Multi-Channel-Vertrieb: Wachstum durch private Konsumerfahrungen
Konsumenten kombinieren Vertriebskanäle im Kaufentscheidungsprozess je nach Bedarf beliebig. Während die persönliche Beratung und die Möglichkeit, Produkte anzufassen, im stationären Handel einzigartig sind, kann man im Internet bequem die Meinungen anderer Konsumenten einholen und hat die Möglichkeit, schnell und einfach Vergleiche anzustellen. Letztendlich wird der Kanal gewählt, der die Bedürfnisse in der aktuellen Kaufphase am besten befriedigt. So finden Informationssuche, Kaufanbahnung, Kaufimpuls und Kauf häufig nicht in ein und demselben Kanal statt und es kommt zu Umsatzverlagerungen zwischen einzelnen Vertriebskanälen. Da sich auch die Anforderungen der Konsumenten in verschiedenen Kaufsituationen unterscheiden, ist kein Kanal den anderen per se überlegen. Die ECC-Studie „Von Multi-Channel zu Cross-Channel – Konsumentenverhalten im Wandel“ hat diese Effekte auch quantifiziert und nachgewiesen, dass beispielsweise jedem dritten Kauf im stationären Handel eine Informationssuche im Internet vorausgeht.
Um das eigene Vertriebssystem zu optimieren und an das Multi-Channel-Verhalten der Konsumenten anzupassen, müssen sich Unternehmen sowohl des Multi-Channel-Verhaltens der Konsumenten als auch der umsatzbezogenen Wechselwirkungen bewusst sein und die Komplexität verstehen. Dabei ist die Nutzung unterschiedlicher Kanäle für Information und Kauf kein alleiniges Phänomen im B2C-Handel, sondern auch im Geschäftskundenbereich verstärkt zu beobachten
B2B-Multi-Channel-Wünsche aufgrund privater Konsumerfahrungen
Die aktuelle B2B-Multi-Channel-Studie des ECC Handel am IFH Köln in Zusammenarbeit mit Hybris unter dem Titel „Das Informations- und Kaufverhalten von Geschäftskunden im B2B-Multi-Channel-Vertrieb – Status quo und Parallelen zum B2C-Handel“ zeigt, dass Kunden Multi-Channel-Services, die sie aus ihrem privaten Gebrauch kennen, auch im Geschäftsalltag wichtig finden. So wünschen sich über die Hälfte der Befragten aufgrund ihrer privaten Einkaufserfahrungen mehr kanalübergreifende Services im B2B-Umfeld. „Geschäftskunden sind immer auch Verbraucher. Natürlich findet der „Kauf“ in anderem Kontext statt, aber der Serviceanspruch ist der gleiche. Als Kunde ist man es gewohnt, heute jederzeit und überall betreut zu werden und das legt man im Geschäftsalltag nicht einfach ab“, erklärt Mark Holenstein, Vice President Central Europe bei Hybris. Etwa 12 Prozent der Geschäftskunden erhoffen sich vielfältigere Liefer- und Retouren-Optionen. Hierzu zählt beispielsweise, das Produkt online zu bestellen und anschließend stationär zu bezahlen, abzuholen oder gegebenenfalls zu retournieren.
Auch mit der Angabe eines exakten Lieferdatums und flexiblen Lieferzeiten könnten Unternehmen im B2B-Bereich punkten. Da im Geschäftskundenumfeld häufig auch beratungsintensivere Produkte gekauft werden, erwarten viele der Befragten, bei offenen Fragen einfach und direkt Kontakt mit dem Anbieter aufnehmen zu können – auch online. Neben der telefonischen Beratung werden Live- beziehungsweise Video-Chat-Funktionen verstärkt nachgefragt. Als weiterer Punkt wurde die bessere Verknüpfung der Vertriebskanäle genannt. Kunden erwarten innerhalb der verschiedenen Kanäle eines Anbieters konsistente Angaben, bezogen auf Informationen, Preise und Produktverfügbarkeiten. Die Gründe für Kanalwechsel im B2B-Handel ähneln den Gründen im B2C-Handel sehr stark und sind auf die Vorteile des jeweiligen Kanals zurückzuführen. So basiert der Wechsel vom persönlichen Kontakt zum Internet insbesondere auf der Möglichkeit einer einfacheren und schnelleren Bestellung sowie der daraus resultierenden Zeitersparnis – gleiches gilt für den Wechsel vom Print-Medium ins Internet. Von den beiden Distanz-Vertriebskanälen „Print-Medien und Internet“ wechseln Kunden zum persönlichen Kontakt, insbesondere, um sich vor dem Kauf nochmals persönlich über Produkteigenschaften beraten zu lassen. Aber auch die Begutachtung von Optik und Haptik spielt eine wichtige Rolle. Print-Medien dagegen überzeugen vor allem durch weitere Produkt- und Preisinformationen und werden für besondere Konditionen genutzt.
Mehrheit der Geschäftskunden sind Multi-Channel-Käufer
Um die Wechselbeziehungen im Informations- und Kaufverhalten der Geschäftskunden zu quantifizieren, wurden die Vertriebskanäle „persönlicher Kontakt“, „Print-Medien“ und „Online-Shops“ untersucht. Die Ergebnisse belegen, dass auch die Mehrheit der Geschäftskunden als Multi-Channel-Käufer bezeichnet werden kann: Vor Bestellungen in Print-Medien informieren sich 73,1 Prozent der Kunden in einem oder zwei weiteren Kanälen, vor Käufen im persönlichen Kontakt sind es sogar 79,6 Prozent und vor Online-Bestellungen 50,6 Prozent. Obwohl das Internet (zum Beispiel Suchmaschinen, Marken- oder Hersteller-Websites) als Hauptinformationsquelle herangezogen wird, zahlt sich jedoch vor allem die persönliche Beratung von Kunden vor einer Online-Bestellung aus: Über 60 Prozent der Kunden geben an, dass die persönliche Beratung letztlich ausschlaggebend für die Online-Bestellung bei diesem Anbieter war. Diese Bedeutung wird durch die Umsatzzahlen noch einmal verstärkt: Drei Viertel des in Online-Shops generierten Umsatzes wird durch persönlichen Kontakt vorbereitet, im Bereich der Print-Medien sind es sogar über 90 Prozent.
Die kanalübergreifenden Wechselbeziehungen zwischen den Kanälen desselben Anbieters zeigen für den B2B-Handel, dass sich das persönliche Engagement insbesondere zur Vorbereitung von Online-Bestellungen auszahlt. So geben etwa 18,8 Prozent der Kunden an, dass das persönliche Gespräch mit demselben Anbieter letztendlich den Impuls geliefert habe, in dem Online-Shop dieses Anbieters zu bestellen, was knapp die Hälfte des Umsatzes von Online-Shops ausmacht.
Im Vergleich zum B2C-Handel sind die Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Kontaktstellen desselben Anbieters sogar stärker ausgeprägt, was auf eine starke Bindung der Kunden an den Anbieter hinweisen könnte. Gleichzeitig wird dadurch die Bedeutung für die Handelsunternehmen unterstrichen, ihr Engagement auf mehrere Kanäle auszuweiten, da die Kanalwechsel aufgrund der Vorteile der Kanäle in der jeweiligen Kaufsituation nicht unterbunden werden können.
Fazit und Ausblick
Nur die Unternehmen, die sich der Wechselwirkungen und Interaktion zwischen einzelnen Vertriebskanälen bewusst sind, können ihre Strategie gezielt auf das vertriebskanalübergreifende Verhalten ihrer Kunden anpassen. Die Ergebnisse der ECC-Multi-Channel-Studien zeigen, dass dies im B2B-Umfeld genauso relevant ist wie im B2C-Handel. Die Grundlage für das Verhalten im Geschäftsbereich wird im privaten Umfeld geschaffen. So ist die Mehrheit der Geschäftskunden bereits auf Multi-Channel eingestellt und nutzt das Internet als Hauptinformationsmedium. Allerdings unterstreichen die Studienergebnisse auch die Bedeutung der persönlichen Beratung: Bei Print-Bestellungen werden über 90 Prozent des Umsatzes durch persönliche Beratung vorbereitet, insbesondere bei indirekten Gütern mit hohem Warenwert, die selten beschafft werden, ist eine Beratung im persönlichen Kontakt gefragt. Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen ihren Kunden Informations- und Kaufmöglichkeiten über verschiedene Kanäle hinweg bieten und diese Kanäle vor allem auch bestmöglich aufeinander abstimmen und vernetzen.
Autoren:
Dr. Eva Stüber ist seit Mai 2012 Senior-Projektmanagerin am IfH Institut für Handelsforschung und dem dort angesiedelten ECC Handel. Bereits während ihres Diplom-Studiums der Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken, und ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der BTU Cottbus hatte sie zahlreiche Berührungspunkte mit dem Handel allgemein und speziell dem E-Commerce. In ihrer Promotion hat sie sich schließlich empirisch mit der „Personalisierung im Internethandel“ beschäftigt. Am ECC Handel beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit Fragestellungen des Multi-Channel-Managements und der Logistik.
Sonja Strothmann, M.Sc. ist Senior-Projektmanagerin am ECC Handel. Als ehemalige Projektmanagerin bei Denkwerk bringt sie Agenturerfahrung im Bereich der Online-Medien mit, insbesondere in der Konzeption und Umsetzung von Webseiten und digitalen Anwendungen. Am ECC Handel beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit den Themenfeldern Multi-Channel-Management, Social Media und Website-Gestaltung. Ihr englischsprachiges Studium des International Business mit Schwerpunkt Strategic Marketing hat sie an der Universität Maastricht in den Niederlanden absolviert.
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