01.04.2021 – Kategorie: Handel

Online-Reformhäuser: So wollen sie Amazon die Stirn bieten

Online-ReformhäuserQuelle: insta_photos/Shutterstock

Gesunde Lebensmittel, pflanzliche Nahrungsergänzung, frei verkäufliche Naturarznei sowie natürliche Körperpflege beziehungsweise Kosmetik: Der Reformhausmarkt füllt eine Nische und ist dort in ganz besonderer Weise aufgestellt.

In keinem Handelsgeschäft findet man so viele Produkte aus all diesen Sortimentsbereichen, gepaart mit einem solch hohen Maß an Beratungskompetenz. Doch nicht nur stationär, Online-Reformhäuser sind auf dem Vormarsch. Die Reformhäuser sind wie viele Handelsorganisationen genossenschaftlich organisiert (Reformhaus eG). Das erste Reformhaus wurde 1887 in Berlin eröffnet, die Genossenschaft im Jahr 1927 gegründet. Der genossenschaftliche Grundgedanke mag sicherlich auch mit ausschlaggebend dafür sein, dass es trotz Wettbewerb untereinander mehrere Kooperationen unter dem Dach der Reformhaus eG gibt.

Ehemalige Nischen wie Müsli, biologische, nachhaltige und regionale Produkte sowie ganz aktuell vegetarische oder sogar vegane Ernährung sind heute im gesamten Handel angekommen. Auch dies förderte die Bereitschaft, Kooperationen zu gründen mit dem vorrangigen Ziel der Bündelung von Marketingaktionen und dem Ausbau der Digitalisierung. Mittlerweile sind rund 50 Prozent des Umsatzes zu solchen Marketinggruppen zusammengeschlossen.

Seit 2018 haben sich die Marketinggruppen „gut gekauft“ (75 Reformhäuser), ReformhausHandels GmbH RHH (203 Reformhäuser in DACH), Monatshit (14 Reformhäuser), Vita Nova (161 Reformhäuser) und der Filialbetrieb Vitalia (86 Reformhäuser) zur ReformAlliance zusammengeschlossen. Dieser große Zusammenschluss bündelt Marketingetats in Print, POS wie auch online. Eine Besonderheit ist dabei, dass sich etwa 50 bedeutende Hersteller aus dem Reformhaus an den Marketingmaßnahmen beteiligen und ihre Budgets zur Verfügung stellen. Dabei geht es insbesondere darum, gerade in der jetzigen Zeit das Reformhaus als Geschäftstyp noch mehr in den Vordergrund der Verbraucher zu rücken.

Etabliertes Reformhaus-Label aus Pirmasens

„Stammkunden bestärken, Gelegenheitskunden aktivieren, Zielgruppe verjüngen“, benennt Joachim Escher, Geschäftsführer der Reformhaus Escher GmbH & Co. KG, die wesentlichen Marketingziele. Der gelernte Apotheker und fünffache Vater hat in zweiter Generation gemeinsam mit seiner Frau Marion Escher eine Kette mit 33 Filialen aufgebaut. Sein Filialnetz im Südwesten von Saarlouis bis Schwäbisch Gmünd erweitert er kontinuierlich. Der Firmensitz im rheinland-pfälzischen Pirmasens befindet sich inmitten eines anschaulichen Einzugsgebiets und bietet ihm ideale Standortvoraussetzungen. So erstreckt sich sein Marktbereich im Osten weit hinein ins Saarland, nach Westen in weite Teile Baden-Württembergs und kratzt nach Norden hin am südlichen Zipfel Hessens. Lediglich die nur spärlich besiedelte französische Grenzregion verhindert die Expansion auch in südliche Richtung.

Online-Reformhäuser setzen auf Kooperation

Escher gehört in Deutschland zu den Top-Reformhäusern. Mit 250 Mitarbeitenden erwirtschaftet das Unternehmen jährlich um die 18 Mio. Euro. Im Durchschnitt kaufen immerhin fünf Prozent der Bevölkerung im Reformhaus ein. „Damit haben wir ein Potenzial von 95 Prozent, das es zu heben gilt“, so Escher. Besonders seit Beginn der Pandemie zeigen sich die Vorzüge des Reformhauses: hoher Stammkundenanteil, überschaubare Flächen, lediglich in Stoßzeiten Schlangen an der Kasse, bekannte Gesichter bei den Mitarbeitenden.

All dies sorgt für Vertrauen, gemeinsam mit Beratung und qualitativ hochwertigen Produkten- ein unschätzbarer USP. Leider hätten immer noch zu viele Verbraucher das alte, verstaubte Reformhaus im Kopf. „Aber wer unsere Filialen kennt, der sieht, dass das moderne Reformhaus mit diesem Bild aus den Achtzigerjahren nicht mehr viel gemein hat“, ist sich Escher sicher.

So renoviert die Vita Nova Gruppe, zu der sein Unternehmen gehört, jährlich zwischen 15 und 20 Reformhäuser. „Unsere Kunden erwarten heute die hochwertigen Produkte in einem ebenso hochwertigen Ambiente“, erklärt Escher. Auch für die Reformhäuser gelte zudem der alte Handelsgrundsatz „Lage, Lage, Lage“. Genau deshalb verbindet er viele Renovierungen mit gleichzeitigen Umzügen in Richtung von 1A-Lagen. Die Mitbewerber der Reformhäuser sind nicht andere Reformhäuser, sondern der Lebensmitteleinzelhandel, die Drogeriemärkte, Apotheken, Naturkostfachgeschäfte und Bio-Supermärkte – und sowieso der Online-Handel.

Viele Produkte sind der Nische entwachsen. Sich dieser Konkurrenzsituation zu stellen, hält Escher für einzelne Reformhäuser schwierig. „Da helfen die Zusammenschlüsse: Die regionalen Marketingverbünde haben die Optimierung des Marketings ‘rund um den Kirchturm‘ zu Aufgabe.“ Neben klassischer Flyerwerbung und Anzeigen stünden hier gerade auch Homepages, Facebook und Instagram auf der Agenda. Neben dem Reformhaus vor Ort, gewinnen auch Online-Reformhäuser an Bedeutung.

Die ReformAlliance übernimmt als übergeordneter Verbund gemeinsam mit der Reformhaus eG die überregionale Werbung für den Geschäftstyp „Reformhaus“: Print- und Online-Kampagnen oder auch Kooperationen wie etwa mit „eatsmarter“ sollen das Reformhaus bekannter machen. „Die Hälfte aller Reformhäuser in Deutschland und Österreich beteiligen sich gemeinsam mit den Herstellern am Werbeetat, aber alle profitieren von den Kampagnen.“

Online-Reformhäuser: Den Zug nicht verpassen

„Ohne Internet geht nichts mehr und die Vernetzung wird immer enger“, prognostiziert Escher, sieht darin aber durchaus auch Chancen und Potenziale begründet. Dass nämlich Online-Kunden nur das Offline-Geschäft schwächen, hält er als überholte Denke. Jeder online erzielte Umsatz könne vielmehr das doppelte im Offline-Geschäft nach sich ziehen, wenn Online- und Offline-Welten entsprechend verwoben sind – Stichwort Omnichannel. Hinzu kommt, dass sich die Einzelhandelslandschaft nicht erst seit COVID-19 im Wandel befindet, die Fußgängerzonen kürzer werden, Innenstadtlagen und Einkaufszentren durch die Einschränkungen an Flair verlieren.

Gemeinsam ganz weit oben

Online zu denken, bedeutet letztlich gefunden und gesehen zu werden. Ein möglichst gutes Ranking im Auge zu haben und den Platzhirschen auf dem Markt für Onlineversand und ihrer erdrückenden Konkurrenz die Stirn bieten zu können. Auch Amazon etwa ist mit einschlägigen Angeboten im Netz vertreten. Schulterschluss heißt auch hier das Rezept. Mehr als zehn Jahre ist es her, dass die 17 Reformhausinhaber der Vita Nova mit insgesamt 161 stationären Geschäften die Vita Nova Internet GmbH ins Leben gerufen haben.

Diese eigenständige Gesellschaft übernimmt alles rund um E-Commerce für Vita Nova: den Online-Shop, Marketingmaßnahmen wie Newsletter, Facebook, Instagram, Werbung, ebenso die gesamte Logistik. Auch die anderen Gruppen sowie die Reformhaus eG betreiben eigene Online-Shops. Nach dem Motto „Einer für alle und alle für Einen“ wollen die Reformhäuser gemeinsam mit der Genossenschaft das Thema eines zentralen Online-Shops für alle Reformhäuser strategisch nach vorne treiben und stark auf Digitalisierung setzen. Dazu gibt es auch den Austausch mit anderen erfolgreichen Genossenschaften. Insgesamt besteht großer Optimismus in der Branche, die Reformhäuser wollen sich dem Markt stellen, wissen aber auch, dass Sie sich diesem stellen müssen. Die Weichen in eine erfolgreiche Zukunft scheinen durch Online-Reformhäuser und Kooperationen gestellt zu sein.

Lesen Sie auch: New Retail: Dank Digitalisierung klappt der Weg aus der Krise


Teilen Sie die Meldung „Online-Reformhäuser: So wollen sie Amazon die Stirn bieten“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top