10.07.2013 – Kategorie: Handel, IT, Marketing, eCommerce

Interaktive Displays statt statischer Schaufenster

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Man stelle sich vor, abends das Büro zu verlassen, um schnell noch einkaufen zu gehen. Das Letzte, das man jetzt gebrauchen kann, ist ein überfüllter Supermarkt inklusive langer Schlangen vor der Kasse. Besser wäre es doch, in ein Geschäft zu gehen und dort anstelle der üblichen Regale interaktive Displays vorzufinden.

Damit ließe sich einfach der Barcode unter den Produkten scannen und man könnte die Daten mit einer entsprechenden App an ein Warenlager weiterleiten. Statt an der Kasse wartet der Einkäufer lediglich auf Bus oder U-Bahn, während sein Einkauf im Warenlager verpackt und zu einem gewünschten Zeitraum nach Hause geliefert wird. Man bezahlt nur noch, freut sich über die rasche Abwicklung und weint den klassischen Regalen keine Sekunde nach.

Smartphone statt Einkaufswagen

Das ist keineswegs nur Utopie. In Südkorea kaufen Kunden bereits seit Sommer 2011 per Smartphone ein. Der Einkauf läuft dabei genauso ab wie oben beschrieben. Dank des Homeplus Smart Virtual Store (http://www.youtube.com/watch?&v=nJVoYsBym88) stieg dessen Mutterkonzern, die britische Supermarktkette Tesco, zur Nummer eins in Südkoreas Online-Shopping und zur Nummer zwei bei den Offline-Shops auf. Nur Branchenriese E-Mart liegt aufgrund zahlreicherer Filialen noch auf Platz eins. Geschäfte im klassischen Sinne mit Waren vor Ort sind somit nicht mehr zwingend nötig. Der Vorteil: Regaldisplays sparen Platz und so kann der Supermarkt auch in hochfrequentierte Plätze wie U-Bahnen oder Bahnhöfe verlegt werden.

Das Display als Berater

Das Startup Perch Interactive entwickelt Displays, die beim Hochheben der Ware Informationen anzeigen (http://www.youtube.com/watch?&v=fJG16mqd9OI).  Während man also den neuen Schuh begutachtet, informiert man sich am Display über verfügbare Größen, Farben und Materialien. Das Einkaufserlebnis wird damit sinnvoll um Social Media erweitert.

Perch-Interactive-Mitbegründer Jared Schiffman weist darauf hin, dass Anbieter damit die Möglichkeit haben, „Leben um ein Produkt herum zu kreieren: Kunden, die eine Ware im Regal sehen, stellen sich vor, wie sie das Produkt verwenden oder wie sie damit aussehen würden. Diese Vorstellungen waren bisher weitgehend sich selbst überlassen und gingen teilweise in andere Richtungen, als sie der Hersteller ursprünglich beabsichtigte. Dank interaktiver Displays haben Anbieter nun größere Kontrolle über diesen Vorgang“, so Schiffman. Folglich präsentieren interaktive Displays die Produkte nicht nur, sondern machen sie erlebbar. Einen roten Schuh im Regal kann man anschauen, anfassen und bestenfalls anprobieren, das ist eine rein funktionale Beschäftigung. Mit einem interaktiven Display jedoch ist man in der Lage, die Farbe zu wechseln, das Material zu ändern, Accessoires wie eine Schnalle hinzuzufügen, Informationen zur Verarbeitung und Herkunft aufzurufen – kurzum: Der Kunde kann sich viel intensiver mit dem Artikel beschäftigen und gewinnt eine bessere Vorstellung davon, wie es ist, den Schuh zu tragen.

Umziehen ohne Ausziehen

Auch das Kennenlernen der Ware noch vor dem Kauf spielt eine wichtige Rolle. Die Kunden des „Topshop“ in Moskau probieren Kleidungsstücke im virtuellen Umkleideraum in Sekundenschnelle digital an (http://www.youtube.com/watch?&v=L_cYKFdP1_0). Das System besteht aus einer Kamera, einem großen Display und Microsofts Bewegungssteuerung Kinect und verwandelt das ehemals aufwändige Kleideranprobieren zu einer spaßigen Angelegenheit. Statt Kleider vom Bügel zu holen, sie an- und auszuziehen und wieder zusammenzulegen, reicht nun eine lässige Wischbewegung mit der Hand – und schon trägt man statt des eleganten Business-Dress ein luftiges Sommerkleid. „Augmented Reality“ nennt sich diese Verschmelzung von digitaler und realer Welt. Dank Social Media sind auch hier die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt. Die Option, Eigenschaften von Produkten digital zu ändern und sie bereits vor dem Kauf zu individualisieren, wirkt sich äußerst positiv auf die Kaufentscheidung aus, wie Studien beispielsweise der Kansas State University belegen. (http://phys.org/news/2011-04-post-purchase.html). Je mehr ein Kunden über eine Ware weiß, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sie kauft. Sich durch interaktive Displays über die Ware zu informieren, heißt auch, sich emotional bereits vor dem Kauf mit dem Artikel „anzufreunden“ und so die Kaufentscheidung positiv zu beeinflussen.

Virtuelle Beliebtheit als reale Entscheidungsgrundlage

Ein weiteres Beispiel für interaktive Displays sind die Kleiderbügel von C&A Brasilien, die per Facebook-Likes die Beliebtheit von Kleidungsstücken anzeigen http://www.youtube.com/watch?&v=K4qdNb6FvGY). Diese „Fashion Likes“ sind nichts anderes als die Anzahl aller Likes, die die entsprechenden Kleidungsstücke auf der brasilianischen Facebook-Seite erhalten haben. So sehen Kunden auf einen Blick, wie beliebt das grüne Shirt mit V-Ausschnitt ist. Mit dieser simplen Funktionalität handelt es sich damit lediglich um eine interessante Marketing-Idee. Allerdings wird dadurch klar, welches Potenzial in der Nutzung von Facebook-Daten außerhalb der virtuellen Welt steckt. Der Vorteil hier ist die große Flexibilität der Technik: Social Media besteht aus weit mehr als nur Facebook. Die Weinbar „Adour“ im St. Regis Hotel in New York nutzt ihre riesige Weindatenbank, um ihren Gästen eine Unmenge an Informationen über ihre Weine anzubieten. Die Oberfläche der Bar besteht aus einem interaktiven Display (http://www.youtube.com/watch?v=deNTlgeBCA8), auf dem Gäste mit einfachen Steuergesten ihrer Hände und Finger Hunderte Weine scannen können. Sobald sie ein Name anspricht, rufen die Gäste mit einem Klick weitere Informationen darüber auf und schon sind Rebsorte, Herkunft, Jahrgang und Weingut kein Geheimnis mehr.

Das System ist mittlerweile soweit, dass es auch von Gästen mit Diamantringen an den Fingern einwandfrei bedient werden kann – vorher hatten die Techniker mit dem vielfach gebrochenen Licht der Diamanten zu kämpfen gehabt. Dass Kinderkrankheiten wie diese relativ rasch in den Griff zu bekommen sind, zeugt von der Reife der verwendeten Systeme. Es bedeutet auch, dass Menschen sich nicht länger der Benutzeroberfläche anpassen müssen, sondern dass die Bedienung sich umgekehrt den Bedürfnissen und Gepflogenheiten ihrer Nutzer anpasst.

Was geschieht mit der Wahrnehmung von Marken?

Für Marken bedeutet diese Entwicklung, dass die emotionale Bindung der Kunden mehr und mehr über Logos, Schriftzüge und Icons entsteht. Und damit liegt die Wahrnehmung von Produkten in Zukunft noch stärker in der Hand von Unternehmen als in der des einzelnen Händlers. Neben der Gestaltung der Logos und der Verpackung können Hersteller auch durch die Art der Interaktion großen Einfluss auf die Rezeption ihrer Waren nehmen. Kleider will der Kunde vorher anprobieren, bei Elektronik-Produkten interessieren ihn technische Details. Informationen zur Verarbeitung und Herkunft von Waren sind immer willkommen. Interaktive Displays ermöglichen also eine stärkere Einbeziehung des Kunden in die Waren, die er kauft.

Obwohl es sich bei diesen Beispielen immer noch um Testshops handelt, vermögen sie es bereits heute schon, den herkömmlichen Einkauf sinnvoll zu ergänzen.

Während interaktive Displays in Südkorea Regale simulieren, versorgen sie die Kunden in den USA und Brasilien mit allerhand nützlichen Zusatzinformationen zu den Produkten. Die virtuelle Umkleidekabine in Russland sowie die Displays von Perch Interactive erzeugen überhaupt „Leben um die Produkte herum“. Die Möglichkeiten sind vielfältig und es wird spannend bleiben zu beobachten, welche Ideen hier noch auf uns zukommen werden.

Alles im Blickfeld

Vorteile:

Regaldisplays sparen Zeit beim wöchentlichen Großeinkauf und machen das Schleppen von schweren Einkaufstüten überflüssig. Man muss nicht länger in ein Geschäft gehen, um einzukaufen – Regaldisplays sind auch an hoch frequentierten Orten wie U-Bahn-Gängen, öffentlichen Plätzen und Busstationen denkbar. Sowohl der Kunde als auch der Verkäufer profitieren von den vielfältigen Möglichkeiten von Social Media: Kunden orientieren sich an Bestseller-Listen und freuen sich über das gemeinsame Einkaufen trotz räumlicher Entfernung, beispielsweise beim gemeinsamen Großeinkauf für eine Party. Verkäufer wiederum können Produkttrends einfach erkennen und freuen sich über eine hohe Viralität der Produkte durch Empfehlungen zufriedener Kunden an ihre Social-Media-Kontakte.

Nachteile:

Nachteile liegen in der Tatsache, dass sich interaktive Displays vor allem an die urbane Bevölkerung richten, da eine gewisse Bevölkerungsdichte und Infrastruktur zur sinnvollen Nutzung vorhanden sein muss. Außerdem erfordert der digitale Einkauf natürlich ein Smartphone und die Bereitschaft, dieses mit ausreichendem Akkuladestand ständig mit sich zu führen. Je mehr Geschäfte auf interaktive Displays umstellen, desto enger wird die Lage für den Beruf des klassischen Verkäufers – diese sollten dann schleunigst auf Techniker umschulen.

Autor: Thomas Dörflinger ist Content und Community Manager bei vi knallgrau, einer Tochter von Virtual Identity, einem Dienstleister für digitale Kommunikation im deutschsprachigen Raum. Die Agentur entwickelt webbasierte Lösungen für das Management von Marken, die Unternehmenskommunikation und die Marketingkommunikation. Thomas Dörflinger hat Journalismus und Unternehmenskommunikation an der FH Joanneum in Graz studiert. 


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