28.06.2013 – Kategorie: Handel, IT, Recht, eCommerce

Mit Predictive Analytics Erwartungen der Kunden treffen

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Nicht in der Technologie selbst, so der Data Scientist Jeff Hammerbacher, liegt der Wert von Big Data, sondern in den realen Problemen, die sich damit lösen lassen. Befragt nach dem Wert von Big Data im E-Commerce, hätte er vielleicht geantwortet: Mit der Analyse großer Datenmengen aus unterschiedlichsten Quellen lassen sich Geheimnisse lüften. Wer ist eigentlich der Kunde, der heute seine dritte Hip-Hop-CD im Onlineshop kauft? Weshalb gelangte die Besucherin des Marktplatzes für biologisches Bauen auf einem derart umständlichen Klickweg zum Gartenzaun aus nachhaltiger Holzwirtschaft und für was könnte sie sich sonst noch interessieren?

Datenspuren ermöglichen präzise Vorhersagen

Im Jahr 1996 gegründet, verfügt die Hochzeits-Website TheKnot.com heute über Daten von mehr als 23 Millionen amerikanischen Brautpaaren. Diese Datenbasis erlaubt es den Betreibern, Vorhersagen über das künftige Verhalten der Paare zu treffen. So haben sich die Besucher im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 400 Millionen Bilder von Brautkleidern über die Plattform angeschaut. Welche Modelle die beliebtesten werden würden, ließ sich so äußerst präzise prognostizieren – und das bei einem Markt von geschätzt fünf Billionen US-Dollar.

Auch überraschende Erkenntnisse förderte die Datenanalyse zutage: Wer bekommt die teuersten Geschenke? Paare, die sich Spenden für karitative Zwecke zur Hochzeit wünschen. Wenn Frauen aus Los Angeles im Juni heiraten, ist es wahrscheinlich, dass sie bereits im September schwanger sind, während sich Paare in Minneapolis häufig drei Jahre Zeit lassen, bis sie sich dazu entschließen, Eltern zu werden. Anhand von Kreditkartendaten, so die Betreiber der Plattform, lässt sich sogar die Scheidung der frisch Vermählten zwei Jahre im Voraus vorhersagen – und mithin ihr Kundenwert neu taxieren.

Software identifiziert aussagekräftige Daten

Upselling, Crosselling und eine Kundenwertsteigerung basieren auf sauberen Kundendaten und belastbaren Prognosen ihres Verhaltens. Die Analyse von Big Data zeichnet ein individuelles Bild des Kunden. Ziel ist es letztlich, ihn über den gesamten Lebenszyklus hinweg mit Angeboten und Informationen anzusprechen, die ihn wirklich interessieren. TheKnot.com zeigt eine zentrale Herausforderung in diesem Zusammenhang auf: Die Datenmenge auf den Webservern nimmt gigantische Dimensionen an. Es lohnt sich letztlich nur, einen Bruchteil der gesamten Daten im Marketing zu nutzen.

Professor Dr. Michael Feindt, Physiker und Gründer des Big-Data-Unternehmens Blue Yonder, analysiert bereits seit den 80er Jahren große Datenmengen. „Ganz gleich, ob Sie Texte, Bilder oder Videos auswerten: Sie müssen wissen, was Sie herausfinden wollen“, sagt er. Als Physiker am Kernforschungszentrum CERN ist er an Experimenten beteiligt, in denen pro Sekunde 40 Millionen Ereignisse mit insgesamt 1.000 TByte gemessen werden. Mit intelligenten Algorithmen werden noch während des Experiments extrem seltene potenziell interessante Ereignisse aus der Datenflut herausgefiltert. Nur eines von etwa zehn Millionen wird überhaupt abgespeichert. Professor Dr. Michael Feindt: „Ganz gleich, wie viele Daten das Unternehmen Tag für Tag sammelt, die Software erkennt relevante Muster in Echtzeit. Die auf diese Weise gewonnenen Informationen lassen sich zur gezielten Kundenansprache nutzen.“

Informationen aus internen Systemen und externen Quellen ergeben stimmiges Bild

Günther Harant, Beschaffungsleiter bei SportScheck, ergänzt aus Anwendersicht: „Im Onlinebereich haben wir es mit einer Vielzahl von Einflussfaktoren und einer immensen Informationsdichte zu tun. Wir benötigten eine Software, die diese Komplexität abbilden kann und zusätzlich das Besucherverhalten in all seinen Facetten einbezieht. Fehleinschätzungen können wir uns nicht leisten. Wirken sich diese doch deutlich auf das Geschäftsergebnis aus.“

Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Wirtschaft kommt es bei der Analyse von Big Data auf das Wissen der jeweiligen Fachleute an. Für Absatzprognosen beispielsweise sind Marktdaten und aggregierte Absätze interessant, nicht jedoch individuelle Kundendaten oder die Bonität der einzelnen Kunden. Beim Kundenmanagement im Onlineshop hingegen geht es um die Datenspuren jedes einzelnen Besuchers. Sie spiegeln sein Verhalten und lassen Rückschlüsse auf sein künftiges Verhalten zu. Das Wissen über das künftige Verhalten ermöglicht dem Onlinehändler, ihn individuell anzusprechen und Shop sowie Angebot kontinuierlich anzupassen. Neben seiner Klickhistorie, getätigten und abgebrochenen Käufen, Warenkörben und Listen mit gemerkten Waren gibt der Kunde auch jenseits des Webshops eine Menge von sich preis: Möglicherweise greift er über mobile Anwendungen auf die Angebote zu. Er kommentiert Anbieter oder Waren in sozialen Netzwerken oder er löst einen Coupon aus dem letzten Printkatalog beim Onlineeinkauf ein. Mit Predictive Analytics lassen sich diese Informationen bündeln und zentral auswerten.

Kündigungsrisiko für jeden Kunden bestimmen

Heinz Ohnmacht, Vorstandsvorsitzender der BGV/Badische Versicherungen, ergänzt ein weiteres Einsatzgebiet von Predictive Analytics im Kundenmanagement: „Bis auf die Vertragsnummer genau ermittelt Blue Yonder uns die Kündigungswahrscheinlichkeit.“ Je früher mit einer selbstlernenden Software die Unzufriedenheit oder Wechselbereitschaft eines Kunden erkannt wird, desto geringer sind die Kosten, ihn zu halten. Ist es bereits so weit gekommen, dass der Versicherer oder Onlineanbieter einen günstigeren Tarif, einen Zehn-Euro-Bestellgutschein oder gar ein exklusives Kundenevent anbieten muss, um das Ruder noch einmal herumzureißen, gilt es abzuwägen. Zum Customer Lifecycle Management gehört auch, den Wert des Kunden exakt zu taxieren. Ziel ist es, den Wert des Kundenbestandes insgesamt zu steigern. Auf Schnäppchenjäger und Retourenkönige verzichten E-Commerce-Anbieter mitunter gerne. Mit Predicitve Analytics wissen sie, welche Kunden das genau sind.

Autor: Dr. Astrid Schau, Wuppertal, ist freie Fachredakteurin und schreibt seit 2000 über Software und Strategien für Industrie und Handel.

Dieser Beitrag erschien erstmals im e-commerce Magazin 05/2013 im Schwerpunkt „Social Media Marketing“ 


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