03.12.2021 – Kategorie: Recht
Neues Kaufrecht ab 2022: Diese Änderungen ergeben sich für den E-Commerce
Gesetzliche Änderungen zum neuen Jahr stärken die Rechte von Verbrauchern im digitalen Bereich. Onlinehändler müssen die neuen Pflichten schnellstmöglich umsetzen!
Wie immer bringt der Jahreswechsel einige gesetzliche Änderungen mit sich. Eine besonders spannende und relevante Neuerung ist das „digitale Update“ des BGB. Das Gesetzespaket beinhaltet ab 2022 unter anderem einen neuen Sachmangelbegriff im Kaufrecht und eigene Gewährleistungsrechte für Verträge über sogenannte „digitale Produkte“. Und zwar europaweit – die Änderungen gehen auf zwei EU-Richtlinien zurück, die Teil einer „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt“ der Europäischen-Kommission sind. Daher gelten zukünftig EU-weit vergleichbare Standards in den betroffenen Gebieten.
Ziel der Neuerungen ist die Stärkung von Verbraucherrechten. Doch auch im B2B-Bereich wirkt sich das Gesetzespaket spürbar aus. Ab dem 1. Januar 2022 sind im gesamten E-Commerce eine Vielzahl von neuen Vorschriften zu beachten. Onlinehändler sollten ihre Verträge, Prozesse und Allgemeinen Geschäftsbedingungen schnellstmöglich anpassen. Bei Verstößen drohen insbesondere Abmahnungen durch Wettbewerber und Verbraucherschutzverbände.
Kaufrecht ab 2022: Neue gesetzliche Regeln für „digitale Produkte“
Zentraler Gegenstand des Gesetzespakets im neuen Kaufrecht ab dem Jahr 2022 ist die Einführung von umfassenden Regelungen zu Verbraucherverträgen über „digitale Produkte“. Damit setzt der Gesetzgeber die Vorgaben der EU-Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen um. Die neuen §§ 327 bis 327u BGB beinhalten unter anderem ein stark am Kaufrecht orientiertes eigenes Mängelgewährleistungsrecht für digitale Produkte, eine Pflicht zur Bereitstellung von Updates durch Verkäufer sowie Regelungen zu Produktänderungen. Unmittelbar sind die neuen Vorschriften nur im B2C-Bereich, also auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern, anwendbar. Jedoch wirken sich die Regelungen zumindest mittelbar auch auf die Unternehmerverträge in der Vertriebskette aus.
Der Begriff „digitale Produkte“ umfasst sowohl digitale Inhalte als auch digitale Dienstleistungen. Beispiele für digitale Inhalte sind Software, Computerspiele, Musik oder Videos. In den Bereich der digitalen Dienstleistungen fallen unter anderem Cloud-Speicher, Social-Media Dienste oder auch Legal-Tech-Angebote (zum Beispiel Vertragsgeneratoren). Der Gesetzgeber hat die Definitionen insgesamt bewusst weit gehalten, damit auch künftige technische Entwicklungen von den neuen Vorschriften erfasst sind. Zukünftig muss daher bei Verträgen mit digitalem Bezug stets an die neuen Vorschriften gedacht werden.
Aktualisierungspflicht für Verkäufer
Neben dem Gewährleistungsrecht wird sich insbesondere die neue Aktualisierungspflicht für Verkäufer in der Praxis stark auswirken. Demnach muss der Unternehmer dem Verbraucher bei einem Vertrag über digitale Produkte erforderliche Aktualisierungen zur Verfügung stellen. Die Pflicht gilt bei Verträgen mit Laufzeit für den gesamten Bereitstellungszeitraum. Bei Verträgen ohne festgeschriebene Laufzeit, zum Beispiel Software-Kaufverträgen, ist lediglich vorgegeben, dass der Unternehmer die Aktualisierungen für einen angemessenen Zeitraum bereitstellen muss. Entscheidend soll sein, was der Verbraucher unter Berücksichtigung der Vertragsumstände erwarten kann. Konkrete Vorgaben macht der Gesetzgeber insofern nicht.
Stellt der Unternehmer die Aktualisierungen nicht bereit, ist dies als Sachmangel zu werten und dem Käufer stehen Gewährleistungsrechte zu. Den Käufer trifft zwar keine Pflicht, die Aktualisierungen zu installieren. Unterlässt er es jedoch, verliert er unter Umständen seine Gewährleistungsrechte.
Neues Kaufrecht 2022: Ein neuer subjektiv-objektiver Sachmangelbegriff
Der zweite Teil des Gesetzespakets führt ab 2022 zu wesentlichen Änderungen im Kaufrecht durch die Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie. Bisher war der kaufrechtliche Mangelbegriff stark subjektiv geprägt: Vorrang hatte die individuelle Beschaffenheitsvereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer. Diese Vereinbarungen spielten insbesondere im B2B-Bereich eine zentrale Rolle. Dieser Grundsatz wird nun aufgehoben und durch einen gemischt subjektiv-objektiven Ansatz ersetzt – und zwar unabhängig davon, ob der Vertrag mit einem Verbraucher oder zwischen Unternehmern geschlossen wird!
Künftig muss die Kaufsache sowohl subjektiven als auch objektiven Anforderungen entsprechen. Sie muss also zunächst, wie bisher, die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen und sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignen. Neu ist jedoch, dass die Mangelfreiheit der Kaufsache auch objektiv bewertet wird. Die Sache muss sich demnach für die gewöhnliche Verwendung eignen und der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Sachen entsprechen. Die subjektiven und objektiven Anforderungen müssen kumulativ erfüllt sein. Damit ist eine Sache zukünftig auch dann mangelhaft, wenn sie zwar der Beschaffenheitsvereinbarung entspricht, sich jedoch nicht zur üblichen Verwendung eignet.
Vertragliche Abweichung möglich – B2C aber nur ausdrücklich!
Die Parteien können vertraglich von der neuen zweigliedrigen Struktur des Mangelbegriffs abweichen. Somit ist ein Fokus auf die Beschaffenheitsvereinbarung auch zukünftig möglich. Bei Geschäften zwischen Unternehmern kann diese Abweichung auch konkludent erfolgen.
Anders ist die Rechtslage im B2C-Bereich: Verbraucher müssen gesondert auf die negative Beschaffenheitsabweichung hingewiesen und es muss eine ausdrückliche Vereinbarung geschlossen werden. Ein Hinweis in AGB ist ausdrücklich nicht ausreichend! Im Onlinehandel muss der Verbraucher beispielsweise eine Checkbox aktiv auswählen, und damit die Beschaffenheitsabweichung bestätigen. Erfolgt die negative Beschaffenheitsvereinbarung nicht oder nicht formgerecht, kann dies zu Gewährleistungsansprüchen für den Verbraucher führen. Daher sollten Händler ihre Angebote überprüfen und erforderliche Anpassungen in ihren Onlineshops vornehmen.
Mangelkenntnis, Verjährung und Beweislastumkehr – Rechte der Verbraucher werden durch das neue Kaufrecht ab 2022 weiter gestärkt
Neben der Änderung des Sachmangelbegriffs für sämtliche Kaufverträge betrifft die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie insbesondere Verbraucherverträge. So galt bisher auch bei Verbrauchergeschäften, dass die Gewährleistungsrechte ausgeschlossen sind, wenn der Käufer den Mangel der Kaufsache kannte (§ 442 BGB). Dies ist zukünftig anders: Ab dem 1. Januar 2022 ist § 442 BGB auf Verbrauchergeschäfte nicht mehr anwendbar. Weder die Kenntnis noch eine grob fahrlässige Unkenntnis führen künftig zum Entfall der Mängelrechte. Abweichende Vereinbarungen sind nur unter strengen formalen Voraussetzungen möglich.
Eine weitere Neuerung betrifft die Verjährung von Mängelrechten. Bisher galt sowohl B2B als auch B2C, dass Mängelansprüche grundsätzlich zwei Jahre nach Ablieferung der Kaufsache verjähren. Nach der neuen Regelung kann diese Frist um bis zu vier Monate länger ausfallen. Treten Mängel nämlich innerhalb der Gewährleistungsfrist auf, verjähren die Ansprüche frühestens vier Monate nachdem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. Eine vertragliche Verkürzung der Verjährungsfristen ist in engem Rahmen und wiederum nur unter Einhaltung strenger formaler Vorgaben möglich.
Zudem wird die Frist für die Beweislastumkehr bei Verbrauchergeschäften verdoppelt! Statt der bisherigen sechs Monate gilt die Beweislastumkehr künftig für ein volles Jahr ab Gefahrübergang auf den Käufer. Tritt also ab Übergabe der Sache innerhalb eines Jahres ein Mangel an der Kaufsache auf, so wird zugunsten des Verbrauchers vermutet, dass dieser Mangel schon bei Übergabe vorlag. Dies hat zur Folge, dass der Unternehmer beweisen muss, dass der Mangel erst später entstanden ist. Dieser Beweis ist praktisch oft nur schwer zu führen – ein entscheidender Vorteil für Verbraucher.
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