09.10.2019 – Kategorie: Handel

Retourenmanagement: Großes Potenzial zur Vermeidung der Retourenentsorgung

Lieferbereitschaft RetourenmanagementQuelle: vectorfusionart/Shutterstock

Der aktuelle Retourentacho 18/19 wurde jetzt um eine neue Studie ergänzt. Dies war notwendig, weil in der ersten Studie der Forschungsgruppe Retourenmanagement nur das Ausmaß der Retourenentsorgung untersucht wurde, nicht aber die Ursachen und das Potenzial von präventiven Maßnahmen.

Für die Untersuchung der Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Universität Bamberg konnten 139 Fragebögen ausgewertet werden, was für eine Erhebung zum Retourenmanagement eine sehr gute Beteiligung darstellt und ein realistisches Abbild der Situation erlaubt. Im Jahr 2018 wurden schätzungsweise 20 Millionen retournierte Artikel entsorgt. Bezüglich der Ursachen zeigt sich folgendes Bild:

Eine Entsorgung ist oftmals alternativlos. So implizieren die gegebenen Antworten, dass bei 53 Prozent der entsorgten Artikel eine Wiederaufbereitung technisch nicht möglich ist (einschließlich Defekt). Dies entspricht rund zehn Millionen retournierten Artikeln Gleichwohl zeigen die Daten, dass in rund 40 Prozent der Fälle eine Spende händlerseitig zumindest theoretisch möglich wäre (sofern sich ein Spendenempfänger findet), aber nach aktuellem Stand nicht erfolgt ist. Dies entspricht etwa 7,5 Millionen Artikeln.

Hervorzuheben ist außerdem, dass rund fünf Prozent der Entsorgungen, also rund 1 Million Artikel, erfolgen, weil Marken- und Patentinhaber dies vorgeben und den Händlern eine Verwertung aktiv untersagen. Hierbei handelt es sich um eine unnötige Verschwendung von Ressourcen und ist unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit äußerst bedenklich. Besonders betroffen ist hierbei das Warengruppen-Cluster Unterhaltung.

Retourenmanagement: Entsorgung von niedrigpreisigen Waren

Der Wert der entsorgten Ware liegt in 80 Prozent der Fälle unter einem Warenwert von 15 Euro. Dies deutet analog zu den Ursachen darauf hin, dass oftmals niedrigpreisige Artikel und/oder Güter in einem schlechten Warenzustand entsorgt werden. 45 Prozent der Teilnehmer kann die genauen Kosten für die Entsorgung eines Artikels angeben. Dies ist ein Indiz, dass die Entsorgungsthematik bei den Entscheidungsträgern im Gesamtkontext bislang vergleichsweise wenig Relevanz besaß. Mutmaßlich ist dies auch darauf zurückzuführen, dass eine Entsorgung relativ günstig durchzuführen ist. So taxieren die übrigen Befragten die Kosten im Mittel auf 0,85 Euro pro Artikel:

  • Aufgrund günstiger Entsorgungsmöglichkeiten und der vorhandenen Intransparenz (Kunden können nicht nachvollziehen, was mit den Retouren passiert) bestehen bislang wenige Anreize, sich intensiver mit der Thematik auseinanderzusetzen.
  • Ein Ansatzpunkt liegt in der Entwicklung von Anreizen, um Händler zu motivieren, sich aktiv für eine geringe Entsorgungsquote einzusetzen (zum Beispiel Schaffung eines Nachhaltigkeits-Siegels für Retouren), Verteuerung der Entsorgungsoption, Schaffung von spendenfreundlichen Rahmenbedingungen.
RetourenmanagementQuelle: Forschungsgruppe RetourenmanagementQuelle: Forschungsgruppe Retourenmanagement
Die Kosten für die Entsorgung eines Artikels hängt von der Warengruppe ab.

Retourenmanagement: Warum Händler Retouren nicht spenden

Die Gründe, die Unternehmen vom Spenden abhalten, sind vielfältig und unterscheiden sich in Abhängigkeit von ihrer Größe:

  • Besonders relevant sind steuerliche Gründe. Dazu zählen der administrative Aufwand und die Unsicherheit bei der Warenwertermittlung sowie der Umstand, dass die zu entrichtende Umsatzsteuer die Entsorgungskosten übersteigt. Beide Sachverhalte stellen steuerrechtliche Entsorgungsanreize dar.
  • Ferner nennen die Befragten als relevante Ursache den schlechten Warenzustand, sodass für sie keine Spende in Betracht kommt.
  • Besonders kleine Händler führen an, dass sie der Aufwand bei der Auswahl einer geeigneten Spendenorganisation vom Spenden abhält. Offensichtlich wünschen sich die Händler mehr Informationen darüber, welche Organisation welche Güter auch in kleinen Stückzahlen entgegennimmt. Ein Ansatzpunkt liegt in der Schaffung eines Registers für Annahmestellen von Sachspenden.

Verbot der Retourenvernichtung stößt auf Skepsis

Einem „Verbot der Retourenvernichtung“, wie es in Frankreich gilt, stehen die befragten Händler kritisch gegenüber. Diese Einschätzung teilt die Forschungsgruppe Retourenmanagement, weil die Daten zeigen, dass eine Entsorgung in vielen Fällen alternativlos ist. Es bestehen einfache Umgehungsmöglichkeiten, die möglicherweise zu einer Verschlechterung der aktuellen Situation führen, zudem ist eine effektive Kontrolle mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand verbunden, wenn nicht gar unrealistisch.

Im Gesamtmarkt fällt der Anteil der Retouren, der entsorgt wird, mit 3,9 Prozent gering aus, was ein starkes Indiz dafür ist, dass viele Händler eine vorbildliche Verwertung durchführen. Bezogen auf die ausgehenden Sendungen liegt der Anteil gar im Promillebereich (12,1 Prozent Retourenquote m Gesamtmarkt x 3,9 Prozent = 0,005 Prozent). Die Entsorgung von Waren ist demnach die Ausnahme und nicht die Regel. Trotzdem verdient die zugrundeliegende Thematik aufgrund der starken Wachstumsraten im E-Commerce Beachtung:

Sowohl unter Online-Händlern als auch unter Multi-/Omni-Channel-Händlern (online und stationär) vertreten über 50 Prozent der Befragten die Meinung, dass im E-Commerce mehr Ware einschließlich Retouren/Rückgaben vernichtet wird als im stationären Handel. Diese Einschätzung ist überraschend und die speziellen Gründe hierfür gilt es, in der Zukunft zu erforschen.

Retourenmanagement: Fulfillment über Plattformbetreiber

Eine Ursache, die aus Sicht der Forschungsgruppe Retourenmanagement hierfür in Betracht kommt, sind die Praktiken/Abläufe bei einem Verkauf über eine Plattform. Hier lagern die Händler die Logistik meist komplett an den Plattformbetreiber aus, wie Fulfillment über Amazon. Oftmals ist in diesen Fällen für die Händler die Entsorgung die einzige Option, da keine eigenen Lagerplätze oder andere Verwertungsmöglichkeiten aufgrund fehlender Masse vorhanden sind. Ferner bieten solche Plattformen eine sehr günstige Entsorgung an.

Immerhin hat der Marktführer Amazon einen offensichtlichen Fehlanreiz, mutmaßlich aufgrund der öffentlichen Diskussion, kürzlich beseitigt. Mittlerweile kostet in Deutschland die Entsorgung nicht mehr weniger als der Rückversand an eine Wunschadresse (Remission). In den USA ist die Entsorgung aber weiterhin günstiger (Standardgröße: 0,15 versus 0,50 Cent.

RetourenmanagementQuelle: Forschungsgruppe RetourenmanagementQuelle: Forschungsgruppe Retourenmanagement
Amazon hat beim Fulfillment die Kosten für Remission und Entsorgung angeglichen.

Retourenmanagement: Weiterverwendung retournierter Artikel entscheidend

Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverband Bitkom, kommentiert die neue Studie zur Entsorgung von Retouren im Online-Handel:

„Online-Händler streben bei Retouren an, so viele Artikel wie möglich wieder in den Verkauf zu bringen. Schließlich liegt es im ureigenen Interesse eines Online-Händlers, zurückgesandte Artikel wirtschaftlich zu verwerten. Daher prüfen Online-Händler zurückgesandte Artikel regelmäßig darauf, ob sie wiederverkauft werden können. Ist das der Fall, werden diese Artikel neu verpackt und neu gelistet.

Dr. Bernhard Rohleder Bitkom
Dr. Bernhard Rohleder ist Hauptgeschäftsführer des Digitalverband Bitkom.

Natürlich lassen sich Retouren gerade im Online-Handel nicht ausschließen. Es handelt sich hierbei um ein Verbraucherrecht, wonach Kunden innerhalb bestimmter Fristen vom Vertrag zurücktreten und die Ware zurückschicken können. Deshalb und selbstverständlich auch aus Umwelt- und Klimaschutz-Aspekten sind wirtschaftliche Anreize wichtig, retournierte Artikel weiterzuverwenden: So könnte etwa das Spenden retournierter Waren für die Händler deutlich attraktiver gestaltet werden. Heute ist die Spende eines nicht wiederverkaufsfähigen Non-Food-Artikels, etwa an gemeinnützige Organisationen, teurer, als die Vernichtung des Artikels, da steuerlich betrachtet eine solche Spende der Umsatzsteuer unterliegt. Steuerliche Anreize sind also ein lohnenswertes Instrument.

Auch können noch detailliertere und genauere Produktbeschreibungen mithilfe digitaler Technologien helfen, dass der Verbraucher eine noch stärker informierte Entscheidung trifft und eine Rücksendung gar nicht erst notwendig wird. Etwa Virtual und Augmented Reality bieten hier riesige Chancen.“ (sg)

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