28.03.2023 – Kategorie: Handel, eCommerce

Omnichannel: E-Commerce als Chance für den stationären Handel

OmnichannelQuelle: Gpoint Studio - iStock

Der Einzelhandel steht durch den Onlinehandel massiv unter Druck. Dabei bietet der Ausbau des Omnichannel große Chancen, die Zukunft des Einzelhandels zu sichern. Eine wichtige Rolle spielen dabei Fulfillment-Center, Mikro-Depots und Dark Stores. Wie eine gelungene Omnichannel-Präsenz aussehen kann, zeigen Amazon und Alibaba.

Es besteht kein Zweifel, dass der E-Commerce-Markt weiter an Bedeutung gewinnen wird und den Einzelhandel in seiner jetzigen Form massiv unter Druck setzt. So deuten jüngste Prognosen darauf hin, dass der E-Commerce-Markt seinen schnellen und dynamischen Aufstieg fortsetzen wird. Die Penetrationsrate der E-Commerce-Nutzer wird laut Statista 2023 in Deutschland bei 81,1 Prozent liegen und im Jahr 2027 voraussichtlich 83,6 Prozent erreichen. Dabei wird der Umsatz in 2023 etwa 144 Milliarden Euro betragen und jährlich um 8,79 Prozent steigen. Doch Einzel- und Onlinehandel müssen sich nicht ausschließen. Im Gegenteil, die Vorteile und Annehmlichkeiten des Onlinehandels können auch den Einzelhandel fit für die Zukunft machen. Entscheidend ist, dass der Einzelhandel eine Omnichannel-Präsenz etabliert, die das Kundenerlebnis Online und Offline nahtlos miteinander verknüpft.

Stationäre Geschäfte zu Fulfillment-Center umfunktionieren

Die steigende Kundenerwartung nach einem nahtlosen Omnichannel-Erlebnis zwingen die Einzelhändler, ihre physischen Geschäftskonzepte anzupassen. Ziel der Einzelhandelsgeschäfte muss sein, dass sie sich in kombinierte Einzelhandels- und Logistikzentren verwandeln. Diese können dann sowohl Online- als auch In-Store-Kunden bedienen. Dabei spielen Angebote wie „Click-and-Collect“ oder „Click-and-Retour“, die in der Filiale die Abholung bzw. Rücksendung  online bestellter Ware ermöglichen, eine entscheidende Rolle.

So zeigt beispielsweise eine Studie von Sendcloud, dass zwei Drittel der deutschen Verbraucher ihre Bestellung abbrechen, wenn sie online keine Informationen zu Rückgabemodalitäten finden . Auch deshalb ist es wichtig, dass verstärkt Bestandsverwaltungssoftware genutzt wird. So können die Lagerbestände in verschiedenen Filialen mit mobilen Geräten überprüft werden. Zudem werden die sofortige Reservierung von Artikeln und Lieferung in die Filiale oder nach Hause ermöglicht.

Neben der effizienteren Abwicklung der Waren, bringt die Zusammenführung der Offline- beziehungsweise Online-Präsenz enorme Vorteile in der Kundendatenerfassung. Diese Daten ermöglichen es, beispielsweise den Wohnort der Kunden zu erfassen und ermöglichen somit eine stärkere Lokalisierung. Des Weiteren können Anbieter das Kaufverhalten der Menschen in der jeweiligen Region nachverfolgen. Und auch das Sortiment an das Konsumverhalten der Kunden anpassen. Insbesondere in Kombination mit dem Einsatz von 5G-Beacons erlauben diese Daten, personalisierte und kontextbezogene Werbeaktionen anzubieten. Damit erhalten Kunden Anreize, sich dem Einzelhandelsgeschäft zu nähern.

Die Zukunft: Dark Stores und Mikro Depots

Anbieter, die auf dem Konzept von sogenannten Dark Stores basieren, haben die Relevanz einer Omnichannel-Präsenz schon frühzeitig erkannt. „Dark Stores“ sind hyperlokale Mikro-Distributionszentren in urbanen Gebieten, die die Lieferung von Online-Bestellungen in weniger als 30 Minuten ermöglichen. Neben Startups haben inzwischen auch einige große Lebensmittelhändler die Chancen erkannt und übernehmen das Konzept, um das Feld nicht nur neuen Marktteilnehmern zu überlassen. Dabei wird die Automatisierung von Dark Stores und die algorithmische Optimierung der lokalen Bestände bedeutend sein, um sicherzustellen, dass die Waren verfügbar sind und innerhalb der versprochenen Zeit geliefert werden. Ein entscheidender Faktor wird sein, maschinelles Lernen für die komplexen Nachfrageschwankungen einzusetzen und damit die Überwachung der Lagerbestände zu optimieren.

Das Konzept der Mikro-Depots ist hierbei nicht nur für Lebensmittelhändler interessant. Schon 2015 fand in Hamburg der erste erfolgreiche Test eines Mikro-Depot-Konzepts mit Lastenfahrrädern statt. Die Hansestadt stellte an vier zentralen Standorten in der Innenstadt Hubs in Form von Containern auf. Ziel war es, die Mikro Depots in Kombination mit kleinen und flexiblen Fahrzeugen zu nutzen, um die Warenzustellung vor allem in städtischen Gebieten mit dichter Besiedelung, engen Straßen und einer geringen Anzahl von Paketen pro Stopp, zu verbessern. Das Projekt in Hamburg zeichnete sich durch positive Effekte auf Verkehr und Umwelt aus und wurde vor kurzem mit Logistik- und Einzelhandelsunternehmen weiterentwickelt.

Omnichannel
Der stationäre Handel wird sich zunehmend zu kombinierten Einzelhandels- und Logistikzentren entwickeln. (Bild: Denis Shevchuk/iStock)

Omnichannel: Amazon und Alibaba machen es vor

Es mag im ersten Moment widersprüchlich klingen, dass die größten E-Commerce-Händler weltweit in den stationären Handel einsteigen. Doch genau das zeichnet eine Multi-Channel-Strategie aus – dem Kunden das bestmögliche Shoppingerlebnis zu bieten, egal, ob offline oder online. Schaut man sich die Entwicklung der E-Commerce-Giganten in diesem Bereich an, bekommt meine eine gute Vorstellung, wie die Zukunft des Einzelhandels aussehen kann.

Die erste wichtige Entwicklung bei Amazons Einstieg in den stationären Handel war die Einführung der „Just Walk Out“-Technologie. Diese Technologie ermöglicht es, den langen und oftmals als lästig empfundenen Kaufprozess zu vereinfachen. Anstatt die Ware auf das Band zu legen, zu bezahlen und dann alles wieder einzuräumen, wurden diese Schritte automatisiert. Durch ein permanentes Tracking des Einkaufs und der Verknüpfung des Amazon-Kontos sowie der hinterlegten Zahlart können die Kunden einfach den Laden verlassen. Anschließend führte Amazon „Amazon One“ ein, einen biometrischen Bezahldienst, der es den Käufern ermöglicht, Waren mit ihren bloßen Händen zu bezahlen. In Kombination mit der „Just-Walk-Out“-Technologie können Amazon-Prime-Mitglieder, die Amazon One abonniert haben, in jede Amazon-Filiale gehen und mit einer einfachen Handbewegung einkaufen, was sie möchten.

Ein ähnliches Konzept verfolgt Alibaba mit seinen „Hema“-Supermärkten. Das gesamte physische Einkaufserlebnis ist mit der Hema-App auf dem Smartphone verbunden, wodurch personalisierte Angebote und Sonderangebote an die Kunden gesendet werden können, während sie durch das Geschäft gehen. Die Hema-Geschäfte verwenden zudem eine Blockchain-basierte Produktkennzeichnung, die die Preise in Echtzeit ändert und es dem Käufer ermöglicht, die Herkunft sowie das Herstellungs- und Ankunftsdatum des Produkts im Geschäft zu sehen.

Ausfahrt Omnichannel: Jetzt den Blinker setzen

Die aktuellen Entwicklungen mit der steigenden Inflation, knappen Ressourcen und geringen Verbraucherausgaben setzen den Einzelhandel zusätzlich massiv unter Druck. Doch die Veränderungen bieten jetzt die Chance, aus der schwierigen Lage gestärkt hervorzugehen und ein nachhaltiges Geschäftskonzept zu etablieren. Amazon und Alibaba bieten dabei einen Vorgeschmack darauf, wie eine gelungene Omnichannel-Präsenz aussehen kann. Ziel dieser Entwicklungen ist es, so viele Hürden und Unannehmlichkeiten wie möglich für den Verbraucher zu beseitigen. Und gleichzeitig die digitale und physische Identität des Käufers in einem einzigen Kundenprofil zu vereinen.

Der Schlüssel für Einzelhändler liegt damit in der intelligenten Nutzung von Daten, in der Bereitstellung eines immer höheren persönlichen Nutzens und darin, den Verbrauchern ein nahtloses Erlebnis zu bieten, unabhängig davon, wie sie einkaufen. Einzelhändler sollten sich bemühen, ein personalisiertes, ansprechendes und zunehmend nachhaltiges Markenerlebnis über Omnichannel-Angebote zu schaffen. Kurzum, die Einzelhändler werden darum kämpfen müssen, rentabel zu bleiben und das wenige, was an Verbraucherausgaben übrigbleibt, auszuschöpfen.#

Über den Autor: Sönke Kewitz ist Geschäftsführer von P3 Logistic Parks Deutschland. Das Unternehmen ist Eigentümer und Entwickler von europäischen Logistikimmobilien mit rund 7,6 Millionen qm vermietbare Fläche. Hinzu kommt eine Landbank von 1,9 Millionen qm für weitere Entwicklungen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten investiert und entwickelt das Unternehmen in elf europäischen Ländern. Mit Hauptsitz in Prag und mehr als 250 Mitarbeitern in elf Büros unterstützt P3 Logistic Parks Kunden bei der Standortwahl sowie Genehmigung, Beschaffung und Konstruktion der Logistikimmobilien wie auch beim Property Management. (sg)

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