03.05.2017 – Kategorie: eCommerce

Invisible Payments: Bezahlen ohne zu bezahlen

Je einfacher das Bezahlen funktioniert, desto mehr wird gekauft. Doch was passiert, wenn der Kunde gar nicht mehr aktiv bezahlt, sondern der Bezahlvorgang über einen Automatismus im Hintergrund abläuft? Wir haben erste Praxis-Beispiele für unsichtbare Zahlungen (sogenannte Invisible Payments) und analysieren die Erfolgschancen.

Die meisten Menschen kaufen sich gerne etwas Neues. Was ihnen dabei am wenigsten Spaß macht, ist das Bezahlen. Das kann jeder Web-Shop-Betreiber bestätigen, denn der Checkout ist für Kunden mit Abstand der schwerste Schritt beim Einkauf.

In den letzten 10 Jahren wurde in diesem Bereich viel optimiert, denn es gilt die Regel, je stärker der Bezahlprozess in den Hintergrund tritt und je weniger Zeit dieser in Anspruch nimmt, desto mehr wird konsumiert. 1-Click-Payments erfreuen sich zum Beispiel immer größerer Beliebtheit und sorgen für Umsatzwachstum bei Online-Portalen. Es gibt inzwischen aber eine interessante Entwicklung, um Bezahlen noch weiter zu vereinfachen: das 0-Click-Payment.

Unsichtbare Zahlungen

0-Click-Payments oder „Invisible Payments“, wie es Experten nennen, beschreiben einen automatischen Zahlungsvorgang im Hintergrund, der nicht aktiv vom Nutzer ausgelöst wird. Unsichtbar meint in diesem Fall, dass Nutzer nichts vom Bezahlvorgang mitkriegen, weil er vollkommen automatisch abläuft. Ein sehr erfolgreiches Beispiel für unsichtbare Zahlungen ist der Mitfahrdienst Uber, so wie er in den USA funktioniert. Per Smartphone-App ordern Kunden den Fahrdienst.

Die App zeigt ihnen den voraussichtlichen Preis für die Fahrt an und wann sie sich abholen lassen können. Buchen sie die Fahrt, war es das auch schon mit der Nutzerinteraktion. Sie steigen ins gebuchte Auto und lassen sich chauffieren. Die App verfolgt dabei im Hintergrund, ob Kunde und Fahrer auch wirklich die gebuchte Strecke gemeinsam zurücklegen. Am Ziel angekommen verabschiedet man sich höflich und kann einfach aussteigen. Bezahlt wird natürlich trotzdem, denn die Kunden müssen bei der Anmeldung ihre Kreditkartendaten oder ein PayPal-Konto angeben. Darüber wird die Zahlung abgewickelt. Bestätigen müssen Kunden dafür während oder nach der Fahrt nichts mehr. Die Bezahlung läuft vollautomatisch im Hintergrund ab, unsichtbar eben.

Bezahlen ohne zu bezahlen

Das unsichtbare Bezahlen im Hintergrund ist noch nicht allzu weit verbreitet, es kommt aber in abgewandelter Form auch bei einigen interessanten Diensten in Deutschland vor. Ein Beispiel ist der Amazon Dash-Button. Die kleinen Plastikknöpfe kosten bei Amazon rund 5 Euro und können so programmiert werden, dass sie auf Knopfdruck Waren des täglichen Gebrauchs bestellen, etwa Waschmittel, Duschgel oder Rasierklingen. Einmal auf den Waschmittelknopf drücken löst dabei automatisch eine Bestellung bei Amazon aus.

Zum Bezahlen muss man nichts mehr machen, der Knopfdruck alleine startet nicht nur die Bestellung, sondern veranlasst auch den Bezahlvorgang über die bei Amazon hinterlegten Konto- oder Kreditkartendaten. Interessant ist dabei, dass Amazon die nötige Sicherheit mit dem Produkt bietet: So werden die Daten verschlüsselt übertragen und es gibt einen Schutz vor Mehrfachbestellungen. Tippt zum Beispiel der kleine Sohn zehn Mal hintereinander auf den Bestellknopf für Zahnpasta, kommt trotzdem nur eine Tube an, denn Mehrfachbestellungen sind werksseitig deaktiviert.

Wenn man es genau nimmt, sind Invisible Payments gar nicht so neu, sie werden gerade nur mit Hilfe von moderner Technik neu erfunden. Ihre Ursprünge findet man zum Beispiel bei den klassischen Abos. Egal, ob Tageszeitung oder Netflix, man hat sich einmal für ein Abo entschieden und die Bezahlung beauftragt und schon erfolgt die monatliche Abbuchung per Lastschrift. Dem Abo fehlt es im Vergleich zu Invisible Payments aber an Flexibilität.

Die Zeitung kostet jeden Tag gleich viel, die Ausgaben für das Monatsabo bewegen sich in einem sehr engen Rahmen. Ein interessantes Projekt, bei dem die Kosten schon stärker streuen, testet derzeit Amazon. Amazon Go ist ein Supermarkt, in dem es keine Kassen mehr gibt. Beim Betreten des Ladens checkt man mit dem Smartphone ein, danach nimmt man sich einfach was man will. Kameras und Sensoren überwachen dabei genau, was alles eingesteckt wird. Danach kann man sofort den Laden verlassen, die Bezahlung erfolgt automatisch über das Amazon-Konto.

So kann es funktionieren

Bei Themen wie automatischer Warenerkennung oder Zahlungen, die einfach unsichtbar im Hintergrund ablaufen, dürfte es vor allem in Deutschland viele Skeptiker geben. Welche Voraussetzungen müssen also geschaffen werden, damit die Hintergrund-Zahlungen auch hierzulande funktionieren? Die wichtigste Voraussetzung ist wie bei allen Payment-Produkten die Zahlungssicherheit. Invisible Payments müssen genauso sicher sein, wie andere Bezahlarten und sie dürfen sich nicht von Dritten missbrauchen lassen.

Das bedeutet zum Beispiel den Einsatz von verschlüsselter Datenübertragung und sicherer Nutzer-Authentifizierung. Beides sollte funktionieren, denn Verfahren wie Fingerabdruck- oder Gesichtserkennung gibt es heute bereits. Wichtig ist zudem, dass neben der Sicherheit auch die Privatsphäre der Nutzer gewährleistet sein muss. Wenn Uber die zurückgelegte Wegstrecke für eine Fahrt überwacht, sollten diese Daten gut geschützt und nicht dauerhaft gespeichert werden.

Diese Rückverfolgung zu akzeptieren, dürfte in Deutschland eine große Hürde werden. Erkennt eine Kamera automatisch die Waren, die Nutzer im Supermarkt kaufen, empfinden viele das als eine Form der Überwachung. Macht man sich aber bewusst, dass die Waren für einzelne Käufe schon heute beim Einscannen an der Supermarktkasse registriert werden, relativiert sich das Ganze.
Wichtig ist sicher auch das Thema Kostenkontrolle. Schon seit Jahrzehnten führen Kreditkarten-Gegner das Argument an, dass durch die Plastikkarten das Gefühl für das ausgegebene Geld verloren geht. Doch auch hier haben aktuelle technische Entwicklungen die passende Antwort parat.

Finanz-Apps liefern einen Echtzeitüberblick über den Kontostand, zeigen Kreditkartenausgaben an und erfassen auf Wunsch auch kleinere Barausgaben. Noch nie war es so einfach, den Überblick über die kompletten Ausgaben zu behalten. Unbestreitbar ist aber, dass Invisible Payments das Thema Kostenkontrolle adressieren müssen. Prognose: Nur Dienste, die die Kosten für den Nutzer sofort nachvollziehbar machen und ihm auch Kontrollmechanismen wie das Setzen persönlicher Ausgaben-Limits erlauben, werden sich durchsetzen.

 

(Bildquelle: Statista)

 

Durchbruch in drei bis fünf Jahren

Wie man am Beispiel Amazon Dash Button sieht, sind Invisible Payments in Nischen schon präsent, besonders hohe Aufmerksamkeit wurde Ihnen aber bisher nicht geschenkt. Auch bei der Bezahlung im Hintergrund gilt natürlich weiterhin, Bezahlen ist nicht attraktiv und niemand wird nur um des Bezahlens willen etwas kaufen. Entscheidend für den Erfolg dieser Bezahlmethode sind die damit verknüpften Produkte und Dienstleistungen, die sicher am Anfang hauptsächlich von technisch affinen Nutzern in Anspruch genommen werden.

Eine spezielle Zielgruppe gibt es jedoch nicht, die Vorteile sind für alle gleich, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Trotzdem wird sich das unsichtbare Bezahlen nicht in allen Bereichen durchsetzen. Die Küche für 15.000 Euro ist sicher eine Anschaffung, bei der man gerne die Bezahlung doppelt und dreifach kontrolliert. Potenzial gibt es aber bei den vielen kleinen Zahlungen, die wir jeden Tag durchführen, etwa der Espresso nach dem Essen, die Tankfüllung, der Parkplatz am Fußballstadion, das Zugticket, das Mittagessen in der Kantine und so weiter.

Damit man sich damit nicht unwissentlich hoch verschuldet, werden die Menschen ihre eigene „Sicherheitsmarge“ entwickeln, unter der Zahlungen automatisiert werden dürfen und über die sie dann die volle Kontrolle selbst behalten. In den nächsten drei Jahren wird es den Menschen positiv auffallen, wenn Bezahlungen einfach und sicher ohne ihr Zutun klappen. Haben sich Invisible Payments erst einmal etabliert, wird es vielleicht schon in fünf Jahren eher negativ aufgefasst, wenn man selbst aktiv den Bezahlvorgang anstoßen muss.

Autor: Ralf Ohlhausen ist Diplom-Mathematiker und Master of Telecommunications Business und verfügt über 25 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen E-Commerce, Financial Services, mobile Telekommunikation und IT. Zuletzt war er als President Europe bei SafetyPay tätig; weitere Stationen seiner internationalen Karriere waren Führungspositionen bei Digicel, O2, British Telecom und Mannesmann-Kienzle.  Bei PPRO verantwortet er die weltweite Expansionsstrategie des Payment-Lösungsanbieters, ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem weiteren Ausbau des Portfolios an alternativen Bezahlarten. Seit Ende 2016 ist Ralf Ohlhausen Mitglied des Euro Retail Payments Board (ERPB) der Europäischen Zentralbank (EZB) und vertritt dort die Interessen der Electronic Money Association (EMA). Als Spezialist für länderübergreifendes elektronisches Bezahlen löst die PPRO Group die Komplexität von E-Payment-Prozessen im internationalen E-Commerce.

(jm)

 


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