03.03.2021 – Kategorie: Recht
Update für das Kaufrecht: Das müssen Onlinehändler jetzt beachten
Neues EU-Recht führt zur Verschärfung des bisherigen Gewährleistungsrechts und einer Stärkung von Verbrauchern. Daraus resultieren zusätzliche rechtliche Pflichten für Onlinehändler – aber auch Chancen!
„A Europe fit for the digital age“ – so lautet die ambitionierte Überschrift der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt der Europäischen Kommission. Der rasant fortschreitenden Digitalisierung soll mit neuen rechtlichen Regelungen zum Kaufrecht ein zeitgemäßer Rahmen verpasst werden. Teil dieser Strategie ist die EU‑Warenkaufrichtlinie (WKRL), die das Kaufrecht in der EU vollständig harmonisieren soll.
Die Bundesregierung veröffentlichte vor kurzem einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der WKRL in deutsches Recht. Darin sind unter anderem Neuregelungen zum Begriff des Sachmangels und eine Verlängerung der Mangelvermutung enthalten. Unternehmer trifft künftig eine Update‑Pflicht bei Verträgen mit digitalen Inhalten. Die neuen Vorschriften bieten aber auch Chancen für Onlinehändler: Durch den einheitlichen Rechtsrahmen werden die Transaktionskosten für die Erschließung neuer Märkte gesenkt. Davon profitieren insbesondere kleine und mittelständische Händler.
Kaufrecht: Begriff des Sachmangels wird verbraucherfreundlich erweitert
Der bisher im deutschen Recht überwiegend subjektiv geprägte Begriff des Sachmangels wird zukünftig durch objektive Kriterien ergänzt. So rücken, neben den subjektiven Vorstellungen der Vertragsparteien, objektive Elemente, wie die im Geschäftsverkehr üblichen Eigenschaften der Sache und die Montageanforderungen stärker als bisher in den Vordergrund. Auch die Haltbarkeit der Sache soll dazu zählen. Das führt dazu, dass der Mangelbegriff merklich erweitert wird.
Für B2C-Kaufverträge ist der neue Mangelbegriff zudem weitestgehend zwingend. Nur unter engen Voraussetzungen können Verbraucher und (Online‑)Händler hiervon abweichen. Eine weitere Veränderung zugunsten von Verbrauchern ist die Verdopplung der gesetzlichen Beweislastumkehr: Die bisher geltende Vermutung, dass bei B2C‑Kaufverträgen ein Mangel der Kaufsache bereits bei Übergabe der Kaufsache vorlag, gilt künftig nicht mehr für sechs Monate, sondern für ein ganzes Jahr! Erst nach diesem Jahr trifft den Käufer eine aktive Nachweispflicht.
Die „Sache mit digitalen Elementen“ – eine neue Kategorie für das BGB
Die ebenfalls mit der Digitalisierungsstrategie der Europäischen Kommission erlassene Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen sieht die Einführung einer komplett neuen Sachkategorie vor – die „Sache mit digitalen Elementen“. Darunter ist eine Sache zu verstehen, die ausschließlich mithilfe digitaler Inhalte oder Dienstleistungen funktionieren. Unter „digitalen Inhalten“ sind Daten zu verstehen, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. „Digitale Dienstleistungen“ liegen vor, wenn elektronische Datenverarbeitungsvorgänge durchgeführt werden.
Kurz gesagt: Es ist also eine Verbindung zwischen Sache und digitalem Element notwendig. Künftig wird man zwischen Sachen mit und ohne digitale Elemente unterscheiden, da die geltenden Gewährleistungsregeln erheblich voneinander abweichen. Betroffene Onlinehändler werden ihre AGB entsprechend anpassen müssen.
Kaufrecht: Update‑Pflicht für Verkäufer
Bei der neuen Sachkategorie sind die Verkäufer künftig verpflichtet, für die digitalen Elemente Updates bereitzustellen. So wird verhindert, dass Sachen an Funktionalität und Sicherheit einbüßen, nur weil die enthaltene Software nicht mehr auf dem neusten Stand ist. Nur wenn der Verkäufer der Update‑Pflicht nachkommt, ist die Sache mangelfrei. Sobald neue Updates vorliegen, muss der Kunde informiert werden.
Die Verpflichtung besteht so lange, wie es Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks der Sache sowie des Vertrags erwarten kann. Nähere Vorgaben macht der Gesetzesentwurf nicht – durch diese offene Formulierung ist Streit vorprogrammiert. Letztlich werden Gerichte im Einzelfall entscheiden, wie lange der Verkäufer Updates bereitstellen muss.
Ein weiteres Problem ist, dass häufig nicht die Verkäufer, sondern die Hersteller die Updates zur Verfügung stellen. Dies hat der Gesetzgeber erkannt und den Verkäufer für den Rückgriff in der Lieferkette gestärkt. Trotzdem wird die Auseinandersetzung mit dem Kunden für den Verkäufer eine zusätzliche Belastung darstellen. Und wie reibungslos der Regress beim Hersteller funktioniert, bleibt abzuwarten – insbesondere, wenn es sich um einen großen Konzern mit Sitz im Ausland handelt.
Kaufrecht bringt strengere Anforderungen an Garantien und flexible Verjährung
Damit nicht genug – der Gesetzesentwurf bringt weitere Belastungen für (Online-)Händler. So muss die Garantieerklärung künftig auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden, zum Beispiel per E-Mail. Aus der Garantieerklärung muss deutlich hervorgehen, dass die Garantie die zusätzlich geltenden Gewährleistungsrechte unberührt lässt und die Inanspruchnahme unentgeltlich ist.
Eine weitere Neuerung im Kaufrecht ist, dass die Verjährung der Gewährleistungsrechte bei B2C‑Geschäften unterschiedlich beginnt. Je nach Vertragsgegenstand soll die Verjährung entweder zwei Jahre nach Bereitstellung der Sache, zum Ende des Bereitstellungszeitraums (wenn dieser länger als zwei Jahre ist) oder mit Ende des Zeitraums, zu dem die Aktualisierungspflicht endet, eintreten. Auch insofern müssen die Online‑Händler ihre AGB anpassen – ansonsten drohen Abmahnungen durch Wettbewerber und Verbraucherschutzverbände.
Grenzüberschreitender Handel wird erleichtert – eine Chance für Onlinehändler
Trotz vieler neuer Pflichten für Händler: Zweck der WKRL ist, den europäischen Binnenmarkt zu harmonisieren und den grenzüberschreitenden elektronischen Handel zu fördern. Besonders für kleine und mittelständische Unternehmen verspricht die Richtlinie Vorteile, weil Verträge an andere Rechtsordnungen nicht angepasst werden müssen. So werden Transaktionskosten insgesamt gesenkt und neue Märkte erschlossen.
Ein weiteres Ziel ist die Nachhaltigkeit. Die verlängerte Beweislastumkehr soll Unternehmer zur Herstellung langlebigerer Produkte bewegen. Dies kann sich positiv auf die Produktqualität auswirken.
Praktische Umsetzung: Besser heute als morgen
Wesentliche Veränderungen des aktuellen Gesetzesentwurfs der Bundesregierung sind nicht zu erwarten. Die Vorschriften der WKRL müssen von den Mitgliedstaaten bis zum 1. Juli 2021 umgesetzt und ab dem 1. Januar 2022 verbindlich angewendet werden. In etwa neun Monaten gelten die neuen Vorschriften verbindlich innerhalb der EU.
Onlinehändler sollten daher zeitnah ihren Anpassungsbedarf analysieren und praktisch umsetzen. Dabei wird eine Aktualisierung der Verträge und AGB erforderlich sein. Darüber hinaus müssen neue Prozesse implementiert werden – etwa für die Umsetzung der Informationspflichten zu Updates und Garantien. Versäumen die betroffenen Händler eine fristgemäße Umsetzung vom neuen Kaufrecht, drohen kostenpflichtige Abmahnungen durch Wettbewerber und Verbraucherverbände.
Über die Autoren: Phillip Bubinger ist Rechtsanwalt bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland. Er berät Unternehmen in allen Rechtsfragen rund um ihr operatives Geschäft, insbesondere in den Bereichen Beschaffung, Produktion und Vertrieb.
Dr. Arne Schmieke ist ebenfalls Rechtsanwalt bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS. Er ist spezialisiert auf rechtliche Beratung zu den Themen E-Commerce, IT-Projekte und Datenschutz.
Phillip Bubinger ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS. Dr. Arne Schmieke ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS.
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