22.07.2022 – Kategorie: Logistik
Lieferketten in der Krise: Steigende Kosten und sinkende Aufträge
Die weltweiten Lieferketten haben sich im zweiten Quartal zum zweiten Mal in Folge verlangsamt und sind um weitere sechs Punkte gesunken. Das geht aus dem neuen Index of Global Trade Health von Tradeshift hervor.
Die Auftragsvolumina im Netzwerk von Tradeshift fielen im zweiten Quartal auf einen neuen Tiefstand und sanken um weitere sechs Punkte. Bereits im vorangegangenen Quartal war der Index der Lieferketten bereits um sieben Punkte zurückgegangen, zeigt der Bericht „Index of Global Trade Health“ von Tradeshift. Der Mangel an neuen Aufträgen beginnt sich auf die Lieferanten auszuwirken, die noch vor kurzem mit der steigenden Nachfrage zu kämpfen hatten. Die Zahl der von den Lieferanten eingereichten Rechnungen ging im zweiten Quartal um sieben Punkte zurück, der stärkste Rückgang seit einem Jahr.
Die Auftragslage mag sich abschwächen, aber die Analyse von Tradeshift zeigt, dass die Kosten seit Anfang des Jahres stark gestiegen sind. Der durchschnittliche Wert einer auf der Plattform von Tradeshift eingereichten Rechnung ist seit Anfang 2022 um elf Prozent gestiegen, verglichen mit einem bescheideneren Anstieg von 3,5 Prozent im Jahr 2021.
Vielfältige Herausforderungen betreffen die Weltwirtschaft
Die derzeitige Inflationswelle hat mehrere Ursachen, von denen einige mit der Pandemie zusammenhängen. In der gesamten Weltwirtschaft kommt es immer wieder zu Unterbrechungen der Lieferketten. Covid-19-Fälle in China und die Verhängung von Abriegelungsmaßnahmen führen weiterhin zu Problemen. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine erhöht den Druck weiter, insbesondere auf die Energie- und Lebensmittelpreise.
„Viele der aktuellen Herausforderungen in der Lieferkette, einschließlich der Inflation, haben ihre Wurzeln in der Pandemie. Einige dieser Probleme sind vorübergehend, aber die größeren Probleme, wie Arbeitskräftemangel, geopolitische Spannungen und die Energiewende, sind strukturell und laufen Gefahr, sich zu verfestigen, wenn die Unternehmen jetzt nicht entschieden handeln“, erklärt Christian Lanng, CEO von Tradeshift.
Lieferketten entwickeln weltweit ähnlich
Die Analyse von Tradeshift zeigt ein bemerkenswert ähnliches Muster in den regionalen Lieferketten auf der ganzen Welt:
- Die gesamte Handelsaktivität im Vereinigten Königreich und im Euro-Raum ging um fünf Punkte zurück. Hierbei lagen die Auftragseingänge und Lieferantenrechnungen unter dem erwarteten Bereich.
- Die US-amerikanischen Lieferketten schnitten etwas besser ab als der weltweite Durchschnitt. Das Transaktionsvolumen lag im zweiten Quartal um vier Punkte unter der erwarteten Spanne. Aber das Volumen der Neuaufträge ist nach wie vor gering.
- Der chinesische Handel hatte ein weiteres schwieriges Quartal, da neue Abriegelungsmaßnahmen in wichtigen Städten zu einem weiteren Rückgang des Transaktionsvolumens um sieben Punkte gegenüber der erwarteten Spanne beitrugen.
Im ersten Quartal 2022 löste der Ausbruch des Krieges in der Ukraine den stärksten Rückgang der Aktivitäten aus, der auf der Tradeshift-Plattform seit den ersten Tagen der Pandemie gemessen wurde. Im zweiten Quartal waren die Auswirkungen weit weniger gravierend. Die gesamte Handelsaktivität lag nur 6 Punkte unter dem Ausgangswert, verglichen mit 14 Punkten im ersten Quartal. Die Rechnungsvolumina haben im zweiten Quartal an Schwung verloren. Das deutet darauf hin, dass der Auftragsrückgang aus dem ersten Quartal allmählich auf die Lieferanten übergreift. Das Auftragsvolumen erholte sich im zweiten Quartal, aber das Wachstum ist geringer als erwartet. Es bleibt gegenüber dem Vorquartal unter dem Ausgangswert.
Covid-19 und Ukraine-Krieg verursachen Störungen der Lieferketten
Einem aktuellen Bericht von Accenture zufolge könnten die durch Covid-19 und den Krieg in der Ukraine verursachten Störungen bis 2023 zu einem Rückgang des BIP im Euro-Raum um bis zu 920 Milliarden Euro (oder 7,7 Prozent) führen. Eine Reihe von Vorschriften zur Dekarbonisierung der Lieferketten dürfte kurzfristig weitere Herausforderungen und noch höhere Kosten mit sich bringen. Aber eine Konzentration auf nachhaltige Beschaffung und grüne Energie könnte Europas beste Hoffnung sein, den derzeitigen Zyklus zu durchbrechen.
Geringere Aktivitäten der Transport- und Logistikbranche
Die Daten von Tradeshift deuten darauf hin, dass die rückläufige Nachfrage auch zu einer Abkühlung der Aktivitäten in der gesamten Transport- und Logistikbranche führt. Die Transaktionsvolumina fielen zum ersten Mal seit einem Jahr unter die erwartete Spanne. Und zwar, nachdem die Aktivität im Vergleich zum Vorquartal um fünf Prozentpunkte gesunken war. Auch die Aktivitäten im verarbeitenden Gewerbe und im Einzelhandel blieben unter dem erwarteten Wert. Die Ausgaben im Technologiebereich erholten sich im zweiten Quartal deutlich. Die Aktivität bewegte sich innerhalb der prognostizierten Spanne.
„Es wäre eine ganz natürliche Reaktion, wenn die Unternehmer die Korken knallen lassen und warten würden, bis der aktuelle Sturm vorüber ist. Aber viele der Probleme, mit denen die Lieferketten heute konfrontiert sind, werden auch in einem Jahr noch bestehen. Wie lange kann ein Unternehmen den Atem anhalten, bevor ihm die Luft ausgeht? Die meisten Führungskräfte, mit denen ich spreche, haben den Horizont im Blick. Sie treiben die dringend notwendigen Investitionen in Technologien voran, um flexibler, widerstandsfähiger und nachhaltiger zu werden“, kommentiert Christian Lanng.
Zur Methodik des Tradeshift Index of Global Trade Health
Viele der weltweit größten Einkäufer und ihre Lieferanten nutzen die Handelstechnologie-Plattform von Tradeshift, um digitalisierte Einkaufs- und Rechnungsdaten auszutauschen. Der Tradeshift Index of Global Trade Health analysiert anonymisierte Transaktionsdaten, die über die Plattform fließen. Als Transaktionsvolumen und Lieferkettenaktivitäten definiert Tradeshift alle Handelsaktivitäten und Forderungen aus Lieferantenzahlungen. Der Index gibt einen zeitnahen Überblick darüber, wie sich externe Ereignisse auf den Business-to-Business-Handel auswirken. Zusätzliche Umfragen und Kundeninterviews ergänzen den Report.
Tradeshift ist im Bereich E-Invoicing und Automatisierung der Kreditorenbuchhaltung sowie im Bereich B2B-Marktplätze und Zugang zu Lieferantenfinanzierung tätig. Die Cloud-basierte Plattform unterstützt Einkäufer und Lieferanten, den Einkauf und die Rechnungsbearbeitung zu digitalisieren. Außerdem dabei, die Arbeitsabläufe in Beschaffung und der Kreditorenbuchhaltung zu automatisieren und schnell zu skalieren. (sg)
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