30.05.2022 – Kategorie: Handel
„Verifone hat noch nicht alle Details offengelegt“
Seit dem Ausfall der Verifone-Terminals ist der Handel alarmiert. Was jetzt auf Händler zukommt haben wir mit Ralf Gladis, Geschäftsführer von Computop besprochen.
Was bedeutet ein Ausfall dieser Größenordnung für den Handel?
Der gleichzeitige Ausfall von Tausenden von Verifone-Terminals in ganz Deutschland verursacht im Handel nicht nur Umsatzausfall, sondern auch hohe Aufwände und Kosten. Zwar könnten alle Kunden auch bar bezahlen, aber der Ausfall trifft alle unvorbereitet, und wer hat heute noch genügend Bargeld im Portemonnaie, um den Wocheneinkauf zu bezahlen? Viele Kunden werden beim Anblick des Schildes „Keine Kartenzahlung möglich“ gleich eine Tür weiter bei der Konkurrenz einkaufen. Hinzu kommen Diskussionen mit Kunden, die ihre Loyalty-Karten nutzen wollen. Nicht zuletzt ist der Aufwand, Tausende von Terminals zu aktualisieren oder auszutauschen, sehr groß – und die zusätzliche Bargeld-Logistik verursacht Kosten für mehr sichere Geldtransporte und mehr Wechselgeld.
Verifone-Bezahlterminals: Lösung via Fernwartung
Wie kann eine Behebung einer Störung dieses Umfangs technisch ablaufen, wo liegen die Unterschiede zwischen den verschiedenen Softwarekonzepten von Kartenterminals?
Verifone hat noch nicht alle Details offengelegt. Aber wir wissen dank Payone, dass es sich um ein Problem mit digitalen Zertifikaten handeln soll. Solche Zertifikate werden zur Authentisierung und Verschlüsselung der Kommunikation genutzt. Wenn die Zertifikate ungültig oder abgelaufen sind, können die Terminals keine Kommunikation aufbauen und keine Zahlung ausführen. Ein Lösungsansatz ist die Fernwartung: Jedes einzelne H5000-Terminal bekommt ein Softwareupdate mit gültigen Zertifikaten. Die Fernwartung funktioniert aber nur über eine Kommunikationsverbindung. Wer sein Terminal ausgeschaltet oder neu gestartet hat, der kann keine neue Verbindung aufbauen und bekommt auch kein Update aus der Cloud. Dann müsste das Gerät vermutlich getauscht werden, oder das Update wird manuell aufgespielt. Ein riesiger Aufwand. Falls das Terminal noch eine offene Verbindung zum Payment Provider besitzt, ist kein neuer Verbindungsaufbau nötig. Dann wäre ein Update möglich.
Der Einsatz von digitalen Zertifikaten ist nicht alternativlos. Auf Zertifikate, die immer ein Ablaufdatum haben, kann man verzichten, wenn der Payment Provider die Kommunikation z.B. mit Punkt-zu-Punkt-Verschlüsselung schützt. Dafür gibt es den PCI P2PE-Standard (point-to-point-encryption), den wir bei Computop im Einsatz haben. P2PE ist viel sicherer als digitale Zertifikate, jedoch scheuen viele Payment Provider den Aufwand für P2PE. Das sollte der Handel in Zukunft neu bewerten.
Ein weiterer Unterschied: Das Verifone H5000 ist ein sogenanntes Stand Alone oder Fat Terminal, das seine ganze Software im Gerät hat. Deshalb braucht jetzt jedes H5000-Terminal ein Update. Die Alternative dazu sind sogenannte Thin-Clients, die einen Großteil der Software in der Cloud nutzen. Dann braucht nicht jedes Terminal ein Update, sondern es reicht in der Regel, die Cloud-Software zu aktualisieren.
„Der Handel muss immer da sein, wo der Kunde ist“
Welche Stellung haben Kartenleser im Markt und wie wird sich diese im Zuge der weiteren Digitalisierung verändern?
Das H5000 von Verifone war sehr günstig und daher in Deutschland weit verbreitet. Das Terminal ist allerdings alt, der Support häufig ausgelaufen. Dass so viele Altgeräte noch im Markt sind, hat mit Kosteneinsparungen bei Händlern zu tun. Die Geräte funktionieren noch und sind deshalb einfach länger benutzt worden. Es war auch nicht davon auszugehen, dass die Geräte einfach die Arbeit einstellen, denn ein programmiertes Lebensende von Hardware ist in Europa verboten. Ökologisch ist der lange Betrieb richtig, unter Risiko-Gesichtspunkten wäre ein Austausch aus heutiger Sicht besser gewesen.
Welche Strategie verfolgen Handelsunternehmen, die derzeit ihre Terminalflotte austauschen?
Wer heute seine Terminals tauscht, macht sich auch Gedanken über Omnichannel und die passenden Zahlarten. Es gilt, die Erwartungen der Kunden zu erfüllen. Kann das Terminal auch QR Code-Payments ausführen? Sind Gutscheine und Bonuskarten integriert? Und wenn man sich damit schon beschäftigt, stellt sich die Frage, ob der Kunde überhaupt zur Kasse gehen muss. Auf der EuroCIS zeigt Computop zum Beispiel Smartphone Apps, die es Verkäufern erlauben, Zahlungen am Smartphone sicher entgegenzunehmen, damit der Kunde nicht an der Kasse anstehen muss. Zudem sind Self Checkout und In-App Payments ein großes Thema, denn der Handel muss immer da sein, wo der Kunde ist.
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Ralf Gladis ist Mitgründer und Geschäftsführer des internationalen Payment Service Providers Computop – the payment people. Außerdem ist er als CEO der Computop Inc, New York tätig.
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