13.09.2021 – Kategorie: Handel
Logistikimmobilien – diese Strategien wirken dem Flächenmangel entgegen
Der anhaltende Boom des E-Commerce sorgt bei Logistikdienstleistern für übervolle Auftragsbücher. Doch es fehlt nicht nur an Platz in den Regalen, sondern vor allem an geeigneten Logistikimmobilien und Baugrundstücken. Dabei erfordern die stetig steigenden Warensortimente und -volumina neue Immobilienstrategien. Wie passt das zusammen?
Es ist ein grundsätzliches Dilemma in den Metropolregionen: Einerseits verlagert sich der Umsatz im Einzelhandel immer mehr in Richtung online, was durch die Lockdowns nochmals beschleunigt wird. Andererseits herrscht in den größten deutschen Städten nicht nur ein Mangel an Wohnungen, sondern auch Gewerbeflächen. Moderne städtische Logistikimmobilien sind zur effizienten Versorgung der letzten Meile für die Auslieferung der Ware zum Endkunden jedoch strategisch wichtig. City-Logistik-Einheiten fanden und finden sich bislang unter anderem in stadtnahen Gewerbeparks, doch inzwischen sind auch in diesem Segment nur noch wenige Flächen verfügbar.
Neue Konzepte für Logistikimmobilien
Logistikimmobilienentwickler und KEP-Dienstleister als typische Nutzer gehen daher verstärkt dazu über, ungenutzte Bestandsflächen umzuwidmen. Im Gespräch sind sowohl veraltete Handelsimmobilien als auch Parkhäuser, die zeitweise angemietet werden und als Mobile-Hubs dienen sollen. Diese dezentralen Konzepte sind in aller Regel mit alternativen Auslieferungsmethoden verbunden, unter anderem mit Elektro-Fahrrädern oder auch -Scootern. Zudem ändern einige E-Commerce-Händler gemeinsam mit ihren KEP-Dienstleistern die eigenen Immobilienkonzepte und Zustellstrategien.
So gehen einige Marktteilnehmer dazu über, sogenannte Delivery-Stationen etwas weiter vom Stadtkern entfernt zu realisieren. Diese können in einer effizienteren und engeren Taktung betrieben werden als innerstädtische Hubs. Der Fokus rückt damit weg von den am kürzesten möglichen Wegen in die Innenstadt und hin zu einer hocheffizienten Koordination des Warenumschlags und der Auslieferungen.
Andere Unternehmen wie Amazon konzentrieren sich auf den Schritt in die Vertikale – entweder in Form von Multi-Level-Immobilien mit eigener Außenrampe oder, indem sie betonierte Zwischendecken einziehen. Sehr kritisch zu bewerten: Die Drittverwertbarkeit dieser Immobilien ist nahezu ausgeschlossen.
Kooperationen als Teil der Lösung
Ein wichtiger nächster Schritt besteht darin, unternehmensübergreifende Kooperationen einzugehen. Wie das funktionieren kann, zeigt ein aktuelles Pilotprojekt zwischen Ford und dem Paketdienst Hermes in London. Dort werden Lieferfahrzeuge und Fußgängerkuriere per App koordiniert, wodurch sich ideale Übergabeorte automatisch ermitteln und schnellere Zustellungen gewährleisten lassen. Dies wird erst der Anfang sein. Mittelfristig werden sich auch Konkurrenzunternehmen zusammentun: Denkbar ist beispielsweise ein Konzept, bei dem zwei Textilhändler ihre hängend gelieferte Ware zu einzelnen Fuhren zusammenstellen. Auf diese Weise würden sowohl Logistikflächen als auch Fahrzeuge effizienter genutzt. Doch mit solchen innovativen Konzepten und Ideen in Innenstadtnähe ist es allein nicht getan. Denn auch bei den Zentral- und Regionallagern, also bei großflächigen Immobilien in strategisch wichtigen Lagen wie beispielsweise Erfurt oder Bad Hersfeld, werden die Baugrundstücke knapp.
Aktuell wird ein Ansatz erprobt, der die Flächeneffizienz von Logistikimmobilien stark erhöhen könnte: Einige Anbieter haben damit begonnen, ihre unterschiedlichen Vertriebskanäle – online, Omni-Channel-Stores, klassische Läden – logistisch zusammenzulegen. Das bedeutet, dass sowohl der Endkunde als auch die verschiedenen Ladeneinheiten aus ein- und derselben Immobilie heraus beliefert werden können.
Die Herausforderung, die es dabei zu lösen gilt, besteht jedoch darin, zwei unterschiedliche Lager- und Kommissionierungsstrategien unter einem Dach umzusetzen.
Problempunkt Flächenvergabe
Es gibt jedoch ein weiteres Problem: Selbst, wenn eigentlich Flächen zur Verfügung stünden, werden diese in zahlreichen Kommunen nicht für eine Logistiknutzung ausgewiesen, was eine zusätzliche Flächenverknappung erzeugt. Auch mögliche Bürgerinitiativen und moderate Gewerbesteuereinnahmen im Vergleich zu anderen Nutzungen spielen dabei eine Rolle.
Neben einer aktiven Aufklärungsarbeit durch Logistik- und Immobilienexperten spielt auch die ökologische Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle dabei, die Akzeptanz bei Anwohnern und Kommunen zu erhöhen. Eine aktuelle Studie der Logix-Initiative stellt beispielsweise heraus, wie sich der CO2-neutrale Betrieb einer Logistikimmobilie konzeptuell und baulich umsetzen lässt. Neben der potenziellen Imageverbesserung entspricht eine solche Bauweise auch den Umweltzielen vieler Verlader und Logistikdienstleister, die ihren ökologischen Fußabdruck minimieren wollen.
Mein Fazit: Die denkbaren Lösungsansätze sind also sehr zahlreich. Dennoch gibt es keinen Königsweg für die Entwicklung der idealen Immobilienkonzepte. Für Logistikdienstleister und Händler kommt es vielmehr darauf an, individuelle Strategien zu entwickeln und umzusetzen, die sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch nachhaltig sind. Dabei spielen jedoch nicht nur der Standort und die Konfiguration der Objekte eine wichtige Rolle, sondern auch sämtliche Logistikprozesse innerhalb und außerhalb der jeweiligen Immobilie.
Logistikimmobilien: Beispiele aus der Praxis
Vermietet an Amazon
Die Garbe Industrial Real Estate vermietet ihre Bestandsimmobilie in Kaiserslautern an Amazon. Von Sommer 2021 an wird der Online-Händler dort ein Verteilzentrum betreiben. Das Objekt bietet eine Hallenfläche von 4.400 Quadratmetern auf einem 31.000 Quadratmeter großem Grundstück. Momentan wird die Immobilie den Vorgaben von Amazon angepasst. Auf dem Außengelände entstehen Stellplätze für 76 Pkws und 168 Vans.
51.000 Quadratmeter für Handels-Logistik
Der Investor und Entwickler für Logistikimmobilien GLP vermietet eine 51.000 Quadratmeter große Logistikimmobilie an Radial Fulfillment. Dem Anbieter für Technologie und Dienstleistungen für den Onmichannel-Handel stehen am Standort Kassel Unit 3 nun zwei Logistikgebäude mit einer Hallenfläche von je 25.000 Quadratmetern zur Verfügung. Neben Büro- und Sozialflächen mit 700 Quadratmetern bietet Gebäude B auch eine Gleisanbindung.
P3 Logistics Parks baut für Amazon
Im Herbst 2021 soll das neue Verteilzentrum für Amazon in Neubrandenburg in Betrieb gehen. Auf einer Fläche von 9.400 Quadratmetern errichtet P3 Logistics Park eine Halle nach den Vorstellungen von Amazon für moderne Last-Mile-Konzepte. Die Immobilie soll mit den Nachhaltigkeitszielen von P3 übereinstimmen und die BREEAM-Einstufung „sehr gut“ erhalten – das bekannteste Zertifizierungssystem für nachhaltiges Bauen.
Gemeinsame Logistikflächen
Euziel, ein chinesisches auf Im- und Export spezialisiertes Unternehmen und einer der großen Amazon-Verkäufer hat mit Industrieimmbilien-Anbieter Prologis einen Mietvertrag über 43.000 Quadratmeter abgeschlossen. Der zweite Bauabschnitt der Logistik- und Büroflächen in Köln-Niel soll im September 2021 fertig werden. Im August 2020 wurde der erste Bauabschnitt auf einer Fläche von 113.000 Quadratmetern fertiggestellt.
Initiative Logistikimmobilien Logix
Logix, die Initiative Logistikimmobilien, will die Akzeptanz und den Stellenwert von Logistikimmobilien in Fachkreisen und der Öffentlichkeit erhöhen. Dazu haben sich Logistiker, Logistik-Immobilienentwickler und weitere Unternehmen zusammengeschlossen. Seit 2013 verleiht Logix im zweijährigen Rhythmus den Logix-Award für herausragende Logistikimmobilien in Deutschland. Dieses Jahr soll die Preisverleihung auf der Expo-Real im Oktober in München stattfinden.
Nachfrageüberhang prägt den Markt
In Düsseldorf verzeichneten die Vermietungs- und Eigennutzer-Aktivitäten im Logistikmarkt laut Colliers im Jahr 2020 einen Flächenumsatz von 160.500 Quadratmetern. Damit lag das Ergebnis etwa 26 Prozent unter dem Wert des Vorjahres etwa der Hälfte des Durchschnitts der vergangenen fünf Jahre (332.500 Quadratmeter). Vermietungen stiegen durch größere Abschlüsse von Dachser, Yusen Logistic oder Online-Food-Händler Picnic.
Lesen Sie auch: Logistikimmobilien in Deutschland – Flächennachfrage führt zu Rekordhalbjahr.
Der Autor Kuno Neumeier ist CEO der Logivest. 2011 gründete er in München das inzwischen bundesweit agierenden Beratungsunternehmen mit Fokus auf Logistikimmobilien und -standorte.
Teilen Sie die Meldung „Logistikimmobilien – diese Strategien wirken dem Flächenmangel entgegen“ mit Ihren Kontakten: