01.08.2016 – Kategorie: IT
Predictive Analytics: Wenn die Zukunft ein Stück weit berechenbar wird
Nachdem der Verkauf von EM-Trikots, unter anderem aufgrund des zu hoch angesetzten Preises, mehr schlecht als recht läuft, hätten sich die Betreiber des DFB-Fanshops sicherlich ein Tool gewünscht, das ihnen das weniger erfreuliche Geschäftsergebnis im Voraus prophezeit hätte. Predictive Analytics wird oft als die neue Wundermethode begriffen, um einen Blick in die Glaskugel zu werfen und die Zukunft exakt vorherzubestimmen. Ganz so einfach ist es jedoch nicht – aber zumindest ein Stück weit.
Durch Predictive Analytics Wettbewerbsvorteile sichern
Predictive Analytics eignet sich hervorragend für solide Prognosen. Anhand einer Reihe von analytischen und statistischen Verfahren, die auf historische Daten angewandt werden, können mit Predictive Analytics mögliche Chancen und Risiken konkret definiert werden. In vielen Bereichen stellt diese Methode eine Grundlage für proaktive Geschäftsentscheidungen und entsprechende Aktionen dar. Mithilfe statistischer Modelle werden Muster in historischen Daten sichtbar, sodass mögliche Geschäftsentwicklungen und -szenarien erkennbar werden. Im Einzelhandel etwa können vorausschauende Analysen Aufschluss über das Kaufverhalten, bezogen auf saisonale, makroökonomische Faktoren und Präferenzen eines Kunden geben und anschließend dabei helfen, mit einem Omnichannel-Ansatz maßgeschneiderte Angebote zu erstellen. Im Finanzsektor umfassen mögliche Anwendungen die Betrugserkennung in Echtzeit und das Markov-Chain-Monte-Carlo-Verfahren (MCMC, Simulationstechniken) zur Berechnung der Risikoreserve. In der Fertigungsindustrie hingegen sorgt Predictive Analytics für eine verbesserte Produktion und eine zuvorkommende Instandhaltung der Maschinen. Weitere Einsatzgebiete sind beispielsweise im Kundenmarketing, Mobile Asset Management, Supply Chain Management oder in der Routenoptimierung zu finden.
Der signifikante Wettbewerbsvorteil für Unternehmen liegt auf der Hand: Sie werden in die Lage versetzt, Chancen besser und frühzeitig für sich zu nutzen und gleichzeitig Unternehmensrisiken vorzeitig zu erkennen und zu umgehen.
Methodisch fundiert zu sicheren Prognosen
Ein Predictive-Analytics-Prozess besteht aus sieben aufeinander aufbauenden und sich wiederholenden Schritten. Im ersten Schritt gilt es dabei, die Projekt- und Geschäftsziele zu definieren, den Arbeitsumfang zu benennen und die dafür relevanten Daten zu bestimmen. Dann werden die Daten zweitens erfasst und drittens geprüft, bereinigt und transformiert. In einem vierten Schritt wird mit den aufbereiteten Daten eine explorative Datenanalyse (EDA) durchgeführt und statistische Verfahren zur Überprüfung der relevanten Annahmen und Hypothesen angewendet. Dann folgt fünftens die Datenmodellierung: Eine Kombination aus klassischen statistischen (lineare/nicht-lineare Regression, SARIMA Zeitreihenmodell usw.) und überwachten bzw. nicht-überwachten maschinellen Lernmodellen (Support-Vektor-Maschinen, Baum-basiertes und künstliches neuronales Netz) wird angewandt und das beste Modell, basierend auf der Auswertung der Fehlermatrizen, kann ausgewählt werden. Das ausgewählte Modell wird mittels Backtesting auf Validität geprüft und, falls notwendig, korrigiert. Im siebten und letzten Schritt geht es um die Bereitstellung der Analyseergebnisse, die für die täglichen Entscheidungsprozesse herangezogen werden. Auf Basis dieser Ergebnisse können Entscheidungen auch automatisiert werden. Welches statistische Verfahren oder Modell gewählt wird, hängt von der Interoperabilität oder anderen Geschäftsanforderungen ab.
Vorausschauend handeln und bei Kunden punkten
Omnichannel Commerce bietet Händlern viel Potential, um ihren Umsatz zu maximieren. Kunden sind heute beim Einkaufen auf vielen Kanälen parallel unterwegs – im stationären Laden, im Online-Shop, in sozialen Netzwerken und in mobilen Anwendungen. Die Herausforderung für Retailer besteht dabei darin, die Kundendaten der verschiedenen Touch Points zusammenzuführen und zu analysieren. Denn erst, wenn alle Kundendaten, das heißt sowohl die der Kaufhistorie als auch die aktuellen Daten, vorliegen, können Händler ihren Kunden relevante Angebote zur rechten Zeit und im richtigen Kanal machen. Eine agile IT-Infrastruktur ist dafür die Grundvoraussetzung, denn sie bietet eine vorausschauende Rundumsicht auf Kunden. Predictive Analytics bildet im Handel die Basis für proaktives Marketing. Fließen die Informationen aller Kanäle zusammen und werden diese mit prädiktiven Analysemodellen ausgewertet, können Maßnahmen ergriffen werden, um das Kauferlebnis immer und überall für Kunden zu optimieren und erfolgreiches Up- und Cross-Selling zu betreiben.
Mit Erkenntnissen aus historischen und Echtzeit-Kundendaten arbeiten
Besonders das Propensity-to-buy(P2B)-Modell eignet sich für Prognosen im Retail-Sektor. Aufbauend auf historischen Kundendaten zeigt es auf, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Kunde ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung kauft. Der Kauf kann dabei beim eigenen Unternehmen oder beim Wettbewerber in einem bestimmten Zeitrahmen erfolgen, beispielsweise innerhalb der nächsten sechs Monate. Das Modell kann auf Kundensegmenten, vergangenen Kaufverhaltensmustern, saisonale Faktoren, Promotion- oder Wettbewerbsinformationen und exogenen Faktoren wie wirtschaftlichen Bedingungen basieren. Es kann aber auch auf Echtzeitdaten von Kunden angewandt werden, um Kunden zu bewerten und ihnen passende Angebote zu unterbreiten. Das bedeutet, dass Vertriebs- und Marketing-Maßnahmen anhand der Analyseergebnisse angepasst werden können, um Kunden bestmöglich zu erreichen. Damit kann eine P2B-Analyse zu einer Steigerung der Rentabilität von Marketingaktionen und -investitionen (Return On Marketing Investment, kurz: ROMI) führen. Unternehmen können mit einem P2B-Modell sehr viel gezieltere Marketingangebote erstellen, sich auf relevante Marketingkampagnen konzentrieren und letztendlich auch ihre Zukunftspläne im Blick auf die Produktentwicklung und ihre Geschäftsstrategie entsprechend der Analyseergebnisse justieren und konkretisieren.
Die Flut der Retouren eindämmen
Das Retourenmanagement ist ebenfalls ein herausforderndes Thema für Retailer. Hier kann Predictive Analytics Unternehmen helfen, die dafür anfallenden Kosten zu senken bzw. ganz zu vermeiden. Mit einem prädiktiven Modell lassen sich Kundeneigenschaften und Einkaufsgewohnheiten mit Produktretouren korrelieren. Die Ergebnisse zeigen, welche Käufe eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit haben, wieder zurückgeschickt zu werden. Mit diesem Wissen an der Hand können Händler Kunden während des Kaufprozesses Angebote für ähnliche Produkte machen, die eine geringere Retouren-Wahrscheinlichkeit haben und die den Kunden daher eher zufriedenstellen. Die Reduzierung der Retouren hat darüber hinaus auch einen positiven Einfluss auf das Bestandsmanagement.
Die Anwendung von Predictive Analytics ist vielschichtig
Auch im Supply Chain Management der Händler nimmt die prädiktive Analyse einen wichtigen Stellenwert ein. Denn es können Verbesserungen beim Bestand, der Warennachschubplanung und der Wiederauffüllung im Laden erzielt werden. Predictive Analytics findet ebenso Anwendung bei der Optimierung des Warenlagers (Stichwort: wegoptimierte Kommissionierung), des Category Management, der Produktqualität und vielem mehr.
Die zuvor beschriebenen Beispiele zeigen, dass Vorhersagen und Prognosen Händlern, aber auch Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen ermöglichen, ihre Geschäftsprozesse auf verschiedenen Ebenen zu optimieren.
Autorin: Heleen Snelting ist Data Science Manager EMEA bei TIBCO Software
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