23.03.2022 – Kategorie: eCommerce
Ukraine-Krieg: Händler haben große Sorgen, aber auch klare Haltung
Wie eine aktuelle Mitgliederumfrage des bevh zum Ukraine-Krieg zeigt, befürchten die Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Zugleicht ist eine Mehrheit für scharfe Sanktionen gegen Russland.
- Laut einer aktuellen Umfrage des bevh zum Ukraine-Krieg erwarten die Mitglieder des Verbands massive wirtschaftliche Auswirkungen.
- Eine deutliche Mehrheit der bevh-Mitglieder ist für scharfe Sanktionen gegen Russland.
- Die Forderung nach staatlicher Hilfe liegt auf Rang fünf der geäußerten Wünsche.
Laut einer Umfrage bei bevh-Mitgliedern zu den Folgen des Kriegs in der Ukraine sehen sich 61,8 Prozent der Unternehmen mit massiv steigenden Energiepreisen und 53 Prozent mit erheblich steigenden Einkaufspreisen konfrontiert. 33,8 Prozent der Befragten geben an, dass ihnen Abnehmer und Aufträge wegen Lieferkettenproblemen wegbrechen. Dennoch: Die schlagartig verschlechterte Geschäftslage durch den Ukraine-Krieg nehmen die Händler in Kauf. So finden 31 Prozent der Befragten die Sanktionen gegen Russland absolut „angemessen“, weitere 51,7 Prozent der Mitglieder gehen sie sogar noch nicht weit genug. 15 Prozent sehen sich nicht in der Lage, dies zu beurteilen, und 2,3 Prozent sind anderer Meinung.
Diese Ergebnisse gehen aus einer stichprobenartigen Mitgliederumfrage hervor, die der bevh zwischen dem 7. und 21. März 2022 durchgeführt hat. Der Verband repräsentiert mehr als 500 Onlinehändler, Marktplätze und Hersteller mit Direktvertrieb, die mehr als 75 Prozent der Umsätze im deutschen E-Commerce und Versandhandel erwirtschaften. Gut jedes vierte befragte Mitglied unterhält mindestens indirekt Geschäftsbeziehungen in der Ukraine, in Russland oder Belarus.
Ukraine-Krieg verursacht Mehrkosten und Probleme bei den Lieferketten
„Die wirtschaftlichen Sorgen der deutschen Onlinehändler sind groß, die Probleme und Mehrkosten ziehen sich durch die gesamte Liefer- und Prozesskette. Dennoch stehen sie hinter den Sanktionen der westlichen Staatengemeinschaft und halten angesichts der Kriegsfolgen auch Verschärfungen für angemessen“, fasst Frank Düssler, Sprecher des bevh, die Umfrageergebnisse zusammen.
Danach gefragt, wie die bevh-Mitglieder auf die Sanktionsauswirkungen reagieren, zeigt sich die volle Schockwirkung, die der Ukraine-Kriegs auf Unternehmen hat. 51 Prozent der teilnehmenden bevh-Mitglieder geben an, keine Möglichkeiten in der Hand zu haben, kurzfristig auf die Krise reagieren zu können. Nur 27 Prozent suchen derzeit nach alternativen Beschaffungs- und Vertriebswegen. 15,3 Prozent fahren ihre Geschäftstätigkeiten deshalb bereits zurück. Fünf Prozent der Befragten haben aber ohnehin andere Prioritäten: Sie haben Mitarbeiter in der Ukraine und sind aktiv bemüht, diese in Sicherheit zu bringen. 1,7 Prozent will bestehende Verträge kündigen.
Düsterer Ausblick auf Gesamtwirtschaft
Schlimmer als ihre betriebswirtschaftlichen Sorgen sehen die bevh-Mitglieder das gesamtwirtschaftliche Umfeld in Deutschland und der Welt. 12,7 Prozent der befragten Unternehmen erwarten eine Rezession in Deutschland, weitere 48,3 Prozent sehen den wirtschaftlichen Erholungsprozess in Deutschland dauerhaft unterbrochen. 39,0 Prozent der Befragten erwarten eine Verlangsamung der wirtschaftlichen Erholung. Kein einziges Unternehmen glaubt, dass sich die Erholung der deutschen Wirtschaft unverändert fortsetzt.
Mit Blick auf die Weltwirtschaft erwartet die Hälfte (49,4 Prozent), dass die Auswirkungen „massiv und dauerhaft“ sein werden. 37,6 Prozent halten die Folgen für „gravierend aber vorübergehend“. Nur 10,6 Prozent halten die Belastungen für „verkraftbar“ und glauben an alternative Versorgungswege, und 2,4 Prozent erwarten keine gravierenden Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.
Ukraine-Krieg: Energiesicherheit weit wichtiger als staatliche Hilfen
Angesichts der immensen Aufgaben und fehlender Zeit, ist der Handlungsdruck der Bundesregierung groß. Auf die Frage „Welche Erwartungen haben Sie an die Politik, um auf die Krise wirtschaftlich zu reagieren?“ Hierbei waren Mehrfachantworten möglich. Eine deutliche Mehrheit von 81,3 Prozent antwortete „die Sicherstellung der Energieversorgung unter anderem durch den Ausbau erneuerbarer Energien“, gefolgt vom „Ausbau der Verkehrts- und Digitalinfrastruktur“ (56,3 Prozent). 48,8 Prozent sehen die Regierung in der Pflicht, Bürokratie abzubauen. 26,3 Prozent hätten gerne mehr „außenwirtschaftliche Flankierung beim Aufbau neuer internationaler Lieferwege“. Der Ruf nach schnellen und unbürokratischen Finanzhilfen landet mit 25 Prozent Zustimmung nur auf Platz fünf der drängendsten Forderungen. Nur fünf Prozent der Teilnehmer finden die Maßnahmen der Regierung ausreichend oder wissen keine Antwort.
Ausblick auf die E-Commerce-Umsätze im ersten Quartal 2022
Nicht nur auf der Beschaffungsseite, auch der Absatz ist in den Wochen vor dem Angriff auf die Ukraine und vor allem danach bei vielen Onlinehändlern in Deutschland massiv zurückgegangen. „Die Menschen halten ihr Geld zusammen, wenn die Energie- und Lebenshaltungskosten heftig steigen und die Inflation die Kaufkraft des verfügbaren Einkommens schmälert. Niemandem steht angesichts des Krieges in solcher Nähe der Sinn nach Konsum. Wir sehen ein Szenario, das den Einbruch im ersten Quartal 2020 noch in den Schatten stellt“, erläutert Martin Groß-Albenhausen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer im bevh. Der bevh wird die Branchenumsätze des ersten Quartals 2022 Anfang April bekannt geben.
Der Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) ist die Branchenvereinigung der Interaktiven Händler, das heißt der Online- und Versandhändler. Neben den Versendern sind dem bevh auch namhafte Dienstleister angeschlossen. Nach Fusionen mit dem Bundesverband Lebensmittel-Onlinehandel und dem Bundesverband der Deutschen Versandbuchhändler repräsentiert der bevh sämtliche Player der Branche. Der Verband vertritt die Brancheninteressen aller Mitglieder gegenüber dem Gesetzgeber sowie Institutionen aus Politik und Wirtschaft. (sg)
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