18.04.2013 – Kategorie:
IT für mehr Nachhaltigkeit
Über 200 Besucher aus 50 Ländern diskutierten drei Tage lang über die verschiedensten Aspekte von Green IT, wobei ins Auge stach, dass oft der Mangel an verbindlichen Standards für die Messung des Nachhaltigkeitspotentials der IT beklagt wurde. Neben der Hardware wurde auch die Software einer genaueren Betrachtung unterzogen, darüber hinaus beleuchteten eigene Vortragsreihen die Bereiche Gebäude und Städte, Energie, Ressourcen sowie gesellschaftliche Aspekte. Begleitet wurde die Veranstaltung von einer umfangreichen Präsentation studentischer Arbeiten zum Thema. Prämiert wurden daraus die Arbeiten von Marco Blumendorf (TU Berlin) zum nachhaltigen Wohnen und von Christina Herzog (Universität von Toulouse), die Vorschläge zur Verbindung von Wissenschaft und Industrie für eine nachhaltigere Gesellschaft unter Einbeziehung von IT-Lösungen auf einem Poster darstellte.
Standards fehlen
Dem bereits angesprochenen Fehlen verbindlicher Standards für die Nachhaltigkeitsmessung im IT-Bereich könnte ein demnächst fertig gestelltes Dokument abhelfen. In einem breit angelegten Beratungsprozess unter Einbeziehung von IT-Unternehmen, NGOs und Wissenschaftsinstitutionen startete nämlich im März 2011 die Arbeit an einem Papier zur Reduktion des CO²-Ausstosses im IT-Sektor (GHG Protocol ICT Sector Guidance). Initiiert wurde dieser Prozess vom World Resources Institute (WRI), dem World Buisness Council for Sustainable Development (WBCSD), dem Carbon Trust und der Global e-Sustainability Initiative (GeSI). Das Dokument soll demnächst fertig gestellt werden und konzentriert sich in seinen Vorschlägen mehr an definierten IT-Services als an Hard- und Software. Im Hinblick auf IT-Produkte betrachtet das Dokument den gesamten Lebenszyklus und beruft sich dabei auf einschlägige ISO-Normen.
Neue Ansätze, vereinte Kräfte
Für einen sehr breiten Ansatz zur Festlegung des weiteren Wegs hin zu Green IT plädierte Jennifer Mankoff von der US-amerikanischen Carnegie Mellon Universität. Sie schlägt vor, von der bisher üblichen Fokussierung auf die Rolle einzelner Personen (Stichwort: Schalten sie ihren PC abends aus, um Strom zu sparen etc.) wegzugehen und sich stattdessen auf größere Einheiten (Institutionen, Städte, Staaten) zu konzentrieren. Dafür bedarf es allerdings der Entwicklung ganz anderer Perspektiven und Messgrößen, um Nachhaltigkeitserfolge auch kontrollierbar zu machen.
Je mehr Köpfe über ein Problem nachdenken, desto schneller können sich daraus innovative Ideen ergeben: Diesen Ansatz stellte Robert Laubacher mit dem Climate CoLab vor. Die Initiative startete 2009 mit dem Ziel, auf breiter, durch Experten moderierter Basis, Ideen zur Bremsung des Klimawandels zu erarbeiten. Die Arbeit an diesem Ziel ist durch jährliche Wettbewerbe strukturiert, die seit heuer in besser behandelbare Unterkategorien aufgeteilt sind. 2013 werden deshalb etwa 20 Detailthemen behandelt, für die jeweils ein erfahrener Experte zuständig ist. Dieser soll, unterstützt von einer Jury und anderen Mitwirkenden, die besten Ideen auswählen und dort vorstellen, wo sie auch umgesetzt werden können. Inzwischen sind rund 4.000 aktive Teilnehmer registriert, über 40.000 Interessierte aus 183 Ländern haben der Webiste http://climatecolab.org zumindest einen Besuch abgestattet.
Die vernachlässigte Rolle der Software
Da die moderne IT immer mehr von Software dominiert wird, nimmt diese im Hinblick auf Green IT natürlich eine zentrale Position ein. Traditionell wird für lange Reaktionszeiten der IT die Hardware verantwortlich gemacht, aber die Software spielt da eine noch weitgehend unerforschte Rolle. Die wissenschaftliche Diskussion über die Bedeutung von Software in Green IT-Szenarien steckt jedenfalls noch in den Kinderschuhen. Vom Institut für Softwaresysteme im deutschen Birkenfeld wurde auf der Konferenz ein Greensoft-Modell beschrieben, das vier Ebenen der Betrachtungsweise unterscheidet. Neben dem Lebenszyklusansatz werden dabei direkte und indirekte Nachhaltigkeitsmessungen sowie Betrachtungen im Hinblick auf die Softwareeentwicklung mit einbezogen. Auch der wachsende Bereich der embedded systems und der darin enthalten Software bedarf einer Analyse. Letztlich braucht auch die Software eine gewisse Standardisierung im Hinblick auf Nachhaltigkeit, um überhaupt sinnvolle Vergleiche zu ermöglichen. Weitere Fallstudien verdeutlichten auf der Konferenz die Komplexität des Zusammenspiels von Hard- und Software sowie den damit zusammenhängenden hohen Bedarf an einschlägiger Forschung.
Cloud Computing hilft sparen
In einer von Microsoft und der e-Sustainability Initiative (GeSI) finanzierten Studie untersuchte die englische Universität Reading das CO²-Einsparpotential beim Umstieg auf Cloud Computing. Die von unzähligen mathematischen Formeln geprägte Präsentation unterstrich, dass durch die Umstellung von E-Mail-, CRM- und Groupware-Anwendungen auf Cloud-Basis (Annahme: Umstellung erfolgt zu 80%) bis zu 95% der Emissionen eingespart werden könnten. Diese Einsparungen entsprechen etwa 1,7% des gesamten CO²-Ausstosses des IT-Sektors. Besonders effektiv erscheint nach der Studie die Umstellung von KMUs auf Cloud-Lösungen, da hier im herkömmlichen Betrieb meist schlecht genutzte Server im Einsatz stehen. Die Erhebungen in diesem Umfeld brachten zu Tage, dass 20 durchschnittlich genutzte Server durch einen gut ausgelasteten ersetzt werden können. Aber auch in diesem Fall zeigte sich einmal mehr die Abhängigkeit des Einsparungserfolgs von den gewählten Parametern. Würde die Umstellung auf Cloud-Dienste etwa nur zu 50% erfolgen, läge die Einsparung bei mageren 12%.
Österreichische Beiträge
Zwei österreichischer Forschergruppen präsentierten ihre Arbeiten in Zürich. Das AIT (Austrian Institute of Technology) erhebt derzeit im Rahmen der europäischen IREEN-Studie die durch IT mögliche Effizienzsteigerung im Energiebereich in Wohngebieten. Das Projekt ist sehr breit angelegt und steckt noch mitten in der Abwicklung, erklärtes Ziel ist jedenfalls die Erstellung eines Handbuchs für Stadt- und Regionalplaner zur Steigerung der Energieeffizienz. Um eine Wissensbasis zu erreichen, wurden bisher 58 best practice Modelle analysiert und ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass es bisher vor allem Pilot-Projekte gibt, aber nur wenig breiter angelegte Umsetzungspläne. Der Fokus in den Projekten liegt darüber hinaus vorwiegend auf Einfamilienhäusern und deren Energiemanagement, weniger auf Designgrundlagen für energieeffiziente Wohngebiete. Aus diesen Daten entwickelte das Forscherteam bislang 15 Szenarios, weitere sind in Vorbereitung. Um die Ergebnisse der Studie nach ihrer Fertigstellung möglichst gut zu verbreiten, soll in ganz Europa ein breites Netzwerk entwickelt werden.
Das zweite österreichische Projekt wurde vom Wiener Unternehmen Ecodesign durchgeführt und erhob auf Auftrag öffentlicher Stellen den Energieverbrauch für intelligenter Energieverbrauchszähler (smart meter), deren Einführung von der EU gefordert wird. Untersucht wurden die Nachbarländer Schweiz und Österreich, wobei klar wurde, dass im aufzubauenden System das Messgerät selbst den höchsten Anteil am Stromverbrauch aufweist. Dabei wurden je nach eingesetzter Hardware Verbrauchsunterschiede von über 300% gemessen. Der Hauptverbrauch im Gerät ist bedingt durch die Datenübertragung, der also besonderes Augenmerk zu schenken ist. Die Studie unterstreicht, dass eine Verbrauchsreduktion durch Einführung der neuen Messgeräte möglich wäre, allerdings nur bei Nutzung der effizientesten Technologie. Während die Schweiz vor weiteren politischen Entscheidungen vorbildmäßig eine umfassende nationale Studie beauftragte, erließ die österreichische Regierung bereits Ende 2011 entsprechende rechtliche Richtlinien. Bisherige heimische Pilotprojekte berücksichtigen allerdings die Ergebnisse der Studie nicht und der Verbrauch könnte damit sogar deutlich steigen. Für ein entsprechendes Umdenken ist noch Zeit, es sollte aber rechtzeitig vor Einführung der neuen Messgeräte erfolgen.
Die Konferenz schloss mit der Verabschiedung eines über 40 Punkte umfassenden Empfehlungskatalogs, der die Wichtigkeit weitere Studien verdeutlicht, um nicht durch falsch gesetzte Maßnahmen im Bereich Green IT unerwünschte Mehrverbrauchseffekte auszulösen. Das komplexe Zusammenspiel moderner IT-Lösungen zu entwirren und zu verstehen stellt also weiterhin hohe Anforderungen an Forschung und Praxis.
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