21.12.2022 – Kategorie: eCommerce

Shopifizierung: Zukunftstrends im E-Commerce

Die Zukunft des E-Commerce kündigt sich in Trends an, die auf den ersten Blick wie Add-ons wirken. Tatsächlich aber sind sie Vorboten einer ganz neuen E-Commerce-Welle.

Shopifizierung: Ein bewährtes System, ein aufgeteilter Markt, eine etablierte Softwarelandschaft, ein paar experimentierfreudige Nischen, all dies frisch validiert durch die Schubwirkung einer kontaktbeschränkenden Pandemie – das könnte die E-Commerce-Landschaft in Deutschland und der Welt sein. Die Geschichte des E-Commerce wäre erzählt: Alle sind online, die Welt ist fertig. Der Rest wäre Optimierung und die Integration einiger neuer Ideen. Dass dem nicht so ist, sollte wiederum allen bewusst sein, die in E-Commerce ein Zukunftsthema sehen, in dem sie weiterhin relevant bleiben wollen.

Trends bieten mehr als nur Optimierungspotenzial

Social Commerce etwa wird nicht nur immer wichtiger, sondern ist durch die Veränderung der Social-Plattformen und ­ihrer Algorithmen selbst im Wandel begriffen. Headless Commerce, also die Modularisierung und Flexibilisierung von Markenshops, weicht das Konzept des monolithischen Onlineshops auf. Direct-to-Consumer-Ansätze sind kein exklusives Erkennungszeichen von Startups und Matratzenverkäufern mehr. Ganz neue Software-Anbieter machen sich daran, mit grundsätzlich neuen Prozesskonzepten und Lösungen eine neue Welle des E-Commerce loszutreten. Jeder dieser Trends hat das Potenzial, etablierte Konzepte und Strukturen umzuwerfen. Gemeinsam sind sie nicht nur relevant für den E-Commerce, sondern für das Wirtschaften an sich.

Shopifizierung: Alles wird E-Commerce

Shopify, Shopware, Spryker, Commerce Tools: eine neue Generation von E-Commerce-Plattformen macht ihren Vorfahren nicht nur interessante Konkurrenz, sondern initiiert ein umfassendes Replatforming. Dabei fällt auf, dass es ihren Anbietern längst nicht mehr um separate Konzepte für die Onlinewelt geht, sondern um integrierte Lösungen für eine Vielzahl von Touchpoints und Transaktionen. Für die Kooperation von Spryker und Aldi Süd gehört eben nicht nur der Online-Verkauf dazu, sondern auch ein Testlauf mit kassenlosen Filialen für den aufgebohrten klassischen Einkauf. Social Commerce wird integriert, die flexible Gestaltung von Pricing- und Abo-Modellen ermöglicht, die digitale Ladenfront individuell anpassbar. So entsteht ein jederzeit auf allen Kanälen verfügbares und auf individuelle Endkundenbedürfnisse zuschneidbares Angebot.

Mittelstandsmarken bleiben zögerlich

Attraktiv ist diese Individualität bislang vor allem für zwei Anbietertypen. Auf der einen Seite sind dies Händler und Marktplattformen wie die Spryker-Kunden Aldi Süd und Metro, die die Auftrittsvielfalt mit einem breiten Leistungs- und Produktspektrum unterfüttern. Auf der anderen Seite kleinere, exklusive Hersteller wie der E-Bike-Spezialist Riese & Müller, deren Transaktionslogik mit den gän­gigen Plattformstrukturen nicht harmoniert, und deren Geschäftsentwicklung stark auf den Direktvertrieb setzt. Die meisten Marken und Unternehmen des Mittelstands sind aktuell jedoch vorsichtig. Zu reibungslos funktioniert die Zusammenarbeit mit externen Anbietern als Online-Outlet, zu gering ist der Konkurrenzdruck von Direct-to-Consumer-Herausforderern, zu sehr prägt das Bild des Shops als Manifestation des Verkaufsvorgangs das Denken. Der digitale Wandel wird noch immer als die digitale Repräsentation klassischer Offline-Strukturen und -Prozesse verstanden – wo vorher die Handelskette das Produkt zum Endkunden brachte, übernimmt dies heute Amazon.

Neue Geschäftsmodelle brauchen den direkten Kundenzugang

Doch der Preis dieser Abmachung steigt. Während die Marken- und Produktentwicklung immer stärker am Endkunden ausgerichtet ist, bleiben relevante Daten über eben diesen Endkunden dem Hersteller vorbehalten. Stattdessen ist es der Online-Händler, der Einblicke in das Kaufverhalten, die Vorlieben, die Bestellintervalle und Produktkombinationen des Endkunden erhält. Das ist ein schlechter und schlechter werdender Deal. Individueller Kundenzugang, angepasste Angebote, Co-Kreation, Produkt-Bundles – Hersteller können nur mutmaßen, was Erfolg haben könnte. Der Coach, der für seine Workshops immer wieder Büroartikel einer ­bestimmten Marke kauft, wäre der ideale Abonnementkunde für ihren Hersteller. Der jedoch ahnt davon nichts. In einer Welt des durch die oben skizzierten Trends ermöglichten Omni-Commerce bleibt der Hersteller ahnungslos, die Abhängigkeit wird größer, die Potenziale eigener Commerce-Ansätze ungenutzt.

Shopifizierung: Alles kann Shop werden

Für Markenhersteller, die die nächste Phase des E-Commerce nicht nur als ­Zulieferer erfolgreicher Onlinemarkt­plätze erleben wollen, bieten sich durch die Shopifizierung heute Chancen. Ihre eigenen Shops lösen sich endgültig von ihren Produktionsstätten und Produktionsprozessen, jede digitale Kontaktfläche kann theoretisch zum Shop werden. Das braucht Fingerspitzengefühl, gute Konzepte, exzellente Partnerschaften und ein tiefes Verständnis der Veränderungsprozesse.

Hier positionieren sich die neuen Shopanbieter eben nicht nur als Dienstleister, sondern als echte Partner und Berater in der Entwicklung neuer Lösungen. Und Beratung wird nötig sein, denn mittelfristig erfordert die allumfassende „Shopability“ sogar grundsätzlich neue unternehmerische Organisationspa­radigmen. Wo lange Materialfluss und Produktion die Determinante von Strukturen und Prozessen waren, werden Software und Organisation zukünftig an der finalen Transaktion ausgerichtet. E-Commerce bleibt nicht nur in Bewegung, sondern verändert weiterhin alles.

Shopifizierung
Bild: TLGG

Der Autor Christoph Bornschein ist Gründer und Geschäftsführer der Agentur für Digital Business TLGG und der TLGG Consulting GmbH.

Lesen Sie auch: Metaverse-Economy: Diese Potenziale eröffnen sich Händlern


Teilen Sie die Meldung „Shopifizierung: Zukunftstrends im E-Commerce“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top