23.02.2022 – Kategorie: eCommerce

Recommerce: Warum der Handel mit Gebrauchtware neue Markenwerte erfordert

RecommerceQuelle: rebuy

Nicht zuletzt die die Corona-Pandemie befeuerte in den letzten beiden Jahren das Onlineshopping. Aber auch der Recommerce, also der Onlinehandel mit gebrauchen oder erneuerten Produkten, wird immer beliebter.

Nicht zuletzt die immer noch nicht beendete Pandemie befeuerte in den letzten beiden Jahren weiter den Kauf über das Internet. Der Bruttoumsatz mit in Deutschland online gekauften Produkten stieg 2021 um 19 Prozent auf 99,1 Milliarden Euro. Branchenspitzenreiter im E-Commerce sind mit 17,8 Prozent Gesamtanteil elektronische und elektrische Produkte laut einer Erhebung von Statista, 2020. Die Zeichen stehen also weiterhin klar auf Konsum. Mit entsprechenden Folgen für die Umwelt dem der Recommerce begegnen will.

Mit jedem produzierten Elektrogerät steigt gleichzeitig der Berg von Elektroschrott. Dass es bei begrenzten Ressourcen kein unbegrenztes Wachstum geben kann, haben immer mehr Konsumenten bereits erkannt. Recommerce – also der professionelle Handel mit qualitativ hochwertigen Produkten – wächst. Handelsplattformen wie rebuy gewinnen weiter Marktanteile. Und auch die Hersteller selbst erkennen das Potenzial von sogenannten Refurbished-Produkten. Doch nicht immer gelingt der Spagat zwischen Innovationsversprechen und der Nachhaltigkeit eines gebrauchten und damit im Kreislauf gehaltenen Produktes. 

Recommerce: Wiederverwendung von gebrauchten Produkten

Die vom Umweltministerium Anfang 2022 veröffentlichten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Demnach entfallen auf jeden Bundesbürger jährlich rund 20 Kilo Elektroschrott. Weit weniger als die Hälfte davon, nämlich nur 44 Prozent, wird überhaupt recycelt. Aber genau das wäre wichtig. Denn in den Altgeräten stecken wichtige Rohstoffe wie Edelmetalle, Halbmetalle oder Mineralien – die sonst mit hohem Energieverbrauch und weiteren Schäden für Mensch und Umwelt aus der Erde geholt werden müssen.

Dass es so nicht mehr weitergehen kann, haben immer mehr Konsumenten erkannt. Denn das Bewusstsein für die Selbstwirksamkeit des eigenen Einkaufsverhaltens ist nicht mehr nur an der Fleischtheke des heimischen Supermarktes angekommen, sondern eben auch beim Kauf technischer Produkte wie etwa Smartphones und Co. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass das nachhaltigste Produkt eben nicht das Produkt ist, das biozertifiziert oder perfekt recycelbar ist, sondern das, was lange im Gebrauch ist und damit nicht neu hergestellt werden muss.  Ein Pendel, das in beide Richtungen ausschlägt: Produkte, die früher bestenfalls in den Schrank verbannt oder schlicht entsorgt wurden, werden immer mehr von Konsumenten aktiv verkauft oder sogar verschenkt und somit im Kreislauf gehalten.

Und natürlich andersherum: Immer mehr Verbraucher kaufen hochwertige Gebrauchtprodukte – beim professionellen Reseller mit Garantie oder als vermeintliches Schnäppchen im Online-Kleinanzeigenmarkt. Der stationäre Einzelhandel spielt dabei kaum eine Rolle. So kaufen laut aktueller Statistik 78 Prozent aller Konsumenten gebrauchte Produkte lieber online als im Ladengeschäft. Dabei treten gerade im Technologiebereich neue Werte wie Nachhaltigkeit und gesellschaftliches Engagement auf die Agenda und ersetzen ungebremste Konsumlust und Innovationsvernarrtheit.

Recommerce: Verbraucher verändern ihr Einkaufsverhalten

Dass es beim Kauf von Gebrauchtprodukten längst nicht mehr hauptsächlich um einen günstigeren Preis, sondern um den bewussteren Umgang mit Ressourcen geht, bewies zuletzt ein Blick auf das Einkaufsverhalten vor Weihnachten. Zu keiner Zeit wird traditionell bedenkenloser gekauft und konsumiert als zum Jahresende. Und doch: Über ein Drittel aller Konsumenten in Deutschland (35 Prozent) planten, 2021 etwas Gebrauchtes auf den Gabentisch zu legen. Dies geht aus der rebuy-Studie „Gebrauchtes zu Weihnachten“ von November 2021 hervor. Über die Hälfte aller Befragten – 52,7 Prozent – gaben dabei „nachhaltiges Handeln“ als ihre Hauptmotivation an. Weit abgeschlagen dagegen – bei 42 Prozent – liegt der Wunsch, Geld zu sparen. 

Vintage-Mode wird über andere Markenattribute bestimmt

Um dieser Nachfrage nach gebrauchten Produkten nachhaltig gerecht zu werden, reicht es allerdings nicht, wenn der Handel entsprechende Angebote in Form von Produkten bietet. Wirklich erfolgreich werden nur die Händler sein, die diese auch konsequent vermarkten und damit möglicherweise auch die bisherige Wertschöpfungskette infrage stellen. Eine gleichzeitige und offensive Vermarktung von immer neuer (Ultra-)Fast Fashion oder dem stets neuesten Smartphone und gleichzeitig guten, aber eben etwas älteren Gebrauchtprodukten ist wenig authentisch.

Bei Mode, die immer kombinierbar ist, mag das noch am ehesten funktionieren: Kampagnen etwa für das Pre-owned-Programm von Zalando sind bereits laut, selbstbewusst und deutlich wahrnehmbar, Bekleidungsmarken wie Levi‘s oder Diesel haben ebenfalls bereits aufbereitete Vintage-Fashion im Programm. Aber wie können Technologieunternehmen offensiv Konsumenten mit gebrauchten Produkten erreichen, ohne ihr Innovationsversprechen zu entwerten? Geht das überhaupt oder sind technische Innovation als Leistungsversprechen und Gebrauchtkauf ein Widerspruch an sich?

Während sich Mode schon immer über den Zeitgeist definiert hat, werden technologische Produkte traditionell über die Funktionsweisen bewertet. Und die unterliegen einer ständigen Evolution. So bietet im Technologiebereich Apple dann auch nur sehr versteckt online seine aufbereiteten Gebraucht-Smartphones an. Samsung nimmt im Rahmen des sogenannten Trade-In-Programmes zumindest die aktuellen Modelle in Zahlung und verspricht ein ordnungsgemäßes Recycling. Echte Vermarktungspower sieht anders aus.

Recommerce: Einkaufen mit sozialer Außenwirkung

Wie es besser geht, beweist ein Blick in die tägliche Praxis erfolgreichen Recommerce. Diese haben den klassischen Markenwerten, wie etwa Innovationsführerschaft, längst erfolgreich neue hinzugefügt. In der Verkaufskommunikation etwa für Unterhaltungselektronik wird das „Neueste, Schnellste, Beste“ als Attribut natürlich nicht in absehbarer Zeit verschwinden, es genügt für viele Käufer aber längst nicht mehr ausschließlich für einen Kaufimpuls. Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen auch in den veränderten Möglichkeiten der Selbstdarstellung in den sozialen Medien.

Denn Konsum ist heute immer auch eine Entscheidung mit sozialer Außenwirkung. Und auf diese zahlt nicht nur der Imagewert des Produktes selbst, sondern eben auch die Form des Erwerbs ein – zum Beispiel als Gebrauchtkauf auf einer Recommerce-Plattform. Dieser wird heute nämlich als clever und nachhaltig wahrgenommen und entsprechend von den Käufer kommuniziert. Secondhand ist erste Wahl. Und bestenfalls wird die Plattform für Recommerce gleich mitkommuniziert. Vorausgesetzt, sie schafft es, sich in der Kommunikation, mit Produkten und im gesamten Verkaufsprozess – von der Bestellung bis zur Auslieferung – dem verändernden Bewusstsein der Konsumenten anzupassen und somit glaubwürdig einen besonders nachhaltigen Lifestyle für sich zu besetzen.

Nachhaltige und einfache Gestaltung der Kaufprozesse

Authentizität geht hier über Perfektion. Natürlich sind langfristig geänderte Lieferketten, die Veränderung von internen Prozessen, Klimaneutralität oder eine Reparierbarkeit von Produkten wünschenswert und auch von den Konsumierenden nachgefragt. Wahrgenommen und damit in der Kundengunst gewinnen werden aber vor allen Dingen die Unternehmen, die es ihren Kunden so einfach wie möglich machen, durch ihr Kaufverhalten selbst die Welt ein Stück weit besser zu machen, ohne dabei auf die Sicherheit und Qualität eines Markenproduktes verzichten zu müssen.

Ist der Kauf von gebrauchten Produkten an sich schon nachhaltig, so wird er umso glaubwürdiger, wenn auch die weiteren mit dem Kauf verbundenen Prozesse nachhaltig und einfach gestaltet werden. Eine Glaubwürdigkeit, die auch vor dem Vorwurf des Greenwashings schützt. Bei rebuy wurde zum Beispiel gerade die Option „fairsenden“ eingeführt – hier werden gebrauchte Verpackungen verwendet, die sonst einfach recycelt worden wären. Ein weiterer einfacher Schritt für die Konsumierenden, die CO2-Bilanz eines Produktes zu beeinflussen.

Konsequenz zeigt sich aber auch in der aktiven Gestaltung der Marktbedingungen, etwa durch ein Engagement auf politischer oder Verbandsebene. So heben etwa Verbände wie EUREFAS, die European Refurbishment Association, bedeutende Themen, wie zum Beispiel Urheberrechtsabgaben, eine europäische Kennzeichnung und die Festlegung des Stellenwerts von Refurbishment im Green Deal, auf europäischer Ebene auf die Agenda. Je mehr Unternehmen mit Recommerce sich hier anschließen, desto schneller werden auch auf übergeordneten Ebenen die Bedingungen für eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft verbessert. Der Kuchen wird für alle Marktteilnehmer größer.

Recommerce: Nachhaltig kaufen – mit Dreijahresgarantie

Derart engagiert, werden die Unternehmen so zum Enabler für nachhaltiges Handeln ohne Risiken. Das Qualitätsversprechen – oder besser die Qualitätszusicherung – ist hier das vielleicht wichtigste Kriterium. Und das zeigt sich bei gebrauchter Technologie vor allen Dingen in einer Garantie, die der eines neuen Produktes mindestens ebenbürtig sein muss. Die Benchmark ist hier aktuell drei Jahre Garantie etwa auf gebrauchte Smartphones vom etablierten Reseller.

Ob diese Garantie gegeben werden kann, hängt immer auch mit einer möglichen Wiederaufbereitung der Produkte, dem sogenannten Refurbishing, zusammen. So muss vom Unternehmen mit Recommerce genau geprüft werden, ob defekte Bauteile separierbar oder fest, zum Beispiel auf einer Platine, mit anderen Teilen verbunden sind. Dann müssen die auszutauschenden Teile auch auf dem Markt verfügbar sein und nicht firmeneigenen Sicherungen unterliegen. Gleichzeitig muss auch die dahinterstehende Software noch unterstützt werden. Denn das gehört zu den häufigsten Gründen, sich gegen gebrauchte Geräte zu entscheiden – die Angst, vom Update-Tropf abgeschnitten zu werden.

Vom Design der Produkte bis zum Nachhalten von Ersatzteilen

All diese Faktoren können die Hersteller weitgehend bestimmen – durch die Konstruktion und das Design ihrer Produkte ebenso wie durch das Nachhalten von Ersatzteilen und eine nachhaltige Softwarestrategie. Vielfach hilft es schon, wenn Bauteile nicht mehr verklebt beziehungsweise verlötet werden, sondern gesteckt oder verschraubt. Ohne die Motivation durch klare gesetzliche Rahmenbedingungen, die eine Reparierbarkeit unterstützen und etwa eine Obsoleszenz entsprechend sanktionieren, werden sich die Hersteller jedoch kaum bewegen.

Ein jetzt von der Bundesregierung initiierter klar erkennbarer Index würde zusätzlich Druck auf die Hersteller von Konsumenten erzeugen. Eine bessere Reparierbarkeit wird so letztlich auch für die Hersteller immer mehr zum Wettbewerbsvorteil. Denn je besser ein elektronisches Produkt reparierbar ist, desto attraktiver wird es für die Käufer: Es bleibt entweder länger im eigenen Gebrauch oder steigt im Wiederverkaufswert. Eine Situation, von der letztlich alle Beteiligten profitieren – Hersteller, Konsumenten, Reseller und nicht zuletzt die Umwelt.

Über die Autorin: Anne Rech verantwortet als Head of Brand beim deutschen Recommerce-Anbieter rebuy recommerce GmbH strategisch und operativ die Bereiche Markenbildung, PR, Social Media und Content. Ihre Karriere begann die Kommunikationswissenschaftlerin auf Agenturseite bei Scholz & Friends und Heimat, bevor es sie dann für mehrere Jahre in Großbritannien lebte. Dort war sie unter anderem für den deutschen Markteintritt des britischen E-Commerce-Modehändlers Asos verantwortlich. Weitere Station war Zalando, wo sie die Marketing-Unit der Eigenmarken leitete. Außerdem war sie bei der Digitalbank N26 als Director Brand tätig. (sg)

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