04.08.2020 – Kategorie: Handel
Lagerfinanzierung: Wie Händler dadurch ihr E-Commerce-Angebot ausbauen können
Die Corona-Krise war für den Handel eine Herausforderung: zurückhaltende Käufer, geschlossene Geschäfte und Umsatzeinbrüche. Nun gilt es, das eigene Online-Angebot auszubauen. Wie eine Lagerfinanzierung dabei helfen kann, erklärt Gastautor Carl-Jan von der Goltz von Maturus Finance.
Die Corona-Pandemie und der Lockdown haben gerade den stationären Einzelhandel hart getroffen. Kontaktverbote wurden verhängt, die meisten Läden mussten zwangsweise schließen. Mit der Lagerfinanzierung besteht für Händler eine Möglichkeit, das E-Commerce-Geschäft auszubauen.
Obwohl manche Beobachter den Onlinehandel als den Gewinner der Krise sehen, zeigt sich bei genauerer Betrachtung ein differenziertes Bild: So geben in einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbandes Bitkom zwar 20 Prozent der Befragten an, seit Ausbruch der Pandemie mehr im Internet zu bestellen. Zugleich erklärten aber auch 29 Prozent, sie würden seither weniger online bestellen. In der Corona-Krise haben viele Menschen ihr Konsumverhalten verändert. Aufgrund der unsicheren Situation kaufte mancher nur noch das Nötigste. Auch im E-Commerce kam es teilweise zu einer Flaute, insbesondere in den Bereichen Mode, Kleidung oder Elektronik.
Nutzer wünschen sich regionale E-Commerce-Angebote
Viele stationäre Einzelhändler befinden sich derzeit in einer existenzbedrohenden Situation wieder, da sie fast zwei Monate lang keine Kunden empfangen durften. Jedoch zeigt die Bitkom-Studie eine große Loyalität der Käufer. So gaben in der Befragung 66 Prozent an, auch online bevorzugt bei ihren bekannten Einzelhändlern aus der Region zu bestellen – insofern diese einen Onlineshop unterhielten.
Hier hat Corona allerdings große Defizite gerade bei vielen kleineren regionalen Händlern gezeigt. Oft hatten diese kein angemessenes E-Commerce-Angebot und mussten während des Lockdowns improvisieren. Sammelportale für regionale Händler wurden kurzfristig eingerichtet, manche Anbieter nutzten Social Media, um Bestellungen ihrer Kunden entgegenzunehmen. Das oftmals ein Mangel an regionalen Angeboten besteht, schlägt sich auch in der Umfrage nieder: 65 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Onlineangebote ihrer Händler.
Manche E-Commerce-Anbieter hatten zur Zeit des Lockdowns mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen. Neben der Konsumflaute einerseits, waren hier manche Produkte gerade aus dem Medizin- oder Hygienebereich so stark nachgefragt, dass sie schnell vergriffen waren oder die Lieferzeiten in den Artikelbeschreibungen auf Wochen anwuchsen.
Lagerfinanzierung hilft Händlern bei den Investitionen
Nun, da sich die Lage entspannt, wird sich auch der Konsum schrittweise normalisieren. Viele On- und Offline-Händler versuchen jetzt, ihr Geschäft zu stabilisieren und Lehren aus dem Lockdown zu ziehen. Es gilt, Einnahmeausfälle zumindest teilweise abzufedern, das eigene E-Commerce-Angebot auszubauen – oder erstmalig aufzusetzen –, das Sortiment zu überdenken, Lagerkapazitäten zu erhöhen oder die Logistik zu verbessern.
Für alle diese Maßnahmen und Investitionen sind liquide Mittel nötig, die nicht jeder Händler sofort bereitstellen kann: Viel Geld fließt derzeit in die Aufrechterhaltung des Betriebes. Auch ein Bankkredit steht nicht jeder Firma zu Verfügung. Vor allem nicht, wenn es über keine Top-Bonität verfügt oder klassische Sicherheiten wie Gebäude nicht zur Verfügung stehen oder bereits durch bestehende Kredite verhaftet sind. Der Finanzierungsmarkt hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Deshalb können Unternehmen heute auf Möglichkeiten wie Factoring, unbesicherte Kredite von alternativen Finanzierern oder Leasing-Modelle zurückgreifen. Zu diesen alternativen Modellen zählt auch die objektbasierte Lagerfinanzierung.
Was ist unter Lagerfinanzierung zu verstehen
Mit einer Lagerfinanzierung können E-Commerce-Anbieter, stationäre Händler aber auch Produktionsbetriebe kurzfristig Liquidität erzeugen. Oft ist in diesen Unternehmen viel Kapital in Asset-Form gebunden. Das kann von Umlaufvermögen wie Waren, Lagerbeständen oder Rohstoffen bis hin zu mobilem Anlagevermögen wie Maschinen oder Fahrzeugen reichen. Bei der klassischen Bankenfinanzierung bleibt dieses Potenzial meist ungenutzt. Die Lagerfinanzierung hingegen stellt genau auf die Objekte ab. Dadurch können beispielsweise Händler ihr werthaltiges Warenlager als Sicherheit für einen alternativen Kredit einsetzen.
Wann lohnt sich eine Lagerfinanzierung?
Ein Lagerkredit eignet sich bei kurzfristigem Kapitalbedarf, wie er derzeit bei vielen E-Commerce-Anbietern und Einzelhändlern besteht. Die Höhe des Darlehens liegt in der Regel zwischen 250.000 und drei Millionen Euro. Die Laufzeiten bewegen sich zwischen einem halben Jahr und zwei Jahren. Das Modell eignet sich, um akuten Kapitalbedarf abzudecken, aber auch für eine ganze Reihe weiterer Anlässe:
- Abfedern von Saisoneffekten oder Flauten
- Überbrückungsfinanzierung
- Einkaufsfinanzierung, Sichern von Skonti
- Aufstockung des Lagers für bessere Verfügbarkeit
- Investitionen in neue Prozesse und Geschäftsbereiche
- Wachstumsfinanzierung
- Restrukturierung und Sanierung
So läuft eine Lagerfinanzierung ab
Ein E-Commerce-Anbieter, der beispielsweise seine Lagerlogistik durch einen erhöhten Automatisierungsgrad optimieren möchte, meldet sich unverbindlich bei einem Finanzierungspartner. Im Gespräch werden die Eckpunkte einer möglichen Finanzierung besprochen. Für eine erste Prüfung übermittelt der Unternehmer dem Partner anschließend Daten wie die aktuelle Lagerliste, seine Bilanz oder seine betriebswirtschaftliche Auswertung. Nach einer „Schreibtischbewertung“ legt ein versierter Finanzierer dem Onlinehändler bereits innerhalb von zwei Tagen ein indikatives Angebot vor.
Sind die Aussichten gut, folgt ein Besichtigungstermin vor Ort. Dabei wird der Warenbestand des Händlers analysiert. Um den Prozess weiter zu beschleunigen, kann sich der Finanzierer für die Bestandsaufnahme auch mit dem digitalen Warenwirtschaftssystem des Unternehmens vernetzen. Nach Klärung weiterer erforderlicher Fragen und Formalitäten nimmt der Vertrag über die Lagerfinanzierung innerhalb kurzer Zeit Gestalt an. Ist dies geschehen, wird der Kredit in der Regel innerhalb von zwei bis vier Wochen von einer Partnerbank bereitgestellt.
Vorhandene Assets entscheiden über eine Lagerfinanzierung
Bei der Lagerfinanzierung sind die werthaltigen Assets einer Firma das wichtigste Vergabekriterium. Sie müssen daher bestimmten Anforderungen entsprechen. Beleihbares Umlaufvermögen besteht vor allem aus wertbeständigen und sekundärmarktfähigen Handelsgütern sowie werthaltigen Lagerbeständen. Einzelprodukte oder verderbliche Waren sind von einer Beleihung hingegen ausgeschlossen. Sollte ein Unternehmen zudem beleihbare Assets wie Maschinen oder Fahrzeuge besitzen, gelten auch hier bestimmte Kriterien. So besteht taugliches Anlagevermögen in werthaltigen, handelsüblichen und mobilen Maschinen-, Anlagen- oder Fuhrparks. Das schließt Einzelmaschinen sowie Prototypen und Spezialanfertigungen aus.
Um Tauglichkeit und Beleihungswert der Assets zu ermitteln, prüft der Finanzierer zum Beispiel den Warenumschlag der letzten Monate. Außerdem kann auf Kennzahlen des Betriebes zurückgegriffen werden. Dadurch ergibt sich ein realistisches Bild des Geschäftsalltags und der Unternehmensentwicklung. Mit diesem Wissen kann die Gestaltung des Kreditrahmens konkret auf die Bedürfnisse des Onlinehändlers abgestimmt werden.
Umlaufvermögen, das für eine Lagerfinanzierung infrage kommt:
- Fungible, wertbeständige und sekundärmarktfähige Handelsgüter
- Werthaltiger, liquider Lagerbestand
- Lagerbestand mit mindestens zwei Warenumschlägen pro Jahr
- Auftragsbezogener Warenbestand
Umlaufvermögen, das sich nicht für die Lagerfinanzierung eignet:
- Einzelprodukte
- Eigenprodukte mit nur einem Abnehmer oder einem Absatzkanal
- Halbfertige Produkte
- Verderbliche Waren
- Waren mit Mindesthaltbarkeit von weniger als 12 Monaten
Über den Autor: Carl-Jan von der Goltz ist geschäftsführender Gesellschafter der Maturus Finance GmbH. Zuvor war er Senior Risk Manager für strukturierte Finanzierungen bei der HypoVereinsbank in München. Von der Goltz studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Freiburg sowie Hamburg und absolvierte sein Assessor-Examen in Düsseldorf. (sg)
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