26.04.2023 – Kategorie: Logistik
Tag der Logistik 2023: Fachkräftemangel bleibt die größte Herausforderung
Anlässlich des diesjährigen Tags der Logistik öffnete Deutschlands drittgrößter Wirtschaftsbereich seine Tore für die Öffentlichkeit. Bei der Pressekonferenz äußerten sich Praktiker, Experten und Politiker zu den aktuellen Herausforderungen für die Logistik, wie der Fachkräftemangel und mögliche Lösungsansätze.
Am 20. April, dem Tag der Logistik, öffnete Deutschlands drittgrößter Wirtschaftsbereich seine Tore für die breite Öffentlichkeit. Bei der offiziellen Pressekonferenz kamen Praktiker der Logistik und Experten zu Wort. Ebenso Oliver Luksic, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) sowie Koordinator der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik. Zentrales Thema waren die aktuellen Herausforderungen durch den Fachkräftemangel und mögliche Lösungsansätze.
Drittgrößter Wirtschaftsbereich präsentiert sich am Tag der Logistik
Die Logistikbranche ist mit 319 Milliarden Umsatz (Prognose 2022) nach Automobil und Handel der drittgrößte Wirtschaftsbereich in Deutschland. Nicht nur als Garant für Versorgungssicherheit, sondern auch als Arbeitgeber spielt die Logistik in Deutschland eine bedeutende Rolle. Denn die Zahl an Akteuren, Unternehmen und Beschäftigten in diesem Wirtschaftsbereich ist rekordverdächtig. Nur knapp die Hälfte der logistischen Leistungen, die in Deutschland erbracht werden, besteht in der gemeinhin sichtbaren Bewegung von Gütern durch Dienstleister zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Die andere Hälfte findet in der Planung, Steuerung und Umsetzung innerhalb von Unternehmen statt.
Allein 80.000 überwiegend mittelständisch geprägte Unternehmen sind Teil des Logistikdienstleistungssektors, mit über drei Millionen Erwerbstätigen arbeiten rund dreimal so viele Menschen in der Logistik wie beispielsweise im Maschinenbau. Doch wie andere Branchen leidet auch die Logistik unter dem Fachkräftemangel, der durch die demographische Entwicklung noch verstärkt wird. Gleichzeitig bieten Digitalisierung und Automatisierung, geänderte politische Rahmenbedingungen, erleichterte Zuwanderung und weitere Maßnahmen Chancen, dem Mangel an Arbeitskräften zu begegnen.
Über 165 Veranstaltungen am Tag der Logistik 2023
Der europaweit stattfindende Tag der Logistik wurde 2008 von der BVL (Bundesvereinigung Logistik e.V.) initiiert und bot der breiten Öffentlichkeit auch in diesem Jahr wieder viele Möglichkeiten, Logistikunternehmen vor Ort kennenzulernen. Insgesamt fanden am Tag der Logistik mehr als 165 Veranstaltungen statt. Dies nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen, Luxemburg, Litauen, der Niederlande, der Schweiz, der Türkei und sogar der Ukraine, von denen viele online verfolgt werden konnten.
Auf der offiziellen Pressekonferenz, die am 20. April 2023 im House of Logistics and Mobility in Frankfurt am Main stattfand, wurden Chancen und Risiken für den Wirtschaftsbereich Logistik von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachtet. Eingeleitet wurde die Pressekonferenz durch Oliver Luksic. Vorträge hielten Dr. Klaus Wohlrabe vom ifo Institut in München, Christina Thurner, Gesellschafterin und Vorstandsmitglied der Loxxess AG sowie Vorstandsmitglied der BVL, Volker Klassen, Geschäftsführer des Hafen Trier, sowie Stefan Rummel, CEO der Messe München.
Fachkräftemangel – Perspektiven und Lösungsansätze
„Antworten auf den chronischen Fahrermangel liegen beispielsweise in attraktiven Arbeitszeitmodellen und der systematischen Verbesserung und Erweiterung des Raststätten-Netzes. Die Politik steht zudem in der Verantwortung, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, etwa hinsichtlich der Berufskraftfahrerqualifikation. Wir wollen qualifizierte Fachkräfteeinwanderung und den Zugang zu Fahrberufen erleichtern. So wird das Visumverfahren für Berufskraftfahrer deutlich vereinfacht; die bisherige Vorrangprüfung entfällt; eine Erklärung des Arbeitgebers reicht aus“, sagte Oliver Luksic bei der Pressekonferenz.
„Auch wird die Grundqualifikation zum Berufskraftfahrer künftig in mehreren Fremdsprachen möglich sein. Daneben ist es von größter Bedeutung, das einheimische Potential an Arbeitskräften zu heben. Gute Arbeitsbedingungen, attraktive Arbeitszeitmodelle und Löhne spielen hier eine wichtige Rolle. Hier sind auch die Unternehmen selbst in der Pflicht“, so Oliver Luksic. Der Parlamentarische Staatssekretär kündigte überdies eine Vereinfachung der Anerkennung von Dokumenten in der europäischen Binnenschifffahrt an. In seinem Fazit betonte er die hohe Attraktivität der durch die Digitalisierung sich stark verändernden Berufsbilder in der Logistik. Wichtig sei aber eine verstärkte, positive Kommunikation durch die Wirtschaft. Der Tag der Logistik leiste hierzu einen wichtigen Beitrag.
Neue Erkenntnisse zum Arbeitsmarkt
Aus wissenschaftlicher Seite beleuchtete Dr. Klaus Wohlrabe die Diskussion mit einer allgemeinen Einschätzung zum Arbeitsmarkt. Dabei informierte er über neue Erkenntnisse vom Arbeitsmarkt:
- Die Anzahl der Arbeitsplätze in der Logistik ist in den letzten 8 Jahren um rund 40 Prozent gestiegen (von 2014 bis 2022).
- Der Anteil an ausländischen Mitarbeitern hat sich von 13 auf 31 Prozent mehr als verdoppelt.
- Der Frauenanteil ist weiterhin eher niedrig, zuletzt lag er bei rund 19 Prozent, hier ist seit Jahren kaum Bewegung drin.
- Die Anzahl der Auszubildenden ist über die Jahre mit drei Prozent nur leicht gestiegen. Offene Stellen haben sich in den letzten 15 Jahren fast vervierfacht.
„Der Fachkräftemangel ist gekommen, um zu bleiben,“ erklärte Dr. Wohlrabe. „Dies gilt für die Gesamtwirtschaft und insbesondere auch für den Bereich Logistik. Die Logistik ist daher gut beraten, ihre faktischen Vorzüge als Arbeitgeberin noch stärker herauszustellen. Die Politik muss vor allem zuverlässige Rahmenbedingungen für die Zuwanderung von Fachkräften setzen. Aber auch die Logistik kann die Potenziale der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz heben, zum Beispiel beim autonomen Fahren, um so dem Fachkräftemangel Herr zu werden.“
Christina Thurner ergänzte die Runde mit der Sicht des Logistikdienstleisters, berichtete über Neuheiten bei technischen Hilfsmitteln wie Automatisierung und Künstlicher Intelligenz und hob das Potenzial von Frauen in der Logistik hervor sowie die Bedeutung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf „Steigende Energie- und Personalkosten in der Logistik sind ein Problem mit realen Implikationen für den Wirtschaftsstandort“, erklärte Christina Thurner. „Heute ist es daher besonders wichtig, dass BMDV und Initiativen des Wirtschaftsbereichs wie der Tag der Logistik zusammenarbeiten.“
Lösungen zum Fachkräftemangel in der Logistik
Thurner wies zudem auf Lösungen zum Thema Fachkräftemangel hin: „Laut Berufsbildungsbericht des Bundesinstituts für Berufsbildung hatten bereits 2021 2,5 Mio. Menschen zwischen 20 und 34 keinen Berufsabschluss. Diese Zahlen steigen seit Jahren. Die Forderung an die Politik müsste daher lauten, diese Menschen einer Ausbildung zuführen.“ Die Managerin zitierte weiter Adrian Peter, Präsident von der Deutschen Industrie- und Handelskammer zum Thema Teilzeit bei Müttern: „Wenn alle Frauen, die in Teilzeit arbeiten, zwei Stunden mehr arbeiten würden, hätten wir demnach 500.000 zusätzliche Arbeitskräfte. Ein wichtiger Teil der Lösung ist eine funktionierende Kinderbetreuung.“
Volker Klassen erläuterte in der Pressekonferenz die Funktionen, Job-Perspektiven und Bedeutung der Binnenhäfen am Beispiel des Hafens Trier. Zum Tag der Logistik betont Klassen: „Mit dem Tag der Logistik generieren wir mehr Aufmerksamkeit für die Logistik in der breiten Öffentlichkeit. Diese Aufmerksamkeit ist gerechtfertigt: Denn gerade in der Corona-Zeit haben wir die Probleme mit einer gestörten Logistik kennengelernt und wissen nun besser zu schätzen, dass sie üblicherweise im Stillen funktioniert. Der Tag der Logistik hilift uns, für die Bedeutung des Binnenhafens zu sensibilisieren, zu zeigen, vor welchen Herausforderungen er dabei tagtäglich steht und welche Verbesserungen der Rahmenbedingungen dafür von Seiten der Politik dringend nötig sind.“
Ausblick auf die europäische Fachmesse transport logistic
Stefan Rummel gab einen Überblick der Vielfalt der Logistik bei der größten europäischen Fachmesse „transport logistic“, die vom 9. bis 12. Mai 2023 in München stattfinden wird. „Die Stimmung in der Logistik spiegelt sich deutlich auf einer weltweiten Leitmesse wie der transport logistic wieder. Der Wirtschaftsbereich nimmt Herausforderungen wie Lieferketten-Problematiken, Inflation und Fachkräftemangel sehr ernst. Dank der für den Bereich typischen Resilienz und hohen Lösungsorientierung gelingt es der Logistik zunehmend, die verbleibenden Spielräume bestmöglich zu nutzen. Die Zuversicht kehrt damit allmählich zurück“, erklärte Rummel.
Der Tag der Logistik findet jährlich am dritten Donnerstag im April statt und wurde im Jahr 2008 von der Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V. initiiert. Die Ausrichtung des bundesweiten Aktionstages liegt seit Herbst 2021 bei den beiden auf Logistikkommunikation spezialisierten Agenturen mainblick GmbH, Frankfurt, und teamtosse GmbH, München. Die BVL und die Initiative Die Wirtschaftsmacher unterstützen den Aktionstag als ideelle Partner. Außerdem besteht die Möglichkeit zahlender Premiumpartner zu werden. Damit unterstützen Unternehmen und Organisationen den Fortbestand eines deutschlandweit einheitlich kommunizierten Tages der Logistik. Außerdem erhalten Premiumpartner exklusive Kommunikationsmaßnahmen für ihre Veranstaltungen am Tag der Logistik.
So bietet der Aktionstag Chancen für alle – Unternehmen sorgen für mehr Akzeptanz bei Nachbarschaft, Medien und Politik, stärken Kunden- und Mitarbeiterkontakte und können potenzielle neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ansprechen. Teilnehmende erhalten interessante Einblicke in die logistischen Abläufe und die vielfältigen Funktionen und Prozesse, die sie im täglichen Leben durch ihr Kauf- und Konsumverhalten auslösen. Und sie sehen, welche vielfältigen Berufschancen sich innerhalb der Logistik für eine Spannbreite von Hochqualifizierten, etwa IT-Spezialisten, bis hin zu Berufseinsteigern und Ungelernten bieten. (sg)
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