11.04.2012 – Kategorie: Handel, IT, Kommunikation, Marketing, eCommerce
Usability-Trend: Einkaufserlebnis durch Beratung
Statt sich durch einen unübersichtlichen Dschungel aus Angeboten klicken zu müssen, erwartet der Kunde auch beim Online-Shopping eine kompetente Führung. Die Online-Produktberatung macht den Einkauf zum Erlebnis und begleitet den Kunden zu dem für ihn besten Angebot.
Das Internet ist laut einer aktuellen GfK-Studie1 über Kaufentscheidungen im Einzelhandel die wichtigste Informationsquelle für fast alle Produktkategorien, von Unterhaltungselektronik über Sportgeräte und Geschenke bis zu Reisen. Verbraucher nutzen die Online-Angebote von Herstellern und Versandhändlern gezielt zur Kaufvorbereitung sowie der damit verbundenen Informationsrecherche, um die eigenen Bedürfnisse herauszufinden, das Sortiment und Produkte zu entdecken und die am besten passenden Produkte zu recherchieren.
Die Ansprüche der Verbraucher in punkto Einkaufserlebnis im Internet steigen permanent weiter an. Endlose Listen, komplizierte und zu technische Produktdatenblätter oder verschachtelte Tabellen sind längst nicht mehr “State of the Art“. Liebgewonnene Features zur Unterstützung der Entscheidungsfindung, wie Wunschlisten und Empfehlungen durch andere Benutzer (z.B. Amazon), Facettensuche (z.B. Shopping.com) oder dynamische Produktvergleiche (z.B. Cyberport) werden von Benutzern nicht mehr nur begrüßt, sondern vorausgesetzt.
Der gut informierte User empfindet das Entdecken der Produktwelt als Erlebnis
Dabei ist die Aufbereitung analoger Produktwelten für das digitale Medium eine besondere Herausforderung. Es gilt, dem Benutzer die gesamte Bandbreite einer Produktpalette adäquat darzustellen, so dass man sich ein umfangreiches Bild machen und den Kaufprozess erfolgreich abschließen kann. Dabei kommt es darauf an, den Benutzer nicht mit unverständlichen Produktinformationen, fummeligen Filter-Tools und langen Ergebnislisten alleine zu lassen, sondern ihn durch eine leistungsstarke und geführte Produktberatung mit guter Usability und einem Einkaufserlebnis an die Hand zu nehmen:
-Redaktionelle und visuelle Aufbereitung sowie Vorsortieren von Informationen über unterschiedliche Themenwelten (z.B. Anforderungen unterschiedlicher Zielgruppen, Produkt- und Markenbesonderheiten), das Produktsortiment und konkrete einzelne Produkte
– Führung durch die relevanten Informationen und Entscheidungsschritte ohne information overload
– Intuitives User Interface:Ohne nachzudenken bedienbar und an etablierten Konventionen orientiert. Dazu gehört z.B. die richtige Positionierung von Interaktionselementen, Action-Wording bei Auswahlelementen, grafische Hervorhebungen entsprechend den Gewohnheiten.
– Vermittlung der Markenwelt und der dazugehörenden Werte, da Nutzer dies als inspirierendes und orientierendes Element in der Kaufentscheidung wahrnehmen.
– Umgang mit unterschiedlichen Informationstiefen, um gleichzeitig Nutzererwartungen und Entscheidungen mit geringem sowie komplexem Erklärungsgehalt zu befriedigen
Dazu gibt es eine weitere Anforderung an das User Interface, welche die Grundlage des Interaktionsparadigmas bildet: Bei all den vorgenannten Punkten will der Nutzer effizient durch den Kaufprozess geführt werden (durch Beratungs-Tool gesteuert), dabei aber in entscheidenden Situationen „im driver’s seat“ sitzen und die volle Eigenkontrolle über Ablauf, Themen und Informationstiefe haben und spielerisch mit den Produkten interagieren können. Das User Interface bildet dabei die Schnittstelle zwischen Nutzer, Information und Interaktion,muss die unterschiedlichen Modi (toolgesteuerte Führung und Eigenkontrolle des Nutzers) adäquat abbilden und Zugang zu den verschiedenen Informationstiefen ermöglichen.
Point of Decision ist online
Marken-Websites und Online-Shops sind Informationsquelle Nummer Eins während der Kaufentscheidung und damit der Hauptvermittler von produkt- und kaufentscheidungsrelevantem Wissen. Gleichzeitig sollen sie ihre jeweiligen Conversion-Ziele erreichen (z.B. Conversion / Transaktion / Warenkorb, Markenbindung und Produktauswahl gefestigt, Lead generiert) und ein attraktives Einkaufserlebnis vermitteln.
Ähnlich wie im stationären Fachhandel hat auch der Gesamteindruck einer Online-Präsenz einen starken Einfluss auf das Kaufverhalten des Kunden. Die Website gibt bestimmte Rahmenbedingungen vor, es gilt eine Vertriebs- und Marketingstrategie umzusetzen. Manche Käufer befassen sich das erste Mal mit der jeweiligen Materie, andere wollen eine Einführung in das Produktsortiment.
Guided Selling leitet durch Produktauswahl
Guided Selling soll Online-Shoppern die Produktauswahl erleichtern und Marken-Websites sowie Online-Shops die Möglichkeit zu geben, Informationen über die Produkte zu vermitteln und unter Beachtung der jeweiligen Marketing- und Vertriebsstrategie zur Kaufentscheidung zu führen.
Das wichtigste Usability-Ziel des geführten Verkaufsvorgangs ist es, durch das User Interface Orientierung und Führung durch die Schritte der Produktauswahl zu geben. Dabei wird dem Nutzer durch Informationsangebote und passende Empfehlungen sowie eine adäquate Präsentation der Inhalte und Interaktion mit den Beratungsthemen und Produktvorschlägen ermöglicht, die Produktwelt spielerisch zu erlernen und eine fundierte Kaufentscheidung zu treffen.
Dazu werden geeignete UI-Methoden eingesetzt, wie z.B. geschlossene Fragen, Content-Vermittlung, Explanation-Texte, Fragefluss mit kontextrelevanter Folgenfragenberechnung.
Mehrsprachigkeit und entsprechende Anpassung an Platzrestriktionen, Unterstützung mobiler Endgeräte (Smartphones und Tablets) wird durch eine vorgeschaltete Themenwahl mit anschließender Ergebnisvorschau und einem Navigation Bar mit Fortschritts- und Prozessanzeige umgesetzt. Such- und Beratungstools müssen den Informationsbedarf der Online-Shopper befriedigen.
Dazu gehört, dass sie viele Informationen über potentielle Kaufwünsche und Produkteigenschaften vermitteln. Um die Informationen mit den Produktempfehlungen interaktiv zu kombinieren und dadurch das Erlernen der Produktwelt anzureizen, reicht es jedoch nicht, statischen Content anzubieten. Guided Selling bietet Produktberatung während der Produktsuche und vermittelt kontextrelevant und interaktiv Informationen, während der Nutzer aktiv auf der Suche und daher besonders empfänglich ist:
– Informationen werden kontextrelevant und eng in die Interaktion eingebunden vermittelt, wodurch sie vom Nutzer intensiv „erlebt und erlernt“ werden.
– Redaktionell gut aufbereitete Fragen und Antwortoptionen vermitteln Wissen und verdeutlichen Trade-Offs.
l-Feature-Erklärungen verdeutlichen die Produkteigenschaften und deren Anwendungsbereiche.
– Reasonings an den jeweiligen Produktempfehlungen informieren die Eignung für den jeweiligen Anwendungsbereich.
– Meist sehr technische Produktdaten werden so aufbereitet, dass sie für das typische Vorwissen der Nutzer ausgerichtet sind und konsumentensprachlich wiedergegeben werden. Übersichtliche Produktvergleiche erleichtern die Entscheidung.
Fallbeispiel: Emotionale Kaufentscheidung bei „CHRIST Juweliere‘
Der Schmuckspezialisten CHRIST wünschte einen Geschenkefinder, welcher den Benutzer in wenigen Schritten zum passenden Schmuckgeschenk führt. Dabei sollte die Beziehung zwischen Schenkendem und Beschenkten sowie der emotionale Moment des Schenkens inszeniert werden. Der User macht Angaben zu Anlass oder Geschenkempfänger und wird zur Produktempfehlung geleitet. Die Geschenkempfehlungen werden anhand einer speziell für CHRIST entwickelten Empfehlungsvisualisierung („Produktkarussell“) präsentiert. Das Produktkarussell ist darauf optimiert, dass eine Empfehlung in den Fokus gerückt wird, der Nutzer sich aber gleichzeitig einen Überblick über weitere Geschenkideen verschaffen kann und zusätzlich zum Stöbern angereizt wird.
Die Entwicklung der komplexen Interaktion und Animation des Karussells wurde anhand eines Flash-basierten Prototyps optimiert, in dem verschiedene Interaktionsmöglichkeiten für das „Produktkarussell“ ausgetestet wurden. So konnte eine Interaktion wie „Cover Flow“ (ähnlich der Albumvorschau in der Musik-Applikation iTunes von Apple Inc.), recht schnell für den Geschenkefinder ausgeschlossen werden. Denn im „Cover Flow“ ist das ausgewählte Element immer zentriert, wohingegen im Produktkarussell auch die ersten und letzten Produkte der Empfehlungsliste im Fokus stehen können, wenn man sie auswählt. Dies erleichtert die Orientierung und ermöglicht Zugang zu mehr Produkten und den dazugehörigen Informationen, ohne dass sich das UI „verschiebt“. Frühes Prototyping führte außerdem dazu, dass Übergangsanimationen und Extremfälle gleich am Anfang der Frontend-Entwicklung geklärt und festgelegt werden konnten.
Führung durch Kaufwünsche und Themenwelten
Häufig werden Guided Selling-Anwendungen mit der Anforderung konfrontiert, gleichzeitig übersichtlich und kompakt durch die Produktauswahl zu führen, und viel Wissen über die Produktbesonderheiten zu kommunizieren. Diese Anforderung lässt sich durch mehrstufige und frei vom Nutzer wählbare Informationsebenen lösen.
So bietet der für einen Hausgeräte-Hersteller entwickelte Produktberater die Möglichkeit, durch aufklappbare Elemente („Ich möchte mehr erfahren“) weitere Optionen auszuwählen und mehr über Produktfeatures zu lernen. Dadurch gibt es mehrere Informationsebenen: Frage, Antwortoptionen, Suboptionen zu den Antwortoptionen sowie Erklärungstexte.
Die User Interface- und Präsentations-Logik der Guided Selling-Technologie entscheidet dabei dynamisch, in Abhängigkeit vom Produktsortiment und den bereits beantworteten Fragen, zu welchen Themen sich der User noch äußern muss, um zu seinem persönlichen Top-Ergebnis zu gelangen.
Fazit
Was der Fachverkäufer im stationären Handel repräsentiert, kann Online-Produktberatung für Webseiten von Herstellern und Versandhändlern vermitteln. Dafür ist eine Usability notwendig, die den Nutzer an die Hand nimmt und durch das Sortiment sowie die Produktauswahl führt. Guided Selling ermöglicht, die Online-Suche durch geführte Beratung zu einem Einkaufserlebnis auszubauen, in dem Nutzer die am besten geeigneten Produkte finden und Hersteller und Händler ihr Sortiment ansprechend und mit guter Usability interaktiv präsentieren.
Autoren: Dr.-Ing. Ole Tangermann (CEO) und Constantin Kawohl (Interaction Designer), excentos GmbH, Potsdam
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