24.09.2013 – Kategorie: Handel

Studie: Geiz ist geil“-Mentalität der deutschen Verbraucher nimmt ab

Zwar verfügen deutsche Konsumenten über ein feines Preisgespür: In 84 Prozent der Fälle schätzen sie Händlerpreise richtig ein und zeigen sich damit preissensibler als Verbraucher aus Großbritannien (77 Prozent), China (75 Prozent), den Niederlanden (73 Prozent), Frankreich (71 Prozent) und den USA (69 Prozent). Dennoch sind immerhin 46 Prozent der deutschen Verbraucher inzwischen bereit, höhere Preise für bessere Qualität zu akzeptieren – damit zeichnet sich ein Ende der „Geiz ist geil“-Mentalität ab. Dies sind zentrale Ergebnisse der sechsten OC&C-Preisstudie, die Preisposition und -wahrnehmung von 260 führenden Händlern aus jeweils sechs Ländern und Branchen untersucht. In Summe flossen mehr als 100.000 Verbraucherbeurteilungen in die Auswertung mit ein. Die wichtigsten Studienergebnisse sind:

  • Teuerungsrate: Deutsche Konsumenten sind verhältnismäßig optimistisch und erwarten eine Inflation von 2,6 Prozent. Bei niederländischen und britischen Verbrauchern hinterlässt die Eurokrise stärkere Spuren – die Inflationserwartung liegt bei 4,2 Prozent bzw. 3,2 Prozent.
  • Kundenloyalität: 16 Prozent der Deutschen geben an, bei unerwarteten Preiserhöhungen zu einem anderen Händler zu wechseln – ein höherer Anteil als in den anderen Ländern.
  • DIY: Ein starrer Fokus auf Preisaktionen ist kontraproduktiv wie die Insolvenz von Praktiker belegt. Obi punktet mit den Preisen der Eigenmarken.
  • Textil: Primark fordert die Platzhirsche heraus; Zalando positioniert sich nicht nur über den Preis, sondern über Auswahl, Mode und Convenience.
  • Lebensmittel: EDEKA und REWE profitieren von der zunehmenden Bereitschaft, für ein besseres Produkt etwas tiefer in die Tasche zu greifen.

„Deutsche Verbraucher messen dem Preis traditionell großen Wert bei. Eine kluge und besonnene Preisstrategie ist hierzulande von besonderer Bedeutung. Diese sollte jedoch keinesfalls nur auf günstige Preise zielen. Die Insolvenz von Praktiker ist ein treffendes Beispiel dafür, dass eine solche Strategie verheerende Folgen haben kann. Erfolgreiche Händler vermitteln ihren Kunden vor allem das Gefühl, ein gutes Geschäft gemacht zu haben und fair behandelt worden zu sein“, so Christian Ziegfeld, Partner bei OC&C, zu den Ergebnissen der Studie.

Deutsche Verbraucher sind optimistische Skeptiker

Die Erwartung der deutschen Konsumenten an die Preisentwicklung liegt 2013 im internationalen Schnitt. Sie gehen von einer Preissteigerung in Höhe von 2,6 Prozent aus. Obwohl sie um 0,4 Prozent höher ausfällt als im Vorjahr, zeugt sie trotz anhaltender Eurokrise nicht von gravierenden Inflationsängsten. Niederländische und britische Konsumenten zeigen sich von der Krise deutlich stärker betroffen. In beiden Ländern ist die Inflationserwartung gegenüber dem Vorjahr jeweils um weit mehr als 1 Prozent auf 4,2 Prozent bzw. 3,2 Prozent angestiegen.

Mit Blick auf die Kundenbindung zeigen sich deutsche Verbraucher in Folge von Preiserhöhungen verhältnismäßig illoyal. Immerhin 16 Prozent geben an, dass sie bei unerwarteten Preissteigerungen zu einem anderen Händler wechseln. Das ist der im internationalen Vergleich höchste Wert.

„Der deutsche Konsument bleibt beim Thema Preis weiter skeptisch. Obwohl die ehemals sehr ausgeprägte ‚Geiz ist geil‘-Mentalität in vielen Bereichen deutlich auf dem Rückzug ist, müssen Händler bei Preiserhöhungen sensibel vorgehen und das Augenmerk verstärkt auf wichtige Faktoren wie Qualität oder das Preis-Leistungs-Verhältnis legen“, erklärt Christian Ziegfeld.

Branchen: Unsicherheit in Baumärkten, Textil- und Lebensmitteleinzelhandel stabil

Je intensiver sich die Anbieterlandschaft einer Branche verändert, umso schwerer fällt dem Kunden die Preisorientierung. In diesem Zusammenhang hat die Insolvenz von Praktiker im DIY-Sektor für Aufruhr gesorgt. Zwar gelang es Praktiker sich durch jahrelange Preisaktionen als wahrgenommener Preisführer zu etablieren. Dies stellte allerdings kein nachhaltig stabiles Leistungsversprechen dar. Zum einen verloren die Aktionen mit den Jahren ihren Neuigkeitswert und große Teile ihrer Sogwirkung, zum anderen hängte der Wettbewerb Praktiker in allen weiteren Kategorien ab. Die Konkurrenz verfügte meist über stärker frequentierte Standorte, größere Filialen mit einem besseren Renovierungszustand und arbeitete konsequent an ihren Sortimentskonzepten und -services. Außerhalb der Aktionszeiten war Praktiker seinen Wettbewerbern preislich und qualitativ klar unterlegen und musste letztlich aus dem Markt ausscheiden. In der aktuellen Preisstudie schneidet Obi im Vergleich gerade bei den Preisen seiner Eigenmarken und bei der Qualität sehr gut ab. Und obwohl die Preise von Obi real über denen von Bauhaus und Hornbach liegen, befindet sich das Unternehmen in der Kundenwahrnehmung mit den günstigeren Wettbewerbern Bauhaus und Hornbach auf Augenhöhe. Bauhaus zeigt bei seiner Auswahl im Preiseinstieg und in seiner Kommunikation Schwächen, so dass sich die faktisch sehr günstigen Preise nicht auf die Kundenwahrnehmung übertragen.

Der deutsche Textileinzelhandel zeigt im Jahr 2013 in der Kundenwahrnehmung ein vergleichsweise stabiles Bild. Die führenden Discounter Takko und NKD haben ihre relative Preisposition im Vergleich zum Wettbewerb leicht erhöht, was sich direkt in der Kundenwahrnehmung niederschlägt. Auch H&M hat die Preise erhöht, was vom Kunden jedoch noch nicht explizit wahrgenommen wurde. Das spricht für die Sortimentsarbeit von H&M mit der es gelungen ist, die Flächenperformance zu stabilisieren. Zalando, erstmalig im Jahr 2013 untersucht, positioniert sich weniger über den Preis, als vielmehr über Auswahl, Mode und Convenience. Preislich liegt das Unternehmen in etwa im Branchenschnitt und wird von den Kunden entsprechend realistisch eingeschätzt. Ein wichtiger Trend im Textileinzelhandel ist die schrittweise Expansion von Primark, die zukünftig große Auswirkungen auf den Wettbewerb haben wird. Die aggressive Preisstrategie und klare Sortimentsausrichtung von Primark werden vor allem New Yorker, Clockhouse von C&A und Takko zu spüren bekommen. Die faktisch günstigere Preisposition von Primark und die sich schrittweise aufbauende positive Preiswahrnehmung beim Konsumenten stellen für die Konkurrenz eine zunehmende Herausforderung für das Pricing und die Preiskommunikation dar.

Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel zeigt, wie langsam sich die Preiswahrnehmung der Konsumenten verändert. Trotz leichter Preisanpassungen der führenden Anbieter hat sich die Wahrnehmung der Konsumenten im vergangenen Jahr nicht signifikant verändert. Anpassungen der Preisstrategie benötigen meist zwei bis drei Jahre bis sie die Wahrnehmung der Verbraucher verändern. Die Erfolge von EDEKA und REWE zeigen, dass der Preis nicht alles ist. Immer mehr Kunden schätzen die Vorteile des Supermarktes, seine Nähe, seine Frische, die gute Auswahl und den schnellen Einkauf. Bei Lebensmitteln sind Konsumenten zunehmend bereit, für ein besseres Produkt etwas mehr zu zahlen solange das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

Zukunftsaussichten: Höhere Preistransparenz und mehr Kundenorientierung

Beim Vergleich der stationären (Offline-)Kunden und der Online-Kunden zeigen sich zum Teil deutliche Unterschiede im Kaufverhalten. So vergleichen Offline-Kunden in Deutschland die Preise von durchschnittlich 2,3 Händlern, während Online-Kunden hier mehr Aufwand betreiben und die Preise von 2,7 Händlern vergleichen. In Summe müssen sich alle Branchen auf eine höhere Preistransparenz einstellen, vor allem durch mobile Dienste. In der Unterhaltungselektronik besteht hier aktuell die größte Herausforderung, bei DIY und im Drogeriebereich wird sie in den kommenden Jahren überproportional zunehmen.

„Die Preiswahrnehmung des Kunden ist vergleichsweise stabil, so dass sich die Einstellung zu einzelnen Anbietern meist nur langsam verändert. Aufgrund der steigenden Preistransparenz ist es wichtig, konsistent und nachhaltig zu agieren und taktische Schnellschüsse zu vermeiden. Die Preiswahrnehmung der Konsumenten wird stark durch negative Preiserfahrungen geprägt. In vielen Branchen besteht für die Anbieter dabei die Gefahr, schrittweise Kunden zu verlieren. Der Schlüssel zu erfolgreichen Pricing-Modellen liegt in einer klaren Kundenorientierung und einem tiefen Verständnis des Kaufverhaltens der Verbraucher“, schließt Christian Ziegfeld mit einem Rat an die Unternehmen.


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