16.09.2021 – Kategorie: Handel
Innenstädte beleben: Das können sich Händler vom E-Commerce abgucken
„Start with the Customer and work backwards” gilt als Erfolgsrezept von Apple, mit einer starken Pressemitteilung anzufangen als Lackmus-Test jeglicher Produktidee bei Amazon. Beide Ansätze stellen das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt. Warum fällt es den deutschen Kommunen so schwer, Innenstädte genauso zu modernisieren? Wie kann Handel nicht gegen, sondern mit E-Commerce als Teil einer lebendigen Innenstadt gedacht werden?
Der Onlinehandel hat mit Google gelernt, in Customer Journeys zu denken. Wie im E-Commerce, sollten auch Städte auf Kunden schauen. Die Innenstadt kann ihnen Mehrwerte bieten. Dafür muss das Kauferlebnis im Kontext des Gesamtangebotes einer Innenstadt inszeniert werden. Vor allem aber im Kontext des modernen Kaufprozesses, der zunehmend digital startet. Das physische Produkt allein reicht zur Positionierung nicht mehr aus – entscheidend ist die Perspektive. Warum lohnt es sich für Kunden, physisch Händlern, Verkäufern und Partnern zu begegnen?
Innenstädte erfolgreich beleben – Ein Beispiel aus der Praxis
Ein Beispiel dafür ist Keller-Sports aus München. Der Laden lässt sich so flexibel umdekorieren, dass Kunden auf der kleinen Fläche neu inspiriert werden. Dass sie überhaupt kommen, liegt an der zusätzlichen Funktion des Ladens: als Ausgangspunkt für urbane Sport-Aktivitäten (samt Abschlussbox für die Wertsachen und Kleidung) direkt an der Isar.
Innenstadt kann der Ort sein, an dem digitale und physische Beratung verschmelzen, wie es Fahrradhändler Rose oder Brillenhändler Mister Spex vormachen. In den Fokus rückt so die im Produktpreis enthaltene, aber nie wirklich gewürdigte Beratungskompetenz der Verkäufer. Soziale Vernetzung am POS, wie Bonprix im Hamburger Store zeigt, verknüpft Stilberatung mit dem Servicegrad einer auf hohen Durchsatz ausgerichteten Logistik. Da wird selbst die Anprobe zum Erlebnis. Und die Bezahlung ist so einfach wie ein Klick auf den Bestellbutton.
Onlinehandel vs. Stationärer Handel
Die Konkurrenz zwischen Onlinehandel und stationären Geschäften ist kein Schicksal – wie häufig behauptet wird. Der Einzelhändler kann lokale Nähe digital verlängern und somit viel mehr Kunden ansprechen als nur die im Geschäft. Sind die Sortimente digitalisiert, lässt sich der Beratungsservice, durch etwa Online-Chats, auch virtuell ausbauen. Möbelhändler Cairo zeigt beispielsweise, welche Produkte in der Ausstellung oder für die schnelle Mitnahme bereitstehen. Vor dem Besuch des stationären Designstores ist ein virtueller Rundgang mit integrierter Shopping-Funktion zudem möglich.
Bleibt nur noch, dem Einzelhändler eine der letzten Bürden zu nehmen: die Abhängigkeit von Öffnungszeiten. Was nützt es dem pendelnden Kunden, wenn er unter der Woche stets zu spät kommt und am Wochenende seine wertvolle Zeit für logistische Zwecke vergeuden muss? Das kann E-Commerce viel einfacher regeln – vorausgesetzt, die Kommunen stellen auch den lokalen Händlern Übergabestationen zur Verfügung, die nicht nur den Paketdiensten vorbehalten sind.
Innenstädte beleben – Ein kurzer Ausblick
Je einfacher es Kommunen Einwohnern machen, die Stadt im eigenen Takt und Rhythmus zu erfahren, von Bürgerdiensten über Gesundheitsleistungen bis zu Kultur und Genuss, desto eher werden diese Möglichkeiten verzahnen. Kluge Politik setzt auf E-Commerce und Digitalisierung – um so den Wert der Begegnung als Kern von Bürgerschaft und Gemeinsinn zu stärken.
Lesen Sie auch: Stationärer Handel – Wie Innenstädte wieder an Attraktivität gewinnen.
Der Autor: Gero Furchheim arbeitet als Vorstandsmitglied der Cairo AG und ist seit 2014 als Präsident des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel e.V. (bevh) tätig.
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