02.12.2021 – Kategorie: Handel

Knuspr: Hält der Online-Lebensmittelhändler, was er verspricht?

Knuspr: Hält der Online-Lebensmittelhändler, was er verspricht?Quelle: Knuspr.de/Nicolai Bogaciuc

Bei der Namensgebung des Online-Lebensmittelhandels Knuspr – tätsächlich ohne „e“ – haben sich die Macher wohl am Grimmschen Märchen Hänsel und Gretel orientiert. Seit knapp vier Monaten ist das Unternehmen der tschechischen Rohlik-Gruppe in München aktiv und stellen sich als den andersartigen Online-Lebensmittelhändler vor. Können Sie halten, was sie versprechen?

Wahrscheinlich liegt es in der Natur von Pressevertretern skeptisch zu sein. Skeptisch, wenn ihnen Unternehmen gar zu euphorisch erzählen, welch grandioses Geschäftsmodell sie ersonnen haben, um den deutschen Markt zu erobern. Das mag daran liegen, dass die weitverbreitete Lobhudelei in Pressemitteilungen – beliebtes Zitat: „Wir als Marktführer…“ – misstrauisch werden lässt. Als Knuspr zum Presseevent einlud, verhielt es sich ähnlich. Zumindest war das mein erster Gedanke, als ich die Einladungsmail las. „Wahrscheinlich wieder ein selbsternannter Marktführer…“, schoss es mir durch den Kopf. Nichtsdestotrotz war ich neugierig zu hören, ob es dieses Mal vielleicht doch anders sein sollte.

Bei der Pressekonferenz, die ich online verfolgte, gab man sich zeitgenössisch modern. Im hauseigenen Lager im Münchner Vorort Garching zierten aufgestapelte Obstkisten und Steigen den Hintergrund. Ansprechend dekoriert mit Lebensmitteln aus dem eignen Sortiment. Versammelt hatten sich neben dem Marketingleiter, Peter Hoffmann, Geschäftsführer Erich Comor, Franz und Sebastian Brandl, Senior und Junior-Chef des Naturhoflandhofs Brandl sowie der Guru der Münchner Delikatessen-Branche Michael Käfer. Einige Journalisten hatten auch den Weg ins Corona-gesicherte Studio, das Lager von Knuspr, gefunden.

Knuspr
v.l.n.r.: Erich Comor (Geschäftsführer Knuspr.de), Franz und Sebastian Brandl (Naturhoflandhof Brandl) und Michael Käfer (Feinkost Käfer). Bild: Knuspr.de/Nicolai Bogaciuc

Geschäftsmodell und Pläne

Und dann ging’s los: Erich erzählte, dass Knuspr einen fulminanten Start in München hingelegt hätte. Mehr als 20.000 Kunden bereits nach drei Monaten bedient, 600 Mitarbeiter beschäftigt und mit 520 Lieferanten zusammenarbeitet. Täglich gehen rund 1.500 Bestellungen ein mit einem Warenkorbwert von 80 Euro – Tendenz steigend. „Innerhalb von drei Monaten?“, fragte ich mich. Was macht denn Knuspr anders als andere wie Rewe, Bringmeister oder Picnic in Nordrheinwestfalen? Erich erklärt: Wir treffen mit unserem einzigartigen Konzept genau den Nerv der Zeit und die Wünsche der Kunden. Deswegen streben wir im Jahr 2024 einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro an und wollen mit einem Marktanteil von 30 Prozent die Nummer eins im wachsenden E-Grocery Markt in Deutschland sein.“ Da war es wieder – Marketing-Rhetorik. Schnell wich meine Neugier der üblichen Pressevertreter-Skepsis.

Knuspr-Geschäftsmodell – Anders als andere

Doch Erich ist anders als andere Geschäftsführer. Die Begeisterung für das Knuspr-Geschäftsmodell ist ihm anzumerken. Wahrscheinlich wäre er ein hervorragender Kundenberater, der versucht Kunden zu überzeugen – dezent, aber mit nachvollziehbaren Argumenten. Trotzdem – so richtig überzeugt bin ich noch nicht.

Das Geheimnis hinter dem brillanten Start in der bayerischen Landeshauptstadt scheint in genauer Marktbeobachtung und dem Wissen, was Kunden wünschen, zu liegen. Das unterscheidet das Angebot vom herkömmlichen Online-Supermarkt-Sortiment. Das lässt sich zwar auch bei Knuspr finden, aber eben nur als Teil des Gesamten. Viel mehr legen die Macher von Rohlik Wert darauf, auf individuelle Wünsche der Kunden in puncto Lebensmittel einzugehen.

So ist es für Knuspr offensichtlich selbstverständlich, neben einer großen Auswahl an vegetarischen und veganen Produkten, Bio-Lebensmittel wie aber auch Fleischprodukte aus nachhaltiger, tierfreundlicher Züchtung anzubieten. Beispielsweise von Naturhoflandhof Brandl. Regional, lokal – die beiden Stichworte fallen schnell. Langsam werde ich hellhörig.

Knuspr: Regionalität, lokale Anbieter und Nachhaltigkeit

Das Chefduo Brandl ist ein Beispiel dafür, welche Geschäftsphilosophie Knuspr verfolgt. Nicht nur dem Verbraucher-Wunsch nach nachhaltigen Lebensmitteln will der Online-Lebensmittelhändler nachkommen. Sondern auch lokalen und regionalen Lebensmittel-Produzenten, die Möglichkeit geben, vom Online-Bestell-Boom zu profitieren. „Deswegen arbeiten wir mit Anbietern aus der Region zusammen“, erklärt Erich. Das Angebot soll weiter ausgebaut werden.

Schon jetzt liegt der Anteil an regionalen und lokalen Produkten laut Knuspr-Chef bei 30 Prozent. Und stolz fügt er hinzu: „Wir sind Supermarkt und Hofladen in einem. Gerade die enge Zusammenarbeit mit lokalen Betrieben und die Unterstützung der Landwirtschaft liegt uns am Herzen – alleine in Bayern mussten im vergangenen Jahr 15.000 Landwirte aufgeben. Wir integrieren die Bauernhöfe aktiv in unser Konzept und ermöglichen ihnen den Zugang zu digitalen Vertriebskanälen. Das ermöglicht eine viel kürzere Wertschöpfungskette, von der vor allem die Landwirte profitieren. Im Mittelpunkt steht eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe, die von gegenseitiger Wertschätzung lebt.“

Lagerkonzept und Lebensmittelabfälle

„Das klingt echt gut“, denke ich. Ein Branchenneuling, der die Zeichen des Online-Lebenmittelmarkts und die Bedürfnisse der Kunden richtig zu deuten vermag, überlege ich weiter. Wie sieht es aber mit Lager und Lieferung aus?

Garching ist für Knuspr der zentrale Umschlagpunkt. Hier werden die Waren ohne Zwischenhändler direkt vom Hof oder Hersteller angeliefert. Die Verweildauer im Lager ist dem Online-Lebensmittel-Spezialisten zu folge nur kurz und die Waren werden „möglichst noch am selben Tag zu den Kunden gebracht.“ So soll die Qualität der Produkte gewährleistet werden.

Ein ausgeklügeltes Logistikkonzept, hoch digitalisiert, steckt dahinter. Erich thematisiert das nicht weiter. Besonderer Nebeneffekt, wie er betont, Lebensmittelabfälle werden somit vermieden. Der Anteil liege aktuell bei unter 0,1 Prozent. Und nicht verkaufte Waren werden der Organisation Foodsharing in München gespendet.
Im Garchinger Lager liegt die momentane Auslastung laut Knuspr bei etwa 20 Prozent. Da scheint also noch viel Luft nach oben zu sein.

Lieferung im Münchner Stadtgebiet

Fair und achtsam soll es nicht nur beim Umgang mit Lieferanten und Lebensmitteln zugehen, sondern auch mit den eigenen Mitarbeitern. „Mehr als 90 Prozent unserer Fahrerinnen und Fahrer sind bei Knuspr fest angestellt. Sie sind das eigentliche Gesicht unseres Unternehmens und unsere wichtigsten Markenbotschafter bei den Kunden“, sagt Erich. Knuspr nimmt sich deshalb, laut eigener Aussage, die Zeit, Mitarbeiter mit der richtigen Servicementalität zu finden und entsprechend zu schulen.

Wie geht’s weiter mit Knuspr?

Vor dem Start in München hat sich die Rohlik-Gruppe in den Ländern Tschechien, Ungarn und Österreich erfolgreich etabliert. München ist nur der Auftakt für ein weiteres Wachstum in Deutschland. Im Frühjahr 2022 soll in Frankfurt am Main ein weiterer Standort öffnen. Bis 2024 will Knuspr „in sämtlichen deutschen Ballungsräumen präsent sein und dort mit lokalen Betrieben und Landwirten zusammenarbeiten“.  

Stimmt’s wirklich?

Zugegeben, das Geschäftsmodell von Knuspr ist ansprechend – 20.000 Kunden sprechen für sich. Eine Zahl, die für mich als Pressevertreter erst einmal schlecht nachvollziehbar ist. Deswegen entscheide ich mich für den Praxistest. Mal eben schnell einen Account bei Knuspr eröffnet, tauche ich ein, in die bunte Online-Welt der Lebensmittel. Die Auswahl ist beeindruckend groß. Auch die Tatsache, dass Lebensmittel mit kurzen MHD (Mindesthaltbarkeitsdatum) ebenfalls zum Verkauf angeboten werden – mit Rabatt. So lassen sich Lebensmittel vor der Tonne bewahren.

Der Bestellablauf ist einfach und übersichtlich. Die Lieferzeit meiner Wahl ist schnell ausgewählt: Samstag zwischen neun und zehn Uhr. Bestätigungsmail empfangen. Dann kommt noch eine Mail von Erich: Danke, dass du bei Knuspr einkaufst. Find ist gut, ist irgendwie nett.

Samstag Punkt 9.00 Uhr. Mein Telefon klingelt. Es ist der Fahrer von Knuspr: „Darf ich bei Ihnen klingeln, ich bin mit Ihrer Bestellung da?“ „Natürlich, wie nett, klingeln Sie gerne“, antworte ich. Ein paar Minuten später steht der Fahrer mit den wiederverwertbarten Tüten, die er bei der nächsten Lieferung wieder mitnimmt vor der Tür. Nette Wort und ein schönes Wochenende. So freundlich werde ich selten beliefert.

Christiane Manow-Le Ruyet

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