01.08.2022 – Kategorie: eCommerce
Super-App: Wenn eine Finanzplattform Schuhe verkauft
Der Trend zur Super-App ist greifbar. Immer mehr Anbieter versuchen verschiedene Dienstleistungen in einer App zu integrieren. Die Finanzplattform Vivid verbindet nun die Bankenwelt mit dem E-Commerce. Die Strategie dahinter und was die Super-Apps für den E-Commerce bedeuten, erklärt Dmitrii Zhamanakov, Head of Product Daily Banking bei Vivid.
Wer sein Handy entsperrt, muss heute durch eine Flut von Apps navigieren. Nach einer Erhebung von 2018 hat jeder Mensch mit Smartphone etwa 80 Apps installiert. Aktuell werden es kaum weniger sein. So ist es kein Wunder, dass sich immer mehr Personen Minimalismus wünschen. Eine Studie des Research-Instituts PYMNTS zeigt, dass in den USA bereits 67 Prozent der Nutzer:innen es begrüßen würden, wenn mindestens zwei ihrer alltäglichen Aktivitäten in einer App gebündelt werden. Immerhin jede:r Zehnte würde sogar das gesamte Leben in einer Super-App bündeln. So ist klar, dass dieser Trend auch im E-Commerce an Relevanz gewinnt.
Super-App: Von den Schwellenländern in die Welt
Aktuell ist Deutschland noch weit davon entfernt, den Alltag in einer App zu vereinen. Der Trend zur Super-App stammt aus China sowie Schwellenländern, wo große Teile der Bevölkerung auf solche Apps regelrecht angewiesen sind. In China zum Beispiel ist ein Leben ohne die E-Wallet-Apps WeChat Pay oder Alipay kaum noch vorstellbar. Diese Apps sind selbst für einfache Zahlungen notwendig, während sie zeitgleich auch für soziale Netzwerke, Video-Entertainment, Ride-Hailing und Arzttermine genutzt werden können. Aber auch in Deutschland ist der Trend zur App-Nutzung spürbar und verdeutlicht das Potential für Super-Apps: In-App-Käufe in Deutschland werden im Jahr 2022 voraussichtlich einen Umsatz von 3,99 Mrd. Euro erreichen, für 2026 ist ein Anstieg auf 5,9 Mrd. Euro prognostiziert.
Vivids Weg zur Super-App
Vivid ist 2019 in Berlin als Finanz-Startup gestartet. Das Kernprodukt ist eine Finanzplattform: Das bedeutet ganz simpel, dass User bei Vivid ihre Finanzgeschäfte erledigen können. Die App funktioniert zunächst wie ein Bankkonto. Es kann Geld eingezahlt und abgehoben werden – wie bei einem Girokonto ohne Kontoführungsgebühren. Nach und nach wurden dann mehr Features integriert: Ein Cashback-System bietet zusätzliche Rabatte für Nutzer:innen, es kann in Aktien, Cryptowährungen oder Edelmetalle investiert werden, oder über in der App integrierte Partner die Steuererklärung abgegeben oder ein Carsharing-Auto gebucht werden. Die neueste Erweiterung in der Vivid-App ist das Feature “Vivid Shopper”, womit Nutzer:innen direkt in der App in ihren beliebtesten Onlineshops einkaufen können. Ihr Vorteil: Zahlungsdaten müssen nicht umständlich neu bei jedem Shop eingetragen werden, für die Daten besteht so ein höherer Datenschutz und nicht zuletzt erhalten die Nutzer:innen Cashback-Rabatte.
In 4 Schritten zur Super-App
Die Entwicklung zur Super-App folgt bei Vivid einer klaren Strategie:
- Als Finanz-App schafft Vivid eine “High Frequency App” – also eine App, die Nutzer:innen relativ häufig nutzen.
- Da die Nutzer:innen sich eh in der App bewegen, können horizontal andere Services in der App integriert werden.
- So kann Vivid seine Marge pro User durch effektives Crossselling erhöhen.
- Somit wird der Customer Lifetime Value mit jedem weiteren Produkt in der App potentiell erhöht, und es fällt leichter die Customer Acquisition Cost abzudecken.
Nahtlose Integration ohne Stolpersteine
Aber selbstverständlich birgt die Super-App auch klare Vorteile für die Nutzer:innen, was am Beispiel Crypto gut zu erkennen ist. Vivid-User:innen investieren mit Vivid einfacher in
Cryptowährungen als anderswo, da sie a) ohnehin ihr Geld bereits in der App haben und b) kein erneuter KYC-Prozess (“Know Your Customer” – ein Prozess zur Verhinderung von Geldwäsche und zur Einhaltung von Datenschutz und Compliance-Richtlinien) durchgeführt werden muss. Bei der Konkurrenz müsste erst ein neues Konto erstellt, dann der KYC Prozess durchlaufen (was gerne mehr als einen Tag dauert), dann Geld überwiesen (dauert) oder per Kreditkarte eingezahlt werden (kostet Gebühren). Bei Vivid ist der Prozess in einer App abgebildet und somit für die Nutzer:innen nahtlos und ohne Stolpersteine.
Die Bedeutung der Super-App für den E-Commerce
Und wie ist das nun mit dem E-Commerce? Warum macht es Sinn, Shopping in einer Bank- und Finanz-App zu integrieren? Zunächst einmal ist Bezahlen ein fundamentaler Teil beim Shopping. Laut Daten der Bundesbank geben 12 Prozent der Nutzer:innen, die eine Kreditkarte besitzen und im Internet einsetzen, an, dass sie aufgrund von Payment-Kanalwechseln (wie 3D Secure, Visa Secure, S-ID-Check) „häufig“ oder gar „in ungefähr der Hälfte der Einsatzversuche“ wegen der Sicherheitsabfragen den Kauf abbrechen. Weitere 24 Prozent brechen ebenfalls Kaufversuche ab, allerdings nur „selten“. Ein enormer Verlust, insbesondere am Ende des Funnels, wenn die Kaufentscheidung eigentlich schon gefallen ist.
Aber nicht nur die Einfachheit besticht: Auch Sonderfunktionen wie Ratenzahlung laufen ohne zusätzlichen KYC ab und sind damit in der Super-App in der Regel günstiger zu haben. Auch Amazon bietet Ratenzahlung an, wenn die Daten aus vergangenen Transaktionen die Zuverlässigkeit der Kund:innen bestätigen. Andersherum sind die Zahlungsdaten in der App sicher verstaut, und müssen nicht vom Kunden von einem System in ein anderes übertragen werden. Das schützt effektiv vor Betrugsmaschen wie Phishing.
Die Vorteile für Shop-Betreiber:innen
Doch eine Frage bleibt bis hierhin offen: Was haben eigentlich Betreiber:innen von Online-Shops davon, in einer Super-App integriert zu sein? Die kurze Antwort ist: Die Shops sparen an den Customer Acquisition Costs (CAC). Ausführlicher bedeutet dies, dass Shopbetreiber:innen Zugang zu tausenden Kund:innen auf einmal erhalten. Das wird gerade für hoch kompetitive Märkte interessant, wie ein Beispiel aus dem Quick-Commerce zeigt. In Berlin war lange Gorillas Vorreiter und Marktführer im Segment Quick-Commerce. Dies war auch in der Vivid-App erkennbar. Als Flink in den Markt einstieg und entschied sich das Unternehmen für eine Kooperation mit Vivid. Durch dezidierte Cashback-Aktionen gelang es dem Wettbewerber innerhalb kurzer Zeit den Primus vom Thron zu stoßen und die meisten Bestellungen über die Vivid-App zu erreichen.
Gerade neue Brands können also von der Integration in Super-Apps profitieren – ähnlich wie bei einer Integration in den Amazon Marketplace. Der Shop kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren, während Themen wie Zahlungen und Processing ausgelagert werden. Anders als auf einem Marktplatz sollen sich, zumindest bei Vivid, die integrierten Shops keine Konkurrenz machen, sondern sich ergänzen. Außerdem wird bei der Partnerwahl auf den Brand-Customer-Fit geachtet und dass ein Mehrwert für die Kund:innen entsteht. Am Ende gewinnen die Partner, die von den Vivid-Nutzer:innen am meisten gewünscht werden. Dann wird jedoch gemeinsam per Trial & Error die beste Platzierung in der App gefunden.
Die Super-App: Der nächste logische Schritt im E-Commerce
Das Beispiel von Vivid zeigt: Der Trend zur Super-App ist in der westlichen Welt angekommen und wird auch hier die Zahl der Apps auf unseren Smartphones reduzieren. Längst gibt es verschiedene Angebote von FreeNow für Mobilität oder eben Vivid für Finanzdienstleistungen und Shopping. Für den E-Commerce bedeutet dies, dass Shops strategisch die Integration in unterschiedliche Apps in Betracht ziehen sollten. In der Rückschau standen Online-Shops zunächst für sich, dann wurde die Auffindbarkeit in Suchmaschinen immer relevanter, später wurde die Integration in Marktplätze eine Option. Für den E-Commerce ist die Super-App der nächste logische Schritt, um den Kund:innen die beste Erfahrung zu bieten.
Der Autor Dmitrii Zhamanakov ist Head of Product für den Bereich Daily Banking bei Vivid. Neben Stops bei SAP, Idealo und eBay Kleinanzeigen, gründerte er bereits 2010 eine ein erfolgreiche EdTech-Start-up für das Erlernen der deutschen Sprache mit über 2 Millionen Nutzerinnen und Nutzern. Bei Vivid verantwortet Dmitrii die Bereiche Cards, Accounts, Payments, Transfers und Subscriptions. Gemeinsam mit seinen Teams entwickelt er Lösungen, um Vivid noch maßgeschneiderter in den Alltag der Kundinnen und Kunden zu integrieren.
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