16.03.2015 – Kategorie: Recht
Produktpiraterie ist kein Kavaliersdelikt
Der Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2013 über die Grenzbeschlagnahme von Waren, die im Verdacht stehen, Schutzrechte zu verletzen, zeigte, dass eine große Anzahl von Kleinsendungen im Post- und Expressverkehr aus Internetverkäufen stammte (mehr Information unter http://ec.europa.eu – Produktnachahmung & Markenpiraterie).
Produkt- und Markenpiraterie
Die Produktpiraterie umfasst die Nachahmung fremden geistigen Eigentums (Marken, Patente, Designs, Gebrauchsmuster, Urheberrechte, Halbleiter, Sorten und geografische Herkunftsangaben). Ein nachgeahmtes Produkt kann gleichzeitig mehrere Schutzrechte verletzen. Für die Inhaber der Schutzrechte kommen zur Verteidigung ihrer Rechte zivilrechtliche Maßnahmen, strafrechtliche Sanktionen sowie die Beschlagnahme der gefälschten Ware durch den Zoll in Betracht.
Die Markenpiraterie, als Unterbegriff der Produktpiraterie, beschränkt sich auf die Nachahmung von Markenrechten. Sie ist im nationalen und internationalen Handel die häufigste Erscheinungsform der Produktpiraterie – und das Geschäft boomt. Für die organisierte Kriminalität handelt es sich um ein Milliardengeschäft. Da die Markenpiraterie in der Praxis die relevanteste Erscheinungsform der Produktpiraterie ist, befasst sich dieser Beitrag hauptsächlich mit diesem Themenbereich.
Funktion der Marke
Eine Marke dient der Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen. Die Marke verkörpert das Image, das ein Unternehmen oder ein Produkt durch jahrelange Investitionen und Werbeanstrengungen erworben hat.
Die Verbraucher suchen immer nach attraktiven Angeboten: je höher die Nachfrage der Verbraucher nach Markenprodukten ist, desto höher ist die Anzahl der Pirateriewaren. Die äußeren Eigenschaften der Originalwaren werden so gut wie möglich und teilweise sogar identisch übernommen. Mit der Fälschung der Waren wird versucht, die positiven Eigenschaften, die der Verkehr mit einer bestimmten Marke verbindet, zu übernehmen.
Beeinträchtigung der Marke durch Markenpiraterie
Beim Handel mit gefälschten Waren handelt es sich um die Übernahme fremder Leistungen ohne Innovation. So tragen die Fälscher kein unternehmerisches Risiko und nutzen den Ruf der Schutzrechtsinhaber aus. Der Herkunftshinweis, das Qualitäts- und Vertrauenssymbol und die Kommunikations- und Werbefunktion der Marke werden durch die enttäuschenden Nachbildungen beeinträchtigt. Es sind also die Markeninhaber, die nach aufwendigen Investitionen in die Entwicklung, Produktsicherheit, Qualität, Werbung und Aufbau des Marken-Images die Kosten für die Beeinträchtigung des Rufs der eigenen Marke tragen müssen.
Wann wird eine Marke verletzt?
Wenn ein mit einer Marke identisches oder ähnliches Zeichen für Waren benutzt wird, für welche die Marke Schutz genießt, wird der Tatbestand einer Markenverletzung erfüllt. Bei bekannten Marken wird eine Markenverletzung sogar schon bejaht, wenn das Zeichen für andere Produktarten verwendet wird (beispielsweise die Verwendung der Marke VISA! für Kosmetika).
Das Recht an der Marke wird nur bei der Benutzung im geschäftlichen Verkehr verletzt. So kann jeder private Käufer eine einzelne oder zwei gefälschte Uhren straffrei kaufen – auch wenn er sich bewusst sein sollte, dass er eine Fälschung kauft. Eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr liegt erst mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit vor. Bei Onlinehändlern, die regelmäßig Verkäufe tätigen, wird dies fast immer der Fall sein. Hier ist es wichtig zu beachten, dass eine Markenverletzung auch dann vorliegt, wenn der Händler nicht wusste, dass es sich um Fälschungen handelte. Gibt es Anhaltspunkte, die Zweifel an der Herkunft der Waren begründen, ist es für Onlinehändler sehr ratsam, eine gründliche Nachforschung der Warenherkunft durchzuführen.
Als Onlinehändler ist man sehr schnell haftbar, beispielsweise wenn man ohne Zustimmung des Markeninhabers ein bestimmtes Zeichen auf die Ware oder auf Etiketten, Anhänger usw. anbringt. Auch das Angebot, die Bewerbung, das Inverkehrbringen und der Besitz von gefälschten Waren sind untersagt.
Auktionsplattformen und Kleinanzeigenportale eröffnen eine fast unkontrollierbare Gefahrenquelle für Rechtsverletzungen. Onlinehändler können sehr schnell selbst zu Opfern werden. Die Auktionsplattformen können unter bestimmten Voraussetzungen für Rechtsverletzungen Dritter haften.
Verteidungsmöglichkeiten für die Rechteinhaber
- -Anspruch auf Unterlassung: Der Unterlassungsanspruch kann sich gegen jeden richten, der sich mit der Herstellung, dem Vertrieb und der Bewerbung der nachgeahmten Markenwaren unter fremden Kennzeichen befasst.
- -Anspruch auf Schadensersatz: Der Rechtsinhaber hat auch einen verschuldensabhängigen Anspruch auf Schadensersatz. Dieser berechnet sich in der Regel im Wege der Lizenzanalogie. Zusätzlich sind die Kosten für eine Abmahnung und/oder gerichtliches Verfahren erstattungsfähig.
- -Anspruch auf Auskunft: Der Markeninhaber kann auch Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der gefälschten Waren verlangen. Der Auskunftsanspruch gilt auch gegen Dritte, die gewerblich mit den rechtsverletzenden Waren und Dienstleistungen in Berührung gekommen sind.
- -Anspruch auf Vernichtung: Um sicherzustellen, dass die gefälschten Waren nicht wieder in den Verkehr gebracht werden, kann der Markeninhaber auch verlangen, dass die Piratenwaren vernichtet werden.
- -Strafrechtliche Sanktionen: Die Markenpiraterie unterfällt dem Straftatbestand der Kennzeichenverletzung. Markenpiraterie wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe sanktioniert.
- –Zollrechtliche Maßnahmen: In Europa gibt es ein einheitliches Verfahren zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden (Verordnung (EU) Nr. 608/2013). Diese Verordnung legt fest, unter welchen Bedingungen und nach welchen Verfahren die Zollbehörden tätig werden, wenn Waren in Verdacht stehen, ein Recht geistigen Eigentums zu verletzen. Vor allem im Zusammenhang mit dem Thema der Produktpiraterie im Onlinehandel sieht die am 1. Januar 2014 in Kraft getretene erwähnte EU-Verordnung ein vereinfachtes Vernichtungsverfahren, vorwiegend im Bereich der Kleinsendungen (Artikel 26) vor. Sobald der Markeninhaber die Anwendung dieses vereinfachten Verfahrens beantragt hat, prüft und entscheidet der Zoll, ohne ausdrückliche Zustimmung des Antragsstellers für jeden einzelnen Fall, ob eine Ware unter Verdacht steht, eine Gemeinschaftsmarke zu verletzen.
Aktives Tätigwerden
Markeninhaber sollten aktiv gegen die unautorisierte Benutzung der eigenen Marke im geschäftlichen Verkehr vorgehen. Bekannte Firmen wie Hansgrohe (Armaturen) oder Coty Prestige (Kosmetika) führen seit Jahren einen vorbildlichen systematischen Kampf gegen Produktpiraterie. Da der wirtschaftliche Schaden für Markeninhaber bis zu 10 Prozent des Nettoumsatzes betragen kann (bei Hansgrohe entspricht das 100 Arbeitsplätzen am deutschen Standort), fahren diese und andere Unternehmen einen Null-Toleranz-Kurs. Dies ist allen Markeninhabern zu empfehlen, die vermeiden wollen, dass die schlechte Qualität der Nachahmungen den Ruf der eigenen Marke beschädigt.
Autoren:
Leyre Barragán Zapirain, LL.M., spanische Abogada, ist auf den Fachbereich Markenrecht spezialisiert. Sie war Examiner der Marken-Beschwerdekammer des Harmoniserungsamtes in Alicante, das die Gemeinschaftsmarken und -designs verwaltet. Jetzt arbeitet sie als Associate der Abteilung Marken-, Design- und Wettbewerbsrecht der Münchener Patent- und Rechtsanwaltskanzlei Vossius & Partner.
Rechtsanwältin Simone Schäfer ist Partnerin der Marken- und Designabteilung bei Vossius & Partner in München. Der Fokus ihrer Arbeit liegt in der Anmeldung und Durchsetzung von Marken und Designs. Sie ist für Marken- und Designportfolios von Marktführern in der Sportartikel- und Bekleidungsindustrie zuständig. Sie wird im renommierten Referenzwerk „Who´s Who Legal Germany“ für ihren Fachbereich empfohlen.
Dieser Beitrag erschien erstmals im e-commerce Magazin 0372015 im Schwerpunkt Produktpiraterie.
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