19.07.2011 – Kategorie: Handel
Steuervereinfachungsgesetz gekippt – Signaturen oder EDI bleiben Pflicht
Aus aktuellen Anlass erläutert und bewertet der Steuerexperte und frühere DATEV-Vorstand Peter tom Suden die heutige Situation und mögliche zukünftige Entwicklungen beim elektronischen Rechnungsaustausch für Unternehmen: „Der Bundesrat stimmte am 08.07.2001 dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 nicht zu. Damit ist auch das Umsatzsteuergesetz nicht geändert und es besteht weiterhin die Pflicht zur Nutzung von entweder qualifizierter elektronischer Signatur oder EDI.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 08.07.2011 dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 entgegen aller Erwartungen nicht zugestimmt. Den Vermittlungsausschuss hat er, auch dies entgegen aller Erwartungen, nicht angerufen. Die im Steuervereinfachungsgesetz 2011 enthaltenen, geplanten Änderungen zu den elektronischen Rechnungen ab 01.07.2011 können nun voraussichtlich nicht rückwirkend zum 01.07.2011 in Kraft treten. Dazu reicht die Zeit nämlich nicht.
Unternehmen, die bereits jetzt die Umstrukturierung ihrer E-Invoicing–Prozesse mit Verzicht auf die qualifizierte elektronische Signatur planten oder sogar schon durchführten und dabei auch auf die Änderung des Gesetzes zum 01.07.2011 vertrauten, müssen dies nun vertagen.
Der Hauptablehnungsgrund des Steuervereinfachungsgesetzes und die in der Länderkammer dazu geäußerte Kritik sind vergleichsweise banal und allenfalls machtpolitisch erklärbar: Die im Steuervereinfachungsgesetz 2011 vorgesehene gemeinsame Abgabe der Einkommensteuererklärungen für zwei aufeinanderfolgende Jahre gefällt den Ländern nicht. Nach Ansicht des Finanzausschusses des Bundesrates wird die angestrebte Vereinfachung für Bürger und Verwaltung dadurch gerade nicht erreicht.
Die Länder sehen punktuelle Arbeitsbelastungen auf ihre Finanzverwaltungen zukommen, die diese mit dem aktuellen Personalstand nicht leisten können. In den meisten Bundesländern wurden in den Finanzämtern Veranlagungsbeamte zu den Betriebsprüfungsstellen abgeordnet, um die steuerlichen Außenprüfungen zu intensivieren. Das hatte z.B. im Bundesland Bremen zur Folge, dass die Veranlagungsbeamten angewiesen wurden, bis zum 30. Juni 2011 – und nun verlängert bis zum 15. Juli 2011 – eingehende Einkommensteuererklärungen „durchzuwinken“, weil die Finanzämter zur Erreichung übergeordneten Veranlagungsziele (= Fallzahlen) nicht einmal mehr in der Lage seien, eine grobe summarische Prüfung auf „Stimmigkeit“ der Angaben in den Steuererklärungen durchzuführen.
Zudem würden die Steuerbürger bei einem 2-Jahres-Abgabeturnus die mögliche Erstattung des ersten Jahres zumindest mit einer hohen Verzögerung erhalten, was die Steuerbürger verärgere und außerdem hohe Zinskosten der Finanzverwaltung auslösen könnte.
Diese wirklich trivialen Ablehnungsgründe haben nun aber direkten Einfluss auf die geplanten Änderungen zu den elektronischen Rechnungen. Denn auch deren neu zu fassende Regelungen sind Bestandteil des Steuervereinfachungsgesetzes 2011. Da es derzeit keine Änderung gibt, bleibt die alte Regelung in Kraft: Signatur oder EDI. Der weitere zeitliche Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ist nicht seriös vorhersehbar.
Dem Deutschen Bundestag steht nun die Möglichkeit offen, von sich aus den Vermittlungsausschuss anzurufen oder den Weg eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens zu gehen. Der Bundestag verabschiedet sich allerdings von nächster Woche an bis Anfang September in die Sommerpause.
Ruft der Bundestag – was nicht vorherzusehen ist und derzeit wohl auch, jedenfalls wegen der Änderung des Umsatzsteuergesetzes – nicht diskutiert wird, den Vermittlungsausschuss an, so ist – aber erst nach dessen Zusammenkunft – eine mögliche vierte Lesung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vielleicht Anfang September möglich. Die Neuregelungen zu den elektronischen Rechnungen könnten dann frühestens zum 01.10.2011 in Kraft treten.
Eine weitere Alternative wäre, diese Gesetzesänderung speziell zu beraten und zum 01.01.2012 in Kraft treten zu lassen. Unternehmen, die sich überhaupt noch nicht mit diesem Thema beschäftigt haben, gäbe dies ein weiteres Zeitfenster von 6 Monaten, um die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Dies erscheint deshalb als günstige Lösung, weil die unglückliche Diskussion um die Änderung des § 14 UStG, die so geführt wurde, als sei das Gesetz jetzt in Kraft und jeder könne nun machen was er wolle, damit wieder aufgenommen und die betroffenen Unternehmen sich besser über ihre Möglichkeiten im elektronischen Rechnungsdatenaustausch informieren könnten.
Eine Dritte, eher wahrscheinliche Alternative ist, dass die Länderkammer dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 aus politischen Gründen weiterhin ihre Zustimmung verweigern wird. Die Chance, die regierende Koalition vorzuführen, ist sehr groß und die Versuchung hierzu daher gleichfalls. Hintergrund ist, dass die Koalitionsparteien derzeit nicht einfach Neuwahlen ausrufen können, weil es in Deutschland derzeit kein geltendes Wahlrecht gibt. Wegen des Streits um die Überhangmandate war die Bundesregierung vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert worden, hier eine Regelung einzubringen und im Bundestag beschließen zu lassen. Fristende: 30.06.2011. Geschehen ist nichts, daher ist das derzeitige Wahlrecht außer Kraft. Wollte man es ändern, wäre man auf die Stimmen der Opposition angewiesen. Diese wären aber nicht „für umsonst“ zu haben.
In dem Fall muss die Bundesregierung einen neuen Gesetzesentwurf zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes zum 01.01.2013 einbringen und im Bundestag beschließen lassen. Die Änderung der MwStSysRL und die Richtlinie 2010/45/EU fordern nämlich spätestens zu diesem Tag die Anpassung der nationalen Umsatzsteuergesetze mit Anerkennung der Belege als legal dann, wenn sie adäquate interne Sicherungs- und Kontrollverfahren durchlaufen haben. Da könnte eine Opposition schon mal auf den Gedanken kommen, die Regierungsparteien hinzuhängen und auf keinen Fall einer vorzeitigen Änderung des Umsatzsteuergesetzes zuzustimmen bzw. die Zustimmung zur Änderung des Wahlrechts mit einer Neuwahl zu verbinden. Und ob die dann neue Regierung europa-affin einen Gesetzesentwurf einbringt, ist nicht vorhersagbar.“
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