10.03.2023 – Kategorie: Logistik
Lieferkettengesetz 2023: So können es Unternehmen leichter einhalten
Mehr Bürokratie und höhere Kosten: Die bevorstehende Einführung des Lieferkettengesetzes stellt Unternehmen in Deutschland vor große Herausforderungen, bietet gleichzeitig aber auch Chancen beim Recruiting und der Optimierung von eigenen Nachhaltigkeits-Anstrengungen.
Im Januar 2023 ist das neue Lieferkettengesetz in Deutschland in Kraft getreten. Unternehmen werden in punkto Compliance deutlich stärker in die Pflicht genommen. Ziel des Gesetzes, das zudem schon bald auch ein europäisches Pendant bekommen wird, ist es, den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern. Dazu gehört die Einhaltung grundlegender Menschenrechtsstandards wie das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Unternehmen in Deutschland ab einer Größe von zunächst von 3.000 Mitarbeitern sind mit klaren Anforderungen innerhalb der eigenen Lieferkette konfrontiert.
Das ist zum einen Herausforderung, bietet aber auch die Chance, sich als attraktiver und wirtschaftlich zukunftsfester Arbeitgeber zu positionieren und so im „war for talents“ zu punkten. Das belegt eine aktuelle Umfrage von Lufthansa Industry Solutions. 71 Prozent der Befragten würden sich demnach bei Verstößen gegen Menschenrechte oder Umweltstandards kurz- bis mittelfristig einen neuen Arbeitgeber suchen. Für 61 Prozent ist ein Arbeitgeber, der sich konsequent an soziale und ökologische Standards hält, sogar wichtiger als ein möglichst hohes Gehalt.
Lieferkettengesetz 2023: Mehr Bürokratie und höhere Kosten
Bei der Umsetzung der neuen Anforderungen stehen die Unternehmen laut einer Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) vom Frühjahr jedoch vor Problemen. Erhöhter bürokratischer Aufwand, höhere Kosten, Haftungsrisiken und mögliche Rechtsunsicherheit sowie die Intransparenz der eigenen Lieferkette werden am häufigsten genannt. Wie also können sich Verantwortliche bestmöglich vorbereiten? Je nach dem, wie neu das Thema für ein Unternehmen ist, und ob es beispielsweise bereits einen Beauftragten oder eine Abteilung für Nachhaltigkeit gibt, stellt sich zunächst die Frage, ob externe Unterstützung hinzugezogen werden sollte. Laut DIHK-Studie kommen deutlich über die Hälfte (57 Prozent) der Unternehmen zu dem Schluss, Hilfe von außen zu benötigen, und zwar vor allem bei der Überprüfung der Lieferkette, der Rückverfolgung der Zulieferer und bei Kontrollen und Nachforschungen vor Ort.
Lieferkettengesetz 2023: Die eigenen Kundendaten konsolidieren
Dabei fängt das Problem meist schon bei der Datenqualität im eigenen Betrieb an. In vielen Fällen ist sie unzureichend, Informationen liegen verteilt in nicht verbundenen Stammdatenverwaltungssystemen und damit inkonsistent vor. Besser sieht es in der Regel bei Unternehmen aus, die bereits umfangreiche know-your-customer-Prozesse (KYC) implementiert haben, beispielsweise weil sie mit Zulieferern in Regionen zusammenarbeiten, die Gefahr laufen, in Sanktionslisten ausgewiesen zu werden. In jedem Fall gilt: Eine interne Datenkonsolidierung und ein automatisierter Abgleich mit spezialisierten Daten- und Serviceanbietern reduziert den Verwaltungsaufwand enorm. Außerdem bietet sie eine deutlich höhere Rechtssicherheit sowohl bei einem Sanktionslisten-Abgleich als auch bei der Prüfung der Lieferkette auf Nachhaltigkeitskriterien.
ESG-Scores schaffen mehr Transparenz
Neben einer formalisierte Lieferanten-Selbstauskunft, die alle Beteiligten in der Lieferkette ausfüllen müssen, können Unternehmen von verschiedenen Datenanbietern entweder einen aggregierten ESG (Environmental, Social und Governance) Score für jeden ihrer Lieferanten abrufen, oder aber detaillierte Auskünfte über die einzelnen Kriterien des ESG erhalten. Während man mit detaillierte Daten noch zusätzlich Einblick erhält, kann man auch schon mit einem ESG-Score auf wie unter einer Lupe auf einen Blick erkennen, ob der Lieferant im Sinne des ESG unkritisch ist, oder eine weitere Zusammenarbeit aufgrund potentieller Verstöße eventuell ein erhöhtes Risiko birgt. Solche Scores, die bei der Bonitätsbewertung von Unternehmen längst Standard sind, stehen im ESG-Bereich zwar noch ganz am Anfang. Sie werden sich aber mit Sicherheit mittelfristig durchsetzen.
Schließlich ist es unbedingt ratsam, bei der Umsetzung der Prüfungs- und Bewertungsprozesse im Unternehmen eine zukunftssichere, jederzeit erweiterbare Umgebung zu schaffen. Bereits das europäische Lieferkettengesetz 2023, das Unternehmen als Richtlinie in den EU-Staaten innerhalb von zwei Jahren umsetzten müssen, definiert weitere ESG-Kriterien entlang der Lieferkette. Beispielsweise sind darin Unternehmen ab einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro verpflichtet, ihre interne Politik mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu vereinbaren. Berechnungen zum CO2-Footprint von Unternehmen und Produkten spielen auch heute schon eine Rolle, zum Beispiel bei öffentlichen Ausschreibungen.
Es ist davon auszugehen, dass der mit dem deutschen Lieferkettengesetz früh angestoßene Prozess in den kommenden Jahren weiter vertieft wird. Aktuelle Konfliktherde rücken auch die Sanktionslistenprüfung immer stärker in den Fokus. Automatisierte Prüfungs- und Bewertungssysteme tragen dazu bei, Lieferketten transparenter zu gestalten und gleichzeitig die Kosten für Unternehmen zu reduzieren und den Aufwand beherrschbar zu machen.
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Die Autorin Birgit Winn ist Senior Manager für die Compliance-Produktgruppe bei der Münchener SHS Viveon AG.
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