14.12.2010 – Kategorie: Fertigung, Handel, IT, Marketing, eCommerce

Kundenbindung im grenzüberschreitenden E-Commerce

Derzeit sind die großen Marktanteile im Online-Handel noch maßgeblich im nationalen Handel angesiedelt, aber der Anteil des grenzüberschreitenden Handels wächst. Doch wie kann man Kunden jenseits der Ländergrenzen tatsächlich gewinnen – und, viel wichtiger noch, auch langfristig halten?

Kunden über Ländergrenzen hinweg zu gewinnen, ist eine große Chance, aber auch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für jeden Online-Händler. Vor allem dann, wenn mit den Ländergrenzen auch Sprachbarrieren überwunden werden müssen, steckt im Internationalisierungsprozess einiges an Arbeit. Und so verwundert es nicht, dass viele Händler ihren Sprung über die Ländergrenzen hinweg erst einmal in Länder mit gemeinsamer sprachlicher Grundlage machen.

Das Ergebnis einer Umfrage des internationalen Shopping-Guides LeGuide.com macht dies mehr als deutlich. Dort nennen fast 80 Prozent aller deutschen Online-Händler Österreich als das Land, in das der grenzüberschreitende Verkauf am besten funktioniert. Den belgischen Markt wiederum bevorzugen französische und niederländische Händler. Und obwohl die Zollbedingungen den Handel mit der Schweiz deutlich erschweren, sind immerhin noch vier Prozent der deutschen Händler der Meinung, der eidgenössische Alpen-Nachbar sei der einfachste Zielmarkt. Eine gemeinsame Sprache fördert also das gemeinsame Geschäft. Doch jenseits der Sprachbarrieren schlummern natürlich noch weitaus größere Kundenpotenziale – wie lassen diese sich erschließen?

Übersetzung und Lokalisierung

Wenn der Händler für sich entschieden hat, welche Zielmärkte für ihn interessant sind (eine Marktrecherche kann hier Aufschlussreiches zutage fördern), ist in einem ersten Schritt die Übersetzung und Lokalisierung des Shops anzugehen. Von den Produktbeschreibungen bis hin zu Text-Links, Navigationspunkten und Buttons müssen die im Shop verwendeten Texte in die entsprechenden Sprachen übersetzt werden. Dabei sollte besonders im Bereich der Shopdialoge (etwa während des Bestellablaufs) auf die gängigen Formulierungen im Zielland geachtet werden. Wer beispielsweise das im Französischen weit verbreitete „Identifiez-vous“ im Deutschen wörtlich mit „Identifizieren Sie sich“ wiedergeben würde, anstatt auf eine der üblichen Formulierungen wie „Login“ oder „Anmelden“ zurückzugreifen, würde beim deutschen User zumindest auf Verwunderung, meistens sogar auf Ablehnung stoßen. Und andersherum ist der im Deutschen absolut gängige Anglizismus „Login“ in französischen Online-Shops kaum anzutreffen. Ein Übersetzer, der mit der Internationalisierung des Shops beauftragt wird, sollte also idealerweise auch im E-Commerce zu Hause sein und entsprechende Texterfahrungen aus den Online-Shops des Ziellands mitbringen.

Die heute gängigen Shopsoftware-Systeme enthalten meist bereits mehrsprachige Shopdialoge, aber auch hier ist Vorsicht geboten. Zu häufig sind die mitgelieferten Übersetzungen unvollständig oder fehlerhaft – hier sollte ein Übersetzer zumindest mal einen Blick drauf werfen. Nichts ist ärgerlicher, als wenn ein kaufwilliger Kunde kurz vor Abschluss der Bestellung abbricht, weil ihm der Bestellablauf unprofessionell erscheint. Denn bereits hier setzt die wichtigste Aufgabe jedes Online-Händlers in Sachen Kundengewinnung ein: Vertrauensaufbau.

Nähe schafft Vertrauen

Begriffe wie „Fernabsatz“ oder „Distanzhandel“ machen es schnell deutlich: die Entfernung vom Kunden ist eine maßgebliche Eigenschaft dieses Vertriebswegs – und häufig auch das entscheidende Problem. Denn je größer die (gefühlte) Entfernung, desto größer der Vertrauensvorschuss, den der Kunde dem Händler – und umgekehrt auch der Händler dem Kunden – entgegenbringen muss. Vertrauen ist deshalb eines der höchsten Güter im Online-Handel. Das haben schon so einige erkannt und aus diesem Bedarf bereits einen florierenden Markt geschaffen: Gütesiegel und Prüfzertifikate für Online-Shops gehören zu den erfolgreichsten Dienstleistern des E-Commerce.

Ein international etabliertes Gütesiegel (wie etwa Euro-Label) kann also ein erster Schritt sein. Noch wichtiger ist jedoch, dass der Shop sowohl auf den ersten Blick als auch beim tieferen Einsteigen einen vertrauenswürdigen Eindruck macht – und Nähe schafft. Das gelingt im internationalen Handel nur mit fehlerfreien, länderspezifisch aufbereiteten Übersetzungen. Denn schon hier beginnt der vertrauensbildende Prozess der Kommunikation: Kunden kaufen dort, wo sie verstehen und sich verstanden fühlen.

Kundenbindung durch Kommunikation

Nehmen wir an, wir haben den Kunden mit einem professionellen Design, ansprechenden Produktbeschreibungen und passenden Shopdialogen so weit überzeugen können, dass er eine Bestellung aufgibt. Glückwunsch – erster Schritt geschafft! Doch wie lässt es sich bewerkstelligen, dass der Kunde auch wiederkommt? Denn wie überall im Handel gilt auch beim grenzüberschreitenden Verkauf: Kunden halten ist günstiger als Kunden gewinnen.

Neben den selbstverständlichen Grundlagen eines erfolgreichen Online-Händlers (gute Produktqualität, schnelle Lieferung) kommt nun einer der zentralen Erfolgsfaktoren für die Vertrauensbildung ins Spiel: reibungslose Kommunikation. Gerade dieser Aspekt wird im internationalen Online-Handel jedoch häufig schlicht vernachlässigt. Die E-Mail-Vorlagen für Bestell- und Versandbestätigung mögen vielleicht noch mit im Übersetzungsauftrag enthalten gewesen sein – aber was passiert, wenn der Kunde nun plötzlich auf Spanisch eine individuelle Anfrage stellt? Viele Händler merken erst, wenn diese erste Anfrage ins Postfach flattert, dass der Internationalisierungsprozess mit der einmaligen Beauftragung eines Übersetzers keineswegs abgeschlossen ist, sondern als kontinuierlicher Prozess mit eingeplant werden muss.

Mit technischen Hilfsmitteln, beispielsweise Tools für automatisierte Übersetzungen, mag sich in einigen Fällen zumindest herausfinden lassen, was der Kunde denn will – vorausgesetzt, er hat sich an die gängige Rechtschreibung gehalten, Standardsätze formuliert und nicht zu viele Abkürzungen verwendet (erfahrungsgemäß ein eher seltener Fall in der klassischen E-Mail-Kommunikation). Und dem Kunden wiederum eine automatisch übersetzte Antwort zurückzusenden, mag sogar im einen oder anderen Fall das akute Problem lösen, häufiger aber zu Missverständnissen und Irritationen führen – zum Vertrauensaufbau und damit zur Kundenbindung trägt es zweifelsohne nicht bei.

Wer auf die Schaffung langfristiger Kundenbeziehungen bedacht ist, ist deshalb besser beraten, eine professionelle Lösung für die fremdsprachige Kundenkommunikation zu finden: entweder entsprechende Mitarbeiter (beispielsweise eine Fremdsprachensekretärin) einzustellen, oder – wenn sich dies nicht lohnt – einen externen Dienstleister zu beauftragen. Und der britische Kunde, der bei einem deutschen Online-Shop das Gefühl hat, dass man ihn ernstnimmt und im wahrsten Sinne des Wortes versteht, wird im Zweifel auch wieder auf denselben Shop zurückkommen, sogar wenn es sein gewünschtes Produkt für ein paar Euro weniger bei der Konkurrenz zu kaufen gibt.

First-Mover-Chancen nutzen!

Klingt nach Arbeit? Nicht ganz falsch – aber zu bewältigen. Lohnen wird es sich auf jeden Fall, denn das Zusammenwachsen des europäischen (Online-)Markts hat gerade erst begonnen. Die EU-Kommission bringt derzeit zahlreiche Harmonisierungsbestrebungen auf den Weg, die den innereuropäischen E-Commerce vereinfachen sollen – spätestens damit wird viel Bewegung in den Markt kommen. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass heute Konsumenten den Großteil ihrer Weihnachtsgeschenke online einkaufen würden? So wie dies inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden ist, wird es in ein paar Jahren genauso selbstverständlich sein, dass darunter auch Handtaschen aus Großbritannien oder Parfums direkt aus Frankreich sind. Wer die Vorteile eines wachsenden Marktes nutzen möchte, sollte diese Chance also auf keinen Fall verpassen!

(Autor: Dr. Katja Flinzner ist Inhaberin des individuellen Sprachenservices „mehrsprachig handeln“. Die handelserfahrene Romanistin unterstützt unter anderem Online-Händler auf ihrem Weg in den internationalen Markt.)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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