“ trifft, der eine abstrakte Fragestellung zur Belehrung mit extrem subjektiven Einflüssen nutzt, erscheint außerdem schlicht zu hoch.
Entkräftung der Risiken von Kundenbewertungen für Online-Anbieter
Bewertungskriterien, die sehr allgemein formuliert sind, führen zu unerwünschten subjektiven Einschätzungen und Ergebnissen. Dies wiederum stützt die Aussage, dass die Nutzung eines Bewertungssystems, das auf solchen Fragestellungen aufbaut, für einen Online-Anbieter nicht in Frage kommt. Sicherlich ist jede Kundenbewertung als „subjektiv“ zu bezeichnen, da der Inhalt einer Bewertung immer abhängig vom Kunden als Beobachter ist. Allerdings kann die Subjektivität durch eine Benennung konkreter zu bewertender (beobachtender) Teil-Eigenschaften abgeschwächt werden.
Beispiele für individuelle Kriterien
Bezogen auf das Beispiel des fiktiven Online-Anbieters von „Möbeln nach Wunsch“ wären folgende Fragen vorstellbar, wenn der Kunde an einem Massivholztisch interessiert ist:
-Wie präzise wird der Anbieter bei der Fertigung auf die Absprachen eingehen?
-Wird der Anbieter meine Wünsche ernst nehmen oder wird er später pauschal behaupten, dass alles so abgesprochen war?
Beispiele für individuelle Bewertungskriterien zum vorangegangenen Beispiel wären dann die folgenden:
1.Präzision der Fertigung
-Wertebereich: („sehr präzise“, „wie abgesprochen“, „fehlerfrei“, „kleine Abweichungen“, „unpräzise“)
2.Verlässlichkeit bei Ansprachen
-Wertebereich: („sehr zuverlässig“, „keine Probleme“, „unzuverlässig“)
Angenommen, die Kunden eines Online-Anbieters würden zum hier vorgeschlagenen Bewertungskriterium „Präzision der Fertigung“ folgende Antworten geben:
Präzision der Fertigung (50 Kundenbewertungen):
76 Prozent sehr präzise (38 Kunden)
12 Prozent wie abgesprochen (6 Kunden)
8 Prozent fehlerfrei (4 Kunden)
2 Prozent kleine Abweichungen (1 Kunde)
2 Prozent unpräzise (1 Kunde)
Bei einer solchen Bewertung wird das Alleinstellungsmerkmal einer „präzisen Fertigung“ explizit kommuniziert. Bei einer Veröffentlichung dieser Bewertungsergebnisse direkt auf der Webseite des Online-Anbieters werden die zuvor identifizierten Fragestellungen des Kunden direkt beantwortet und mit den Aussagen bisheriger Kunden untermauert.
Fazit
Online-Bewertungen sind auf dem Weg, sich zu einem der wichtigsten Bestandteile von internetbasierten Vertriebskonzepten zu entwickeln. Beim Umgang mit Bewertungssystemen ergeben sich jedoch allgemeine Probleme, die aus individueller Sicht und gerade aus Sicht von Online-Verkäufern völlig gegen die Kooperation mit einem Bewertungssystemanbieter oder die Integration eines Bewertungssystems auf der eigenen Vertriebswebsite sprechen. Viele dieser Probleme sind auf die Kriterien zurückzuführen, die als Grundlage zur Bewertung dienen. Ungewollte Verfälschungen lassen sich jedoch durch individuelle Bewertungsfragen abschwächen bzw. verhindern.
(Autor: Dr. Nico Brehm ist Mitgründer von RepuGraph.com mit Sitz in Nordhausen/Thüringen. Neben seiner Haupttätigkeit als einer der Geschäftsführer von RepuGraph.com arbeitet er derzeit auch als Dozent zu verschiedenen E-Business- und E-Commerce-Themen. Im Rahmen seiner Forschungsarbeiten entwickelte er ein Konzept zur Konstruktion von ERP-Systemen aus vertrauenswürdigen Software-Komponenten (Web Services) unabhängiger Markt-Teilnehmer unter Berücksichtigung eines Bewertungssystems. Die Forschungsergebnisse wurden mit dem individuellen Bewertungssystem „RepuGraph“ (www.repugraph.com auch für Online-Shops bzw. Unternehmen mit einer Vertriebswebsite praktisch nutzbar gemacht.
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