19.05.2011 – Kategorie: Fertigung, IT, Kommunikation, Management, Marketing, Technik, eCommerce
Kommunikationsänderung im Contact-Center
Unsere Kommunikation hat sich innerhalb sehr kurzer Zeit durch einen technischen, aber auch soziologischen Sprung dramatisch verändert: 65 Millionen Menschen nutzen allein in Deutschland das Internet (International Telecommunication Union, 2010). Über 14 Mllionen davon haben einen Facebook-Account (Facebook, 2011). Darüber hinaus wurden im vergangenen Jahr über das Internet in Deutschland 17 Milliarden Euro ausgegeben, 400 Millionen davon über mobile Geräte wie iPhones und Smartphones (Managementberatung Mücke, Sturm & Company, 2010). Und so viel ist sicher, das ist erst der Anfang!
Fasst man diese Fakten zusammen, so ergibt sich nicht nur ein Potenzial, sondern sogar die absolute Notwendigkeit, die Möglichkeiten dieses Kundenzugangs zu erschließen. Ganz unabhängig davon, dass alle nationalen und internationalen Wirtschaftsberater hier bereits eines der wichtigsten Themen der nächsten Jahre ausgemacht haben.
Kommunikationsänderung im Contact-Center
Das ganzheitliche Customer-Interaction-Center übernimmt wesentlich umfangreichere Aufgaben im Kundenservice, und die Agenten sind mit divergenten Zielgruppen über verschiedenste Kommunikationskanäle in Kontakt: Die Anfrage an die Facebook-Fanseite des Unternehmens wird binnen zwei Stunden beantwortet, per Videochat wird in Echtzeit gesprochen, und die Antwort des Services auf Twitter ist – das ist klar – nicht länger als 140 Zeichen. Und wer nach wie vor anruft, landet nach einer intelligenten Routing-Lösung mit automatischer Anrufverteilung bei „seinem“ Berater und muss diesem nicht mehr erzählen, wo genau ihn der Schuh drückt.
Mehr Szenarien gefällig? Die wird es geben, denn die Technologie und Begeisterung sind noch lange nicht auf ihrem Höhepunkt, und die Play-Phase der derzeit erlebten Entwicklung hält auch nach Prognose des Trend- und Zukunftsforschers Matthias Horx noch einige Jahre an.
Der Agent switcht bei unterschiedlichen Anfragen nicht zwischen zusammengewürfelten Applikationen hin und her, um die einzelnen Kundenkanäle zu befriedigen, sondern hat im besten Falle genau eine gut strukturierte und einheitliche Maske, mit der er all die unterschiedlichen Aufgaben dirigieren kann. Einfache Anfragen oder Wissensthemen werden dem Endkunden vermehrt automatisiert zur Verfügung gestellt, so dass der Agent mehr Spezialist und weniger Anrufbeantworter ist. Er telefoniert deutlich weniger und schreibt mehr – über die unterschiedlichen Kanäle, teilweise auch im Netzjargon. In Eigenregie löst er mehr Kundenanfragen selbst und holt sich – wenn benötigt – autark Unterstützung bei Experten. Dies ist auch möglich, weil er über die jeweilige Kundenhistorie, ausstehende Aufträge, Anfragen oder auch vergangene und aktuelle Problemfälle informiert und sein möglicher Handlungsrahmen klar bestimmt ist.
All die innovativen Techniken werden intelligent in die bestehenden Serviceprozesse eingebunden. Durch die Reduzierung von Schnittstellen und Medienbrüchen haben Unternehmen gezielt und nachhaltig ihre Produktivität und Qualität im Kundenservice gesteigert und trotz der höheren Ausbildungskosten ihres Personals kräftig gespart. Von all den Einnahmen durch die neuen Kunden und Kanäle einmal ganz abgesehen.
Doch am deutlichsten wahrnehmbar sind die Veränderungen beim Kunden: Diese erwarten von Unternehmen, dass diese genau wissen, wer sie sind, was sie erworben haben, welche Dienstleistungen sie nutzen und worüber sie sprechen möchten – ohne dass sie all das mehr als einmal erzählen müssen. Und es ist genau das, was sie im Customer-Interaction-Center der Zukunft bekommen.
Die Grundlage: Unified Communications & Collaboration
Die technologische Grundlage bildet Unified Communications & Collaboration (UCC), d.h. die Konzentration mehrerer Kommunikationstechnologien
in einer Lösung. Dadurch können bislang getrennte Systeme und Dienste in einem effizienten Paket für die Text-, Sprach- und Videokommunikation zusammengefasst werden.
Der Zugriff ist praktisch von überall – egal ob vom klassischen PC, Smartphone, iPad oder anderen Geräten – möglich. Zu den verwendeten Technologien gehören E-Mail, SMS, Instant Messaging und Gruppenchat, Sprach- und Videoanruf, Web- und Videoconferencing, Präsenzdienste, One-Number-Services, Verzeichnisse, Kalender und Aufgaben sowie verschiedene Zusammenstellungen dieser Funktionen in aufgabenspezifischen Anwendungen wie beispielsweise in Mobilitätsanwendungen oder in teamorientierten Arbeitsbereichen.
Die Wurzeln von UCC liegen bereits in der Zeit, als ein Fax über den Computer empfangen werden konnte. Nach und nach wurden weitere Technologien sinnvoll zusammengefügt, und so entstand aus vielen Puzzleteilen ein komplexes Bild. Nach einer aktuellen Studie der Marktberater von Frost & Sullivan erwarten 65 Prozent aller Unternehmen durch UCC eine starke Produktivitätssteigerung (um 46 Prozent). Darüber hinaus gehen die Befragten von weniger Reisetätigkeit (43 Prozent), Kosteneinsparungen allgemein (35 Prozent) und technologischem Fortschritt (35 Prozent) aus.
Für den Contact-Center-Leiter bedeutet das konkret: Eine sinnvolle UCC-Strategie verhindert, dass ein Agent beim Ausbau der Infrastruktur mit vielen verschiedenen Tools überlastet und damit letztendlich seine Produktivität negativ beeinflusst wird. Für das Unternehmen der Garant, auch wirklich Geld einsparen zu können und nicht nur investieren zu müssen.
Entgegen den vielleicht oft geäußerten Vermutungen ist es bei der Entscheidung für UCC gar nicht notwendig, die alte Technik komplett abzuschreiben. Eine Erweiterung der bereits vorhandenen ITK-Infrastruktur um neue Funktionen reicht meist völlig aus. Das eigentliche Problem, das sich beim Thema Unified Communications & Collaboration stellt, sind die sehr vielen unterschiedlichen Konzepte und Lösungsarchitekturen sowie die sehr heterogene und umfangreiche Anbieterlandschaft. Individuelle Beratung auf der Suche nach der richtigen Lösung ist hier unerlässlich.
Die Sache mit der Cloud
Ein Customer-Interaction-Center wie das oben skizzierte wartet mit einer Menge ITK-Infrastruktur auf. Darüber hinaus müssen Massen an Daten verarbeitet und gegebenenfalls gespeichert werden. Aus Kosten- und Praktikabilitätsgründen wird deshalb das Thema Cloud Computing auch für das Contact-Center der Zukunft äußerst relevant. Bisher gibt es zwar nur wenige praktische Beispiele für erfolgreiches Cloud Computing, doch sind inzwischen genügend funktionierende Installationen auf dem Markt. Auch die Akzeptanz der Anwender ist mittlerweile vorhanden. Der große Vorteil der virtuellen Rechenzentren: Sie sind dynamisch anpassbar, und eine nutzungsabhängige Abrechnung ist möglich.
Und wo bleibt die IVR?
Über die Zukunft der IVR-Systeme (Interactive Voice Response) wird regelmäßig diskutiert, angesichts der sinkenden Zahl der Telefonnutzer wird gar an der weiteren Notwendigkeit von Sprachdialoganwendungen gezweifelt. Doch wer sollte denn in einem Customer-Interaction-Center der Zukunft die von den weiterhin telefonierenden Kunden eingehenden Anfragen auffangen? Vor allem, wenn sie aufgrund ihrer Einfachheit schnell und unkompliziert durch einen Sprachcomputer beantwortet werden können? Denn vergessen wir nicht: Auch wenn die Zahl der reinen Sprachanrufe sinkt, das Gesamtvolumen aller über alle Kanäle zum Kunden eingehenden Anfragen wird massiv steigen. Zudem sind Sprachservices kostengünstig und werden nach wie vor vom Kunden als positiv und nutzbringend eingeschätzt.
Die Frage sollte demnach lauten: Wo ist der Einsatz automatisierter Sprachportale richtig und wichtig und wo nicht? Mit dem richtigen Technikpartner lassen sich schnell und kosteneffizient bedarfsorientierte Lösungen finden – egal ob es sich um eine einfache Kontostandsansage oder um komplexere Lösungen wie beispielsweise intelligente Vorqualifizierungen oder große Serviceportale handelt .
Wie kommt der Kundenservice ins Social Web?
Social-Media-Dienste wandeln sich peu à peu von einem Marketingkanal zu einem integralen Bestandteil der Kundenkommunikation. Und das ist verständlich: Jeder kann nahezu überall mit jedem und jederzeit in Bild, Die Fähigkeit zur Integration moderner Kommunikationstechniken und -kanäle in ihre Abläufe ist für Contact-Center überlebenswichtig.
Peu à peu ins Web 2.0
Insbesondere bei jungen Erwachsenen ersetzen bereits heute Facebook und Myspace im Gespräch mit Freunden die klassische E-Mail. Aber auch auf Unternehmensseite steht das Thema Social Media ganz oben auf der Agenda: Nach einer von Regus initiierten Studie unter 75.000 Personen aus Unternehmen in 75 Ländern planen derzeit 84 Prozent aller Unternehmen in diesem Jahr Social-Media-Aktivitäten. 73 Prozent der B2B-Unternehmen haben bereits eine Facebook-Seite und Accounts auf Twitter und LinkedIn, 95 Prozent der Entscheider und Beeinflusser sind in Social Media unterwegs, 70 Prozent der IT-Fachleute nutzen Social Media für geschäftliche Zwecke. Siemens Enterprise Communications ermittelte ähnliche Werte
für Deutschland.
Und die Unternehmen gehen sogar noch einen Schritt weiter: Sie integrieren Social Media in die bestehenden Geschäftsprozesse, etwa in den Bereichen Support, Human Resources, Vertrieb, aber auch Marktforschung und Marketing. Um diesen Schritt sinnvoll möglich zu machen, ist eine Automatisierung notwendig. Oder wie sonst sollen wöchentlich miteinander geteilte fünf Milliarden Inhalte wie Links, News, Blogs und Fotos sinnvoll durchsucht
und bearbeitet werden?
Bei den herkömmlichen Kommunikationskanälen wie Telefon und E-Mail gibt es im Contact-Center bereits etablierte Herangehensweisen und Systeme, um eingehende Anfragen den Vorfallmanagementsystemen zu übergeben und sie so mit den internen Geschäftsprozessen zu verknüpfen. Diese Vorfallmanagementsysteme können aber auch dafür genutzt werden, das Contact-Center an die Kommunikation in sozialen Netzen anzubinden. So wurde von Telenet in einem durch das Bundesministerium für Wirtschaft geförderten Gemeinschaftsprojekt mit dem Centrum für Informations- und Sprachverarbeitung (CIS) der Ludwig-Maximilians-Universität München eine Lösung entwickelt, mit deren Hilfe direkt oder indirekt
an Unternehmen adressierte Meldungen, Nachrichten oder Kommentare erfasst, klassifiziert und in bestehende Contact-Center-Systeme eingespeist werden können. Die Informationen werden dann automatisch den entsprechenden Geschäftsprozessen zugeordnet, beispielsweise dem technischen Kundendienst, der Abteilung für Rechnungswesen, dem Versand, dem Marketing usw. Mitarbeiter können nun über die bereits verwendeten Systeme auf die Anfragen reagieren, die Social-Network-Lösung von Telenet sorgt für den Rückkanal ins jeweilige Netz. So kann das Unternehmen nicht nur allgemeine Tendenzen in den geäußerten Kundenmeinungen im Internet verfolgen, sondern auch eine wechselseitige Kommunikation aufnehmen und dem Kunden – in seinem bevorzugten Medium – antworten.
Und jetzt? Ein Dämpfer und eine charmante Lösung Solange all diese verschiedenen Kontaktkanäle, Medien und Endgeräte jedoch unzureichend in ein schlüssiges Gesamtkonzept integriert sind, bleibt ein solches beschriebenes Customer-Interaction-Center eine Zukunftsvision. Synergien für eine verbesserte Zusammenarbeit werden sich nicht im erwünschten und möglichen Maße realisieren lassen.
Diverse Studien bestätigen, dass der Markt in all seinen Angeboten und Begrifflichkeiten recht unübersichtlich ist. Die meisten Unternehmen nutzen mehr als einen Anbieter, und ein beträchtlicher Anteil von über 40 Prozent (Frost & Sullivan, 2010) nutzt mindestens vier Anbieter. Darüber hinaus sind viele Produkte und Lösungen noch sehr jung, so dass es hier noch viel Bewegung geben wird. Doch führt letztlich kein Weg vorbei am Customer-Interaction-Center der Zukunft, obwohl er steinig sein wird.
(Autor: Anja Bonelli ist in der Funktion Business Development Executive bei Telenet Kommunikationssysteme in München tätig)
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